Wort zum Sonntag: Christentum liegt  nicht in den Genen

Die Gemeinde, die der Apostel Paulus in Ephesus gegründet hatte, bestand größtenteils aus bekehrten Heiden, die ihre weltliche Vergangenheit noch in Erinnerung hatten. Im zweiten Kapitel seines Briefes spricht er sie darauf an, damit sie ja nicht vergessen, aus welchen Tiefen der Existenz sie durch das Opfer Jesu Christi zu einem Leben im Licht emporgehoben wurden. Tot durch Übertretungen und Sünden, Knechte des Zeitgeistes, Gefangene der Begierden des Fleisches und der Sinne, Kinder des Zorns, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels, Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung, ohne Hoffnung; so beschreibt Paulus das heidnische Leben der Epheser, bevor Gottes Barmherzigkeit sie zur Umkehr brachte.
Durch das Blut Christi sind aus Gott Fernen Gott Nahestehende geworden, die nun mit Israel eins sind, weil in Jesus Christus die Feindschaft, die wie ein Zaun zwischen Heiden und Juden stand, abgebrochen und das Gesetz mit seinen Geboten abgetan wurde. In Christus werden die beiden versöhnt und zu neuen Menschen geschaffen mit gleichem Zugang zum Vater in einem Geist. Nicht mehr Gäste und Fremdlinge sind die gläubigen Heiden, sondern rechte, vollwertige Mitbürger des auserwählten Volkes und Gottes Hausgenossen, sofern sie auf dem Grund der Apostel und Propheten stehen, da Jesus Christus der Eckstein ist. So wird der Leib Christi zusammengefügt wie ein Bau und wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.

Das alles hat nicht nur dokumentarischen Wert, es bleibt aktuell bis zur Wiederkunft Christi, weil das Christentum nicht in unsere Gene eindringt, sondern in jeder neuen Generation eine Sache des Glaubens und der göttlichen Gnade ist. Christsein ist die vollkommenste und die höchste Lebensart, zu der ein menschliches Wesen auf dieser Welt gelangen kann: so hoch und Gott nahe, dass wir ihn Vater nennen können und seinen eingeborenen Sohn Bruder und Freund. Bitten können wir ihn, und er erfüllt unser Verlangen aller Feindesmacht zum Trotz, und selbst wenn er dafür Naturgesetze außer Kraft setzen muss. Das ist das Evangelium Jesu Christi: ein Erheben des Menschen über seinen irdischen Status hinaus zur Liebe Gottes.
Darunter aber bleiben als Urzustände weiterhin präsent und aktiv das Heidentum mit seinem angsterfüllten Götzendienst und die Gesetzlichkeit mit ihrem gnadenlosen Verlangen nach Recht und Ordnung. Ein Schwinden des Glaubens bewirkt das Erkalten der Liebe, gefolgt vom Absinken in einen der beiden Urzustände. Das geschieht oft unbewusst und die Gefallenen nennen sich weiterhin Christen, obwohl sie abergläubisch und regelsüchtig sind. Statt diese Rückfälle im Geiste Christi durch Ermahnungen zu heilen, erleben wir heute die Anpassung der Kirche an unchristliche Normen, etwa durch Übernahme irrationaler Ängste und einer macht- und profitgierigen Bürokratie, die dann Götzendienst und Knechtschaft produzieren.

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Diese Aufforderung des Apostels Paulus an die Galater gilt auch für uns, denn Heidentum und Gesetzlichkeit sind in unserer Zeit bestrebt, das öffentliche Leben wieder zu bestimmen. Dem müssen Christen in dem festen Glauben widerstehen, dass  Gott größer und stärker ist als die Natur und dass die Barmherzigkeit der Gerechtigkeit näher kommt, als Gesetze es je können. Diesen Weg Christi zu gehen und zu verteidigen, bringt dem Gläubigen großen inneren Frieden und Reichtum an Erkenntnis der Wahrheit. Zudem belohnt Gott die Treue damit, dass er Kraft gibt, den Anfechtungen zu widerstehen. Amen.