Randbemekrungen: Hoch-Zeit zur Parallelraumschaffung

Vor Wahlen scheffeln die Soziologen, die sich rechtzeitig Meinungsforschungsfirmen zugelegt haben, Geld. Oder diejenigen unter ihnen, die unter den Dauergästen der käuflichen (oder Politikern dienenden) rumänischen TV-Sender für Klatschpolitik sitzen. Dass man den Resultaten der Meinungsumfragen („Sonntagsfrage“) seit geraumer Zeit kaum mehr trauen kann, weiß inzwischen jeder, doch werden den Verkündern und Verkünderinnen der Resultate die Ergebnisse richtig aus dem Mund gerissen und flugs verbreitet – was auch eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist. Dabei schießen die meisten Umfrageinstitute oft so weit daneben, dass man sich fragen muss, ob sie die Umfrage überhaupt durchgeführt oder einfach nach Bauchgefühl oder Geldsäckel des Bestellers mal drauflosgetippt haben. 

Anders kann man sich wohl nicht erklären, wieso der kometenhafte Aufstieg der Rechtsextremen von AUR – obwohl in der Logik weltweiter Trends liegend – von keinem einzigen rumänischen Umfrageinstitut vorausgesagt wurde. Und es ging keineswegs um eine Fünf-Prozent-Partei… Allerdings: nach den Wahlen kam damals heraus, dass einige wenige Meinungsforscher diesen Aufstieg des rumänischen Rechtsextremismus – weniger kometenhaft – vorausgesehen hatten, dass aber ihre „Kunden“, aus politischem Kalkül oder aus anderen Gründen, die Ergebnisse einfach in Schubladen gesteckt und verheimlicht haben. Was allerdings nichts mit der „leichten Verbesserung“, also „Frisierung“ von Meinungsumfragen zugunsten der sie bezahlenden Kunden zu tun hat, aber in dieselbe Richtung geht. Ersteres wird allseits eh vorausgesetzt, also auch still akzeptiert. Indem man sich still einen Mittelwert herauskalkulierte, konnte man irgendwie wissen, worauf es hinaus läuft.

Inzwischen aber werden Meinungsumfragen öffentlich, die mit gleichen oder vergleichbaren Methoden arbeiten und gänzlich entgegengesetzte Resultate zeigen. Bis zu zehn Prozentpunkte Unterschied kann man nicht mehr als „normal“ ansehen. Es kommt auch vor, dass Meinungsumfragen korrekt die Tendenz angeben, aber beim finalen Ergebnis danebenschießen – siehe die Umfragen 2016 zugunsten der Hillary Clinton – und dem Wahlsieg von Trump, oder die Umfragen bezüglich des Brexit. Es geht schließlich um die dominanten Tendenzen in einer Gesellschaft und darum, was der Einzelne wirklich glaubt. Und nicht zuletzt geht es um die, die tatsächlich bis zur Wahlurne gelangen… Letztere drei Voraussetzungen könnten eventuell auch eine Entschuldigung fürs Danebenschießen bezüglich AUR sein.

Was man bei den Meinungsumfragen dieses Jahres vergeblich sucht, ist die Sorge der Institute um ihren Ruf. Geld steht über dem Ruf, kann man folgern. Aber dass Meinungsforschungsinstitute zu Außenstellen der Strategie- und Kommunikationsdepartements von Parteien im Wahlkampf werden, das ist schon eine Beleidigung der öffentlichen Meinung. Und diese Tatsache wird auch zum Attentat auf die Wählerschaft, der man die Möglichkeit nimmt, sich eine Meinung zu bilden. Zu der sie ein Recht hat und wozu ursprünglich Meinungsforschungsinstitute geschaffen wurden. Aufgrund gefälschter Meinungsumfragen kann man sich keine objektive Meinung bilden. Es sei denn, man stellt alles in Frage. Und meidet die Wahlurne.

So kommen Hundertschaften Unqualifizierter in Entscheidungspositionen. Wird der öffentliche Diskurs verfälscht, so gerät Politik in Misskredit und Politikverdrossenheit führt zum Wahlabsenteismus. Damit wird der Teufelskreis perfekt. Vielleicht wäre ein Überprüfungsmechanismus der Methoden und der Finanzierung der Meinungsforschungsinstitute eine Lösung, aber es gibt unter den Soziologen nicht einmal eine Diskussion zum Thema. Und die Poltiker haben, aus offensichtlichen Gründen, kein Interesse an sowas.
So verharren wir dann im politischen Parallelraum, den uns Soziologen mit Politikergeld vorgaukeln.