Eventreihe ADZ/Goethe-Institut: „Literatur für eine bessere Welt“

Fake News: Der ungleiche Kampf im Netz um Macht, Geld und Aufmerksamkeit

Nichts geht mehr ohne das Internet, nichts ohne Social Media. Darin ist jeder, der es möchte, sein eigener „Journalist“, sendet per Mausklick um den halben Erdball - wie schnell, wie viel, wie verbreitet hängt nur von der individuellen Geschicklichkeit ab. Um Aufmerksamkeit heischen und buhlen neben all den anderen Abertausenden, die dasselbe tun, darin besteht die hohe Kunst! Und damit kann man gewaltig Geld verdienen: Je höher der Verkehr auf der eigenen Seite, umso mehr.   Content-Farmen oder -Mühlen kreieren zu diesem Zweck permanent neue Inhalte, inzwischen auch oft mittels künstlicher Intelligenz, d.h. ohne jegliche menschliche Kontrolle, nur mit dem Ziel, möglichst häufig angeklickt und verbreitet zu werden. Auf den Inhalt selbst kommt es gar nicht an... doch  verlockend muss er sein für das „Opfer“.  

Noch schlimmer aber sind jene, die dieselben Mechanismen des Internets ganz gezielt nutzen, um mit Falschnachrichten zu manipulieren. Die darauf abzielen, die Gesellschaft zu spalten, die Demokratie zu unterhöhlen, die Diskussion durch polarisierende Themen im Keim zu ersticken oder durch Manipulation des Wählerverhaltens ihre Machtposition zu stärken.  Ob Verschwörungstheorien über die „obskure Macht des Weltjudentums“,  den Ursprung des Coronavirus oder populistisches Diskreditieren der „Lügenpresse“ durch extremistische Politiker, Fake News sind allgegenwärtig, beliebt und erfolgreich - auch wenn die Mechanismen leicht durchschaubar sind: Angst in Krisenzeiten schüren, das Wutbürgertum aufstacheln, die Gesellschaft unter Ausnutzung polarisierender Emotionen entzweien und völlig abstruse Narrative so oft wiederholen, bis sie unbewusst in die Gehirne einsickern. Nach dem Motto, wenn so viele das sagen, muss ja ein Körnchen Wahrheit dran sein... 
Fake News sind DIE Gefahr unserer Zeit!

Und trotz aller Bemühungen zu ihrer Demontage - Richtigstellungen, Faktencheck:  manche Medien leisten sich dafür ganze Teams; und an Aufklärungsplattformen offizieller Institutionen und NGOs mangelt es inzwischen auch nicht mehr – verbreiten sich Fake News naturgemäß einfach schneller als ihre Korrektur. Doch was einmal in den Köpfen drin ist, bekommt man schwer wieder raus. 

Ein Dilemma, ein ewiges Hinterherhasten, ein Aufwand und ein Frust, der zunehmend zu Medienmüdigkeit führt. Wozu noch etwas lesen, wenn man nichts mehr glauben kann? Doch wo man sich nicht mehr informiert, nicht mehr mitdiskutieren kann, stirbt auch die freie Meinung – und mit ihr die Demokratie! Können wir uns das leisten?
Oder müssen wir aufbegehren, uns wehren, Lösungen suchen? 

Zunächst einmal stehen wir vor einem riesigen Berg an Gefahren, den es zu kennen gilt. Die untenstehende Leseliste  (alle Bücher können in der Bibliothek des Goethe-Instituts ausgeliehen werden) hilft, sich einen Überblick zu verschaffen - denn Wissen ist schon mal die halbe Miete! In jedem Krieg geht es schließlich darum, die Taktik des Feindes zu durchschauen. Und die andere Hälfte? Die mögliche Gegenstrategie? Die wollen wir uns diskutierend erschließen, am Montag, den 17. Juni, um 18 Uhr, im Pavillion des Bukarester Goethe-Instituts, wo auch die kürzlich eröffnete interaktive Ausstellung „Fakeless“ noch zu sehen sein wird. 
Es wird spannend, so viel sei versprochen!


Kinder- und Jugendbücher:

Nele Konopka (Bildsprache, Handlettering und Layout), Kristina Laube (Konzept, Redaktion, Schulbesuche und Wissenstexte), Caroline Schmidt (Projektorganisation, Administration und Schulbesuche), Julia Schneider (Idee, Konzept und Comictexte): „Schokoroboter und Deepfakes. Ein Comic-Essay über künstliche Intelligenz aus der Perspektive von Jugendlichen“
Künstliche Intelligenz kommt, ja sie ist bereits da. In vielen Lebensbereichen ist sie bereits angekommen, von Social Media zu Textverarbeitsungsprogrammen zur Bildbearbeitung – KI-gestützte Tools sind nicht mehr wegzudenken. Aber welche Erwartungen haben wir überhaupt an KI? In welchen Bereichen wollen wir sie ausbauen? Wie können wir mit ihr umgehen, damit sie keinen Schaden anrichtet? Diese und weitere Fragen haben Julia Schneider, Kristina Laube und Nele Konopka an Jugendliche gestellt, um herauszufinden, wovor sie beim Thema KI Angst haben, um ein Stimmungsbild abzuzeichnen. Bias, Krieg, Spionage, Abhängigkeit, und viele weitere Punkte kamen dabei heraus. Mit viel Liebe zum Detail illustriert Nele Konopka diese Gedanken und Ideen der Jugendlichen. „Schokoroboter und Deep-fakes“ fungiert als Bestandsaufnahme aktueller Ressentiments bezüglich Künstlicher Intelligenz, in denen wir uns alle wiedererkennen können. Dies macht den Comic-Essay zu einer nahbaren Erfahrung, der auch mit einer positiven Note endet: KI kann auch soziale Begleiterin, Helferin, oder sogar Problemlöserin werden, wenn wir uns dafür einsetzen und weiterhin kritisch denken!

Karoline Kuhla: „Fake News“
Die Autorin und Journalistin Karoline Kuhla, Absolventin der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg, zeigt, dass hinter Fake News oft radikale und politische Bewegungen stecken – und wie man Falschmeldungen in Nachrichten, Politik und Social Media erkennt. Nehmen wir den Begriff der „Lügenpresse“: Dahinter steckt ein einfaches Prinzip: man muss eine Behauptung, und sei sie noch so unwahr, nur oft genug wiederholen, bis andere denken, da sei ja vielleicht doch etwas dran. In der Echokammer der sozialen Medien spielt auch die Selbstbestätigung eine große Rolle. Eine wesentliche Frage, die sich heute für den Bereich der Kommunikation stellt: Was können wir in der heutigen Welt noch glauben? Wenn die Unsicherheit über die richtigen Informationsquellen zunimmt, ist es umso wichtiger, den Kontext zu verstehen. Was also ist guter Journalismus? Journalismus muss vertrauenswürdig sein – man muss gut recherchieren und detailliert die Geschichten darstellen.

Doan Bui: „Glauben Sie an die Wahrheit?“ 
Das Comic-Sachbuch richtet sich an Kinder ab 12 Jahre und klärt über Verschwörungstheorien, Desinformation und Fake News auf. Es beginnt mit der Definition der grundlegenden Begriffe in einer „Alice im Wunderland-Welt“: Von Klick zu Klick verirrt man sich im Netz, wie Alice im Wunderland und das Problem an diesen Fake News ist, dass das Fact-Checking schmerzhaft sein kann, nach dem Motto: Den Weihnachtsmann gibt es nicht, deine Eltern kaufen die ganzen Geschenke! 


Romane für Erwachsene:

Lauren Oyler: „Fake Accounts”
„Fake Accounts“ ist ein Roman von Lauren Oyler, der 2021 veröffentlicht wurde. Die Geschichte folgt einer namenlosen Protagonistin, die in Brooklyn lebt und als freie Schriftstellerin arbeitet. Eines Abends entdeckt sie, dass ihr Freund Felix heimlich ein populärer Verschwörungstheoretiker auf Instagram ist. Diese Entdeckung bringt sie dazu, über die Authentizität und die Selbstdarstellung in den sozialen Medien nachzudenken. Nach Felix’ plötzlichem Tod reist die Protagonistin nach Berlin, wo sie sich in der Welt der sozialen Medien verliert und beginnt, ihre eigenen Fake Accounts zu erstellen. Der Roman erkundet Themen wie die fragmentierte Identität im digitalen Zeitalter, die Suche nach Bedeutung in einer Welt voller Täuschung und die Herausforderungen der modernen Kommunikation. Lauren Oyler verwendet eine scharfe, oft zynische Erzählweise, die die Ironie und die Oberflächlichkeit der digitalen Kultur beleuchtet. „Fake Accounts“ ist sowohl eine gesellschaftskritische Betrachtung der heutigen Internetkultur als auch eine persönliche Reise zur Selbstentdeckung und Auseinandersetzung mit der Realität.

Doron Rabinovici: „Die Einstellung“
August Becker ist der Star unter den Pressefotografen, seine Porträts sind unverwechselbar. Im aktuellen Wahlkampf um die Kanzlerschaft erhält er von einer liberalen Wochenzeitschrift den Auftrag, den Spitzenkandidaten einer populistischen Partei zu fotografieren. Ulli Popp hetzt gegen Migranten, gegen Frauen, gegen unabhängige Medien. August Becker soll den Mann hinter der Fassade von Fürsorglichkeit entlarven, seine Brutalität, seinen Zynismus, er soll den unaufhaltsam scheinenden Siegeszug seiner Partei stoppen. August verachtet Popp, er nimmt den Auftrag an, und tatsächlich gelingt ihm ein Schnappschuss, von dem er überzeugt ist, dass er den Ausgang der Wahl entscheidend beeinflussen wird – bis sich von einem Tag auf den anderen alle Gewissheiten ins Gegenteil verkehren. Mit Witz, Ironie und Fabulierlust erzählt Doron Rabinovici in seinem neuen Roman von einer immer stärker polarisierten Gegenwart, einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft. Es geht um die Relativierung von Fakten, die Anziehungskraft des Autoritären, die Macht der Bilder. Es geht um den Kampf eines Populisten gegen einen Fotografen, der genau weiß, dass jede Aufnahme Zeugnis einer Einstellung ist.


Sachbücher und Essays:

Sylvia Sasse: „Verkehrungen ins Gegenteil. Über Subversion als Machttechnik“
Wir leben in einer verkehrten Welt: Angriffskriege werden als „Entnazifizierung“ legitimiert, Verfassungsnormen werden vor den Augen aller umgangen, indem politisches Theater gespielt und Gegenteiliges behauptet wird. Sylvia Sasse geht dieser Omnipräsenz der „Verkehrungen“ in der Vergangenheit und in der Gegenwart, in totalitären Regimen und in unseren Demokratien auf den Grund. Mit einem Blick in die Geschichte – von Ivan dem Schrecklichen (16 Jh.) bis zum Kalten Krieg – zeichnet sie mit viel Feingefühl nach, wie diese Machttechnik der Karnevalisierung und der Subversion schon immer Teil des Versuches der Machtkonsolidierung in autokratischen und totalitären Regimen war. Aber auch unsere Demokratien sind vor solchen Strategien nicht sicher, man erinnere sich nur an Donald Trumps konsequentes Bemühen, Fakten als Fake News darzustellen – die Verkehrung ins Gegenteil ist integraler Bestandteil von Desinformation und stellt dadurch einen „direkten Angriff auf Differenz und Demokratie“ dar. Durch seine präzisen Beispiele und theoretischen Kontextualisierungen lädt die philosophische Abhandlung von Sylvia Sasse dazu ein, das Verhältnis von Wahrheit und politischer Macht zu hinterfragen und gibt dem Leser somit einen möglichen Schlüssel zur Erkennung subversiver Desinformationstechniken in die Hand. Einen Schlüssel, den wir in der heutigen Zeit wohl alle mehr denn je gebrauchen können.

Dina Nayeri: „Wem geglaubt wird. Warum die Wahrheit nicht genug ist“ 
Wahrheit ist gleich Wahrheit, oder? Eigentlich sollte Wahrheit etwas Universelles, Eindeutiges sein. Aber ob einem geglaubt wird, ob eine Geschichte als „wahr“ angesehen wird, hängt oft auch mit vielen äußerlichen Faktoren zusammen. Warum einem Arzt eher geglaubt wird als einem Flüchtling, einem Finanzchef eher als einer Putzfrau, und welche Rolle dabei soziale und gesellschaftliche Codes spielen, darum geht es in dem Buch von Dina Nayeri. Das Buch ist dabei Reportage, Memoire und philosophische Betrachtung zugleich, und gibt uns die Möglichkeit, zwischen persönlichen Anekdoten und recherchierten Fakten zu navigieren. Dabei stellt sich auch die Frage, welche Rolle wir selbst als einfaches Individuum in diesem gesamtgesellschaftlichen Machtgefüge spielen.  

Etrit Asllani: „What the Fake! Wie du die Wahrheit von Falschmeldungen unterscheidest“
Scrollen, scrollen, scrollen – es könnte für immer so weitergehen. Auf unseren Timelines landen täglich unzählige Informationen, aber nicht alle davon sind immer wahr. Manch-mal wusste es die Person, die die Info geteilt hat, vielleicht einfach nicht besser, manchmal wurde aber auch gezielt Desinformation gestreut. Fakt ist, Fake News sind heute überall und wir sind ständig damit konfrontiert, ganz besonders im digitalen Kosmos. Umso wichtiger ist es also, die Kommunikationsstrategien hinter der Verbreitung von Falschinformationen zu verstehen, und die nötigen Anhaltspunkte zu deren Enttarnung zu kennen. Etrit Asllani, für seine TikToks zum Thema Fake News sehr bekannt, präsentiert in diesem Buch einige solcher konkreten Strategien zum Aufdecken von Fake News. Auf humorvolle und knackige Art und Weise zeichnet er außerdem die Geschichte der Fake News anhand jahrhundertealter Verschwörungstheorien nach und gibt Tipps zur Erkennung von Desinformation. Ein präzise recherchiertes Handbuch mit zahlreichen Beispielen, also nehmen wir es in die Hand und schützen uns vor Desinformation!

Jonathan Rauch: „Die Verteidigung der Wahrheit“ 
„Die Verteidigung der Wahrheit“ von Jonathan Rauch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Bedeutung und den Schutz von Wahrheit und Fakten in unserer Gesellschaft. Rauch argumentiert, dass die Verbreitung von Desinformation und Lügen eine Bedrohung für demokratische Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellt. Er betont, dass eine robuste öffentliche Sphäre, in der Fakten und Wissenschaft respektiert werden, unerlässlich ist, um gegen diese Bedrohungen zu kämpfen. Rauch ruft dazu auf, die Mechanismen zur Überprüfung von Fakten zu stärken und die Verantwortung der Medien und der Öffentlichkeit zu betonen, um die Wahrheit zu verteidigen und die Basis einer funktionierenden Demokratie zu erhalten.

Bastian Schlange: „Das einzig wahre Fakten-Checkbuch“
„Das einzig wahre Fakten-Checkbuch“ ist ein praktischer Leitfaden, der die Leser befähigt, Fake News und Desinformation im digitalen Zeitalter zu erkennen und zu bekämpfen. Schlange bietet eine Vielzahl von Tipps und Methoden an, um die Glaubwürdigkeit von Informationen zu überprüfen, sei es durch Überprüfung von Quellen, Analyse von Bildern oder die Nutzung spezieller Tools und Techniken. Das Buch betont die Bedeutung kritischen Denkens und einer gesunden Skepsis gegenüber Informationen, die online und in den Medien verbreitet werden. Es richtet sich an ein breites Publikum und soll sowohl Laien als auch Fachleuten helfen, Fakten von Fiktion zu unterscheiden und eine informierte Öffentlichkeit zu fördern.

Konrad Paul Liessmann: „Lauter Lügen“
Konrad Paul Liessmann liefert einen pointierten und provokanten Beitrag zu den Lügen unserer Zeit: Halbwahrheiten, Meinungsblasen, Propaganda, Euphemismen, Fake News, Verschwörungstheorien. Schrill, unüberseh- und unüberhörbar dominieren sie die Medien und die Diskurse. Um in diesem Gewirr die Wahrheit zu erhaschen, bedarf es eines scharfen Blicks. Der Autor seziert diese Gegenwart mit sanfter Ironie und großem Ernst. Pointiert entwirft er ein facettenreiches Panorama unserer Gesellschaft und ein Mosaik ihrer Irrtümer und Selbsttäuschungen.

Carina Breidenbach, Ines Ghalleb, Dominik Pensel, Katharina Simon, Florian Telsnig, Martin Wittmann: „Fakten und Verunsicherung: Ordnungen von Wahrheit, Fiktion und Wirklichkeit“
Die globalen Krisen der jüngsten Zeit - Klimawandel, die Covid-19-Pandemie und oder der russische Angriffskrieg - werden von einem diffusen Gefühl der Verunsicherung begleitet, das auf den prekären Status von Wahrheit, Wirklichkeit und Faktizität verweist. In Diskursen der Gegenwart stehen diese wie selten zuvor zur Debatte. Ausgehend von diesem Befund zielt das Buch darauf ab, zwischen Fakten und klar davon abzugrenzenden Fiktionen oder Lügen zu einer Neuordnung beizutragen.Die gesammelten Essays widmen sich gesellschaftlichen Phänomenen wie Hassrede, politischer Lüge, Propaganda, Halbwahrheiten oder Verschwörungstheorien und analysieren aktuelle politische Fallbeispiele sowie kulturelle Reflexionen in Fernsehserien, Filmen und Literatur.