Neue Entwicklungen am Brukenthalmuseum

Zusammenarbeit zwischen deutscher Minderheit und Kulturministerium auf neuer Grundlage

Samuel von Brukenthal (1721-1803) legte die Grundlagen für ein herausragendes Museum mitteleuropäisch-deutscher Prägung. Heute beherbergt es einen der bedeutendsten Kulturgutbestände der Siebenbürger Sachsen. Bildquelle: Evangelische Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt, Foto: Stefan Jammer

Mit dem Regierungsbeschluss Nr. 657/13.06.2024 wurde eine neue rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt und dem rumänischen Kulturministerium hinsichtlich der gemeinsamen Verwaltung des Brukenthalmuseums geschaffen. Der Beschluss sieht u. a. vor, dass die Hälfte der Mitglieder der Ausschüsse, die mit der Bewertung und Wahl des Museumsmanagers beauftragt werden, von der Evangelischen Kirche A. B. Hermannstadt gestellt werden. Auch die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrats und des Wissenschaftlichen Beirats werden auf Vorschlag der Kirchengemeinde hin durch das Kulturministerium ernannt.

Der Regierungserlass schafft zwar keine vollständig neue Situation, aber eine verbesserte Rechtsgrundlage für die bestehende Praxis. Das barocke Brukenthalpalais am Großen Ring und die umfassenden historischen Sammlungen – von Gemälden und Schatzkunst aus evangelischen Kirchen über Bücher, Manuskripte, Grafiken, Archäologika, Zunftaltertümer und Volkskunst bis hin zur Kleinkunst von Münzen und Medaillen – waren 1948 durch das kommunistische Regime Rumäniens verstaatlicht und nach der politischen Wende, am 21. Dezember 2005, an die Evangelische Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt rückerstattet worden. Am 28. Dezember 2005 trafen das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, vertreten durch Bischof DDr. Christoph Klein, und das rumänische Kulturministerium, vertreten durch Kulturminister Dr. Adrian Iorgulescu, die schriftliche Vereinbarung, dass die Sammlungen auch nach der Restitution in den Räumlichkeiten, in denen sie auch bis dahin bewahrt worden waren, verbleiben und durch die staatliche Museumsinstitution erhalten, gepflegt und präsentiert werden sollten. Die genaue Anzahl der zu restituierenden Kulturgüter war durch gemischte Expertenkommissionen zu eruieren. Ein Regierungsbeschluss sollte den langfristig angelegten Bestimmungen der Vereinbarung nach Abschluss dieser Inventarisation Rechtskraft verleihen. Die Kirchengemeinde sollte der staatlichen Museumsinstitution das Palais und die restituierten Sammlungen kostenfrei zur Verfügung stellen.

Angesichts der außerordentlichen Dauerleihgabe von vielen tausend Kulturgütern von Weltruf bestand die kirchliche Seite darauf, an der Verwaltung des Museums beteiligt zu werden. Um der herausragenden Bedeutung des Brukenthalmuseums für die gesamte deutsche Minderheit Siebenbürgens Rechnung zu tragen, berief die Kirchengemeinde nicht nur eigene Repräsentanten, sondern auch solche des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien und des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien sowie erfahrene Fachleute in den Verwaltungsrat. Namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland erklärten sich dankenswerterweise bereit, im Auftrag der deutschen Minderheit im wissenschaftlichen Beirat ehrenamtlich mitzuarbeiten. Die Bestimmungen der Vereinbarung vom 28. Dezember 2005 wurden in Zusammenarbeit mit der Museumsleitung und staatlichen Stellen seit 2006 zwar nicht zur vollen Zufriedenheit der kirchlichen Seite umgesetzt, aber doch so weit, dass die Voraussetzungen für den Regierungsbeschluss bereits vor einigen Jahren erfüllt gewesen wären.

Die kürzlich erfolgte Verabschiedung des Regierungsbeschlusses Nr. 657/13.06.2024 ist die Frucht einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat, die von der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt seit 2020 ihre wesentlichen Impulse empfing, sich aber auch eines konstruktiven, ja visionären politischen Momentums verdankt, wie man sich es für Rumänien häufiger wünscht. Auf Beschluss des Hermannstädter Presbyteriums und dann auch des Landeskonsistoriums wurde das Samuel-von-Brukenthal-Kuratorium gegründet; es nahm am 11. November 2021 seine Arbeit auf. Das leistungsfähige Gremium setzt sich aus haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern zusammen und wird von einem interdisziplär besetzten Netzwerk von Fachberatern flankiert, die ihrerseits haupt- oder ehrenamtlich tätig sind. Auf Antrag der Kirche rief das Kulturministerium unter Ministerin Raluca Turcan die Arbeitsgruppe 3286/Aug. 2023 ins Leben, innerhalb derer Repräsentanten beider Seiten nicht nur die verbliebenen Fragen der Restitution klären, sondern sich regelmäßig wiederkehrenden Angelegenheiten der Mitverwaltung wie dem Verfahren zur Ernennung des Museumsleiters widmen. Eine der Vorarbeiten, die sich im Hinblick auf den Regierungsbeschluss als unumgänglich herausstellten, bestand in der Quotenteilung des bebauten und unbebauten Grundstücks, auf dem das barocke Brukenthalpalais und der erst 1996-2000 errichtete Bibliotheksflügel stehen – für die kirchliche Seite eine äußerst bittere Zwangslage, da die Bewahrung des Brukenthal‘schen Erbes als geschlossener Bestand eingedenk der testamentarischen Verfügungen Samuel von Brukenthals ein wesentliches Anliegen darstellt. Die Eintragung der Kirchengemeinde als Inhaberin im Grundbuch konnte nur vollzogen werden, nachdem sie auf das Teilgrundstück des Bibliotheksflügels zugunsten des rumänischen Staates ersatzlos verzichtete – etwa zehn Prozent der Gesamtfläche. Die Deutsch-Rumänische Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien hat diese Entwicklungen im Rahmen ihrer am 1.bis 2. Juli 2024 in Berlin abgehaltetenen 27. Sitzung zur Kenntnis genommen.

Im Interesse der deutschen Minderheit in Rumänien, die in dem Brukenthalmuseum eines ihrer wichtigsten identititätsrelevanten Denkmalensembles erkennt, vertritt die kirchliche Seite eine Reihe von Forderungen, die zum Teil kurz-, zum anderen Teil mittelfristig eingelöst werden müssen. Ein festes Anliegen ist und bleibt der Abschluss des Rückerstattungsverfahrens nicht nur für einen Teil, sondern für alle missbräuchlich enteigneten Sammlungsobjekte, einschließlich deren Entfernung aus dem Besitzinventar des Staates und der anschließenden Übernahme in das der Kirchengemeinde. Eine inzwi-schen veränderte Gesetzeslage eröffnet jetzt vielleicht Möglichkeiten zur Beschleunigung des sich bislang endlos hinziehenden Verfahrens. Ebenso bleibt es ein wesentliches Anliegen, Kulturgüter, die in kommunistischer Zeit den vor 1948 eingegangenen Museumsbeständen entnommen und in andere staatliche Museen überführt worden waren, als restitutionsfähige Bestände unter Vermeidung neuerlicher Gerichtsverfahren anerkennen zu lassen. Mittelfristig wird das Barockpalais einer umfassenden Restaurierung bedürfen – ein aufwendiges Projekt, dem die minutiöse Ausarbeitung eines Museumskonzeptes vorausgehen muss und das als Gemeinschaftsprojekt von Staat und Kirche zu konzipieren sein wird. Ein grundlegendes Anliegen der deutschen Minderheit wird dabei weiterhin darin bestehen, dass das Museum weltoffen geführt wird, dass es aber schwerpunktmäßig die vergangenen und gegenwärtigen Kulturen und Lebenswelten Siebenbürgens sowohl in einen Dialog untereinander, als auch in den Dialog mit der Geschichte der abendländischen Kulturen treten lässt, und dass die Kunstsammlungen Samuel von Brukenthals im Rahmen eines verbesserten Ausstellungskonzeptes und in der Öffentlichkeitsarbeit des Museums explizit als integraler Bestandteil des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen wahrnehmbar gemacht werden. Eine immer drängendere Herausforderung wird auch die Ausbildung und Bindung eines fachlichen Nachwuchses darstellen, der die Voraussetzungen für die Arbeit mit westeuropäisch, vor allem deutsch geprägten Objektbeständen erfüllt.