Mit Ehrgeiz und Beharrlichkeit direkt in den Bundestag

Wie Alin-Costin Croitoru ein Stipendium im deutschen Parlament gewonnen hat

Alin (links) mit seinem Abgeordneten Christoph de Vries (Mitte) und Team Foto: privat

Eine Lebensgeschichte wie wenige andere: Alin-Costin Croitoru entscheidet sich in der 9. Klasse für den neuen Wirtschafts-Lehrgang seiner Bukarester Schule mit Deutsch intensiv, beharrt trotz bescheidener Familienverhältnisse auf der Erweiterung seiner Deutschkenntnisse, schafft es, sogar politische Studien auf Deutsch in Klausenburg/Cluj-Napoca zu absolvieren und krönt derzeit seine Bamühungen mit einem Stipendium im deutschen Bundestag in Berlin, als Praktikant des Abgeordneten Christoph de Vries. 

„Deutsch schien mir eine vornehme Sprache“, unterstreicht Alin jedes Mal, wenn es um seine Vorliebe für diese Sprache geht. Er hat sie sich aus Leidenschaft, aus Liebe, gleichzeitig aber auch mit viel Mühe und Beharrlichkeit angeeignet, denn er kommt eigentlich aus einer klassischen, „ganz normalen rumänischen Familie“, wie er sich selbst vorstellt: sein Vater hat als Fahrer gearbeitet, seine Mutter im Cantacuzino-In-stitut als Impfstoffserum-Vorbereiterin. Den einzigen Kontakt der Familie mit der deutschen Sprache gab es in den 70er und 80er Jahren, als Alins Mutter, Tante und Großmutter in einem Haus im Viertel Uranus lebten, das von einer deutschen Bukarester Familie gebaut wurde, die der evangelischen Gemeinde dort gut bekannt war. Oskar Kubesch, das letzte Mitglied dieser Familie, lebte in seinem letzten Lebensabschnitt bei den Croitorus. Bis zu seinem Tod im Jahr 1978 hatte der alte Oskar vergeblich versucht, ihnen etwas Deutsch beizubringen. Das Grab der Familie Kubesch befindet sich noch heute in der Hauptgasse des evangelischen Friedhofs in Bukarest. Wie wir wissen, ordnete der kommunistische Diktator in den 80er Jahren den Abriss des gesamten Uranus-Viertels an, um das „Haus des Volkes“ zu errichten, was für Alins Familie zu dem tragischen Ereignis führte, dass sie das Haus verlassen musste, in dem sie so viele Jahre lebte, und an den Stadtrand ziehen musste.

Knapp 30 Jahre später führt Alins Schule, damals die Höhere Wirtschaftsschule Nicolae Kretzulescu, (derzeit Nationalkolleg), in der Oberschule eine Klasse mit Deutsch intensiv ein und ändert Alins Leben entscheidend. Nicht nur, dass er Deutsch von Null an lernen musste, hinzu kamen auch noch alle wirtschaftlichen Fachbegriffe. Trotzdem erklärt er schmunzelnd: „Es war so wie Liebe auf den ersten Blick“. Und denkt an all die Stunden, an denen seine Kollegen altersspezifischen Beschäftigungen nachgingen, während er über Internetfilme, Bücher und Nachhilfestunden Deutsch lernte. 

Der Traum von Politikwissenschaften

Auf der Uni wollte er unbedingt auch die deutsche Sprache nutzen, jedoch musste er sowohl die Fremdsprachenfakultät aufgeben, als auch, im darauffolgenden Jahr, die Wirtschaftsakademie FABIZ in deutscher Sprache. Seine Leidenschaft von klein auf - Geographie, Politik, internationale Beziehungen – konnte er erst zwei Jahre nach seinem Bakkalaureat verwirklichen. Bis dahin durfte er in unterschiedlichen deutschsprachigen Unternehmen arbeiten und genügend Geld sparen, um sich den Lebensunterhalt in Klausenburg leisten zu können, um das einzige deutschsprachige Programm Rumäniens zu internationalen Beziehungen besuchen zu können: die Fakultät für Europäische Studien der Universität Babeș Bolyai. Er setzt dort seinen Kontakt mit der deutschen Sprache am Arbeitsplatz und auch durch sein ehrenamtliches Engagement im Gutenberg-Verein, der NGO für deutschsprachige Studenten in Rumänien, fort.

Den Kontakt zur deutschen Sprache pflegt er aber auch durch die Teilnahme an einem Projekt des Goethe-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) „Deutsche Spuren in Bukarest“. Ebenfalls hat er seine Freiwilligentätigkeit auf Deutsch mit der Gutenberg-Stiftung weiter geführt.

Letztendlich lässt er Familie und Freunde in Bukarest zurück und folgt seinem Traum: auf nach Klausenburg! Einziger Wermutsropfen: Seine Freundin verließ ihn, kurz nachdem er die Nachricht überbracht hatte. „Es war einer der schwersten Momente damals“, erinnert sich Alin melancholisch, „ich hatte viele Zweifel an meiner Entscheidung.“ Seine Eltern halfen ihm, wieder auf die Beine zu kommen, und so begann er das Studium der Internationalen Beziehungen auf Deutsch.

Dabei kam die Pandemie sozusagen wie gerufen, denn sein spärliches, aber schwer angeschafftes Budget reichte in etwa für ein Jahr. Die Umstellung auf das Online-Studium erlaubte ihm, zurück nach Bukarest zu kommen und sich weiterhin auf das Wichtigste zu konzentrieren: sein Studium.

Einmalige Abschlussprüfung

Wie vorgeahnt wollte Alin keine banale Abschlussarbeit schreiben: auf Empfehlung seiner Betreuerin konzentrierte er sich auf die Geschichte der deutschen Gemeinde in Bukarest und konnte somit sowohl die deutsche Gemeinde ansprechen als auch deren politische und soziale Rolle im Bukares-ter Großraum im Laufe der Zeit erforschen. Seine Recherche führte ihn nicht nur durch Bibliotheken, sondern auch zur evangelischen Kirche, zum evangelischen Friedhof in Bukarest, zum Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien und sogar zur ADZ. Teile seiner Bachelorarbeit wurden bereits in der ADZ, am 23. Juli 2023 und am 16. Februar 2024, veröffentlicht. Gleichzeitig hat ihm aber die Abschlussarbeit im Jahr 2022 auch erlaubt, die Familie wieder mit ihrem deutschen ehemaligen Mitbewohner in Verbindung zu bringen: während seiner Recherche konnte er das Grab von Familie Kubesch und Oskar Kubesch finden und es seiner Mutter zeigen, was natürlich zahlreiche Erinnerungen geweckt hat.

Ausgewählt für den Bundestag

Eigentlich hätte Alin sich niemals vorstellen können, mit der Deutschen Sprache in der rumänischen Politik Karriere machen zu können. Der Wunsch war da, doch hatte er wenige Beziehungen. Sein Studium schien eher eine Leidenschaft zu sein, die Zukunft nach dem Abschluss nebulös.

Aber genau diese Leidenschaft öffnete ihm weitere Türen und stellte ihm neue Möglichkeiten vor: über Mitglieder der deutschen Gemeinde in Bukarest und seine Lehrer aus Klausenburg erfuhr Alin vom Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) des Deutschen Bundestages und wurde ermutigt, sich zu bewerben, obwohl er es sich als Nicht-Deutscher und auch nicht aus den traditionellen deutschen Gebieten Rumäniens abstammend überhaupt nicht zutraute. „Ich dachte, jemand spielt mir einen Streich“, erinnert sich Alin schmunzelnd an den Anruf der Botschaft frühmorgens mit der Einladung zu einem Telefongespräch auf Deutsch. Andererseits war er sich natürlich bewusst, dass er eigentlich alle Auswahlkriterien erfüllte. Von den sieben Anwärtern wurden beim Auswahlgespräch mit dem deutschen Abgeordeneten Hendrik Hoppenstedt in der Bulgarischen Hauptstadt Sofia fünf für das IPS ausgewählt, darunter auch er.

Seit März in Berlin

Und so kam der jetzt 25-jährige Rumäne Alin-Costin Croitoru im März nach Deutschland und bezog seine vom Bundestag zur Verfügung gestellte Einzimmerwohnung. Er wurde dem Abgeordneten Christoph de Vries (CDU/CSU) zugewiesen, eine Entscheidung, die man nicht hätte besser treffen können, wie sich Alin erinnert. „Wenn ich hätte wählen dürfen, wäre de Vries von all den 736 Abgeordneten des Bundestages meine erste Wahl gewesen“. Denn de Vries ist unter anderem zuständig im Bundestag für Vertriebene und Aussiedler und für die deutschen Minderheiten und weiß viel auch über Rumänien. Seither arbeitet er täglich mit de Vries zusammen, erstellt Dokumentationen, nimmt an zahlreichen Treffen des Abgeordneten teil und versucht, so viel wie möglich über die deutsche Arbeitsweise zu lernen, gleichwohl er die Kulturunterschiede auch zu den Stipendiaten aus anderen Ländern unter die Lupe nimmt.

Zukunftspläne

Nach Abschluss seines Stipendiums will Alin unbedingt wieder zurück nach Hause und träumt bereits von einem Job in einer Behörde oder einem Ministerium, mit Verbindungen zum deutschsprachigen Raum. Es sollte sicherlich politische oder geopolitische Aspekte in seiner Tätigkeit geben, damit er sowohl die während des Studiums erworbenen Kentnnisse einbringen kann, als auch diejenigen, die er während seines Aufenthalts im Bundestag erworben hat. „Es gibt so vieles, was man in Rumänien zu den bilateralen Beziehungen beitragen kann, viel, viel mehr als in den bilateralen Abkommen angeführt ist“, meint Alin.

In einem nächsten Beitrag wird Alin seinen Tages-, bzw. Wochenablauf beschreiben, die Vorbereitungen und Vorkehrungen, um im Schatten des deutschen Abgeordneten Christoph de Vries arbeiten zu können, die Treffen mit markanten Persönlichkeiten, denen er bisher beiwohnen konnte sowie seine Freizeitbeschäftigungen in der deutschen Hauptstadt.­


Christoph de Vries über Alin-Costin Croitoru

Alin möchte sich in Zukunft für die Entwicklung Rumäniens, die Stärkung der Position des Landes in der Europäischen Union und der NATO engagieren und vor allem dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland zu stärken. Sein Plan nach IPS besteht darin, nach Rumänien zurückzukehren und in einer öffentlichen Position zu arbeiten, die ihm dabei helfen kann, die bilateralen Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland zu erleichtern und sich so weit wie möglich für die Wahrung und Förderung der deutschen Identität in Rumänien einzusetzen. Ich freue mich über seine engagierte Unterstützung und habe in meiner Funktion als Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten selbst schon Rumänien mit großer Begeisterung bereist – ein Land, das fest an der Seite der EU und der NATO steht und einen vorbildlichen Umgang mit der deutschen und allen anderen Minderheiten pflegt.


Zum Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS)

Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) ist ein jährlich stattfindendes Stipendienprogramm des Deutschen Bundestages für bis zu 120 junge Leute aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa, Ländern des arabischen Raums, Frankreich, Israel, Kanada sowie den USA. Das IPS-Programm dauert insgesamt fünf Monate und setzt sich aus verschiedenen akademischen Veranstaltungen und einer dreimonatigen Tätigkeit bei einem Mitglied des Deutschen Bundestages zusammen.
Ziele des IPS sind, demokratische Werte und Toleranz in einer pluralen Gesellschaft zu vermitteln, Verständnis für kulturelle Vielfalt zu vertiefen und das friedliche Zusammenleben in der Welt zu fördern. Das IPS will darüber hinaus einen Beitrag zur Festigung der bilateralen Beziehungen Deutschlands mit den teilnehmenden Ländern leisten. Das Programm steht unter der Schirmherrschaft der Bundestagspräsidentin.