Gewalt kennt viele Formen. Sie reicht von körperlicher und psychischer Gewalt bis hin zu digitaler oder Cyber-Gewalt. Gerade an Schulen werden all diese Arten von Gewalt angetroffen – letztere verstärkt in den vergangenen Jahren, wie auch der jüngste Bullying-Fall am „Grigore Moisil“-Lyzeum oder derjenige, der sich im Dezember 2024 an der deutschen „Nikolaus Lenau“-Schule in Temeswar/Timișoara zugetragen hat, der auch mit körperlicher Gewalt verbunden war, bezeugen. Fakt ist: Gewalt in der Schule ist ein akutes gesellschaftliches Problem, das nicht nur Kinder und Jugendliche betrifft, sondern auch das Bildungssystem als Ganzes herausfordert.
Vor diesem Hintergrund fand Ende März an der Temeswarer West-Universität (UVT) die Debatte „Offene Dialoge über Gewalt in der Schule“ statt. Die Veranstaltung versammelte Experten aus den Bereichen Bildung, Psychologie, Recht und Informatik sowie Studierende, Eltern und Schüler in der Aula Magna, um das Phänomen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und über Lösungsansätze zu diskutieren. Die Veranstaltung war gut besucht, was von einem gehobenen Interesse für dieses aktuelle Thema spricht. Fast alle Plätze in der Aula Magna waren besetzt, und das, obwohl die Diskussionsrunde noch bevor der Bullying-Fall am „Moisil“-Informatiklyzeum, bei dem ein zwölfjähriger Schüler von mehreren Mitschülern nackt fotografiert und anschließend mit den Fotos erpresst wurde (die ADZ berichtete), an die Öffentlichkeit gelangte, stattfand. Die Debatte wurde allerdings in einer Zeit organisiert, in der sich auch die Gespräche über die Netflix-Miniserie „Adolescence“ – die übrigens Eltern von Jugendlichen besonders zu empfehlen ist – intensivierten.
Das Problem verschärft sich
In seiner Eröffnungsrede betonte der UVT-Rektor Marilen Pirtea die Verantwortung der Schulen, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch ein sicheres Milieu für die Schüler zu schaffen. „Wenn grundlegende Werte wie Sicherheit, Anerkennung und Respekt nicht gefördert werden, kann Gewalt in verschiedensten Formen gedeihen“, erklärte er. Die Debatte wurde von Prof. Irina Macsinga, Prorektorin der UVT und zuständig für Bildungsinnovation, akademische Laufbahn und Studentenbeziehungen, moderiert, ihr zur Seite stand Sarmiza Andronic von der Fakultät für Governance und Kommunikationswissenschaften der UVT.
Eine alarmierende Statistik präsentierte Maria Slatină vom Temescher Zentrum für Schulberatung: Die Zahl der Schüler, die von Mobbing betroffen sind, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Während im Jahr 2016 bereits 72 Prozent der Kinder angaben, Erfahrungen mit Mobbing gemacht zu haben, lag dieser Anteil 2020 bei 80 Prozent. Neben einer zunehmenden Sensibilisierung für das Thema führen Experten diese Entwicklung auch auf gesellschaftliche Gewaltmuster zurück, die von Kindern übernommen werden.
Vielfältige Bedrohungen
Die Debatte machte deutlich, dass Schulgewalt verschiedene Erscheinungsformen hat – von physischer Aggression über Cyber-Bullying bis hin zu subtilen psychischen Attacken.
Cristina Adam von der Organisation „Salvați Copiii“ verwies auf die Bedeutung von Aufklärung und präventiven Maßnahmen. Kinder sollten lernen, Probleme gewaltfrei zu lösen und einander aktiv zu unterstützen. „Es reicht nicht, dass nur Lehrer und Psychologen eingreifen – auch Mitschüler können erste Hilfe leisten, indem sie zuhören und Betroffene mit geeigneten Ansprechpersonen verbinden“, hob sie hervor.
Die Juristin Cristina Nicorici unterstrich, dass Mobbing auch juristische Konsequenzen haben kann: „Schon ein einfacher Schlag kann strafrechtlich relevant sein, und Opfer können Entschädigungen einklagen.“
Besondere Aufmerksamkeit galt auch der digitalen Gewalt. Informatikexperte Cristian Cira betonte, dass viele Erwachsene die Mechanismen des Cybermobbings nicht verständen, wodurch es für betroffene Jugendliche schwierig sei, Hilfe zu bekommen. „Es besteht ein dringender Bedarf an digitaler Bildung, um Kinder und Jugendliche über Schutzmaßnahmen aufzuklären“, sagte er.
Psychologin Iuliana Costea warnte vor den langfristigen Folgen von Mobbing, die sich in sozialem Rückzug, Selbstverletzung oder persönlichen Krisen manifestieren können.
Handlungsbedarf auf vielen Ebenen
Die Diskussion zeigte, dass Lösungen nur durch ein gemeinsames Vorgehen von Schule, Familie und Gesellschaft gefunden werden können. Die Schlussfolgerungen der Debatte waren recht vielfältig, sie gaben jedoch wertvolle Ansätze, um Gewalt an Schulen vorzubeugen. Individuelle Beratung sei entscheidend, um sowohl den Opfern als auch den Tätern spezifische Maßnahmen anzubieten, die nachhaltige Veränderungen bewirken können. Präventive Klassentrainings spielen eine wesentliche Rolle, indem sie durch Workshops Empathie und respektvolles Miteinander fördern. Ebenso sei eine verstärkte Elternarbeit notwendig, um Programme zur Sensibilisierung und Unterstützung von Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu etablieren. Darüber hinaus müssten strengere rechtliche Konsequenzen diskutiert werden, um mehr Bewusstsein für strafrechtliche Folgen zu schaffen und Gewaltakte konsequent zu ahnden. Schließlich sei auch eine verstärkte digitale Aufklärung unerlässlich, um Kindern und Jugendlichen Schutzstrategien gegen Cybermobbing zu vermitteln, hieß es in einer Pressemeldung der West-Uni im Anschluss an die Veranstaltung
Die Organisatoren der Debatte betonten abschließend, dass die Ergebnisse der Diskussion an das rumänische Bildungsministerium sowie andere relevante Institutionen weitergeleitet werden sollen, um die Entwicklung konkreter Maßnahmen voranzutreiben.
Sicher ist: Das Thema „Schulgewalt“ darf nicht nur diskutiert, sondern muss aktiv bekämpft werden – durch Aufklärung, Prävention und gemeinschaftliche Verantwortung.