Seit 24 Jahren setzt sich Ignaz Bernhard Fischer für die einst verschleppten Rumäniendeutschen ein. Fischer ist selber Russlanddeportierter und bekannt für seine kraftvollen Reden zu diesem Thema und sein Durchhaltevermögen. Zusammen mit Freiwilligen hat er sich darum bemüht, dass die Russlanddeportierten sowohl von der rumänischen als auch von der deutschen Regierung entschädigt werden. ADZ-Redakteur Robert Tari sprach mit Fischer über die Gründung des Vereins der Russlanddeportierten sowie über die Herausforderungen als Vereinsleiter.
Wie kam der Verein der Russlanddeportierten zustande?
Erst nach der Wende von 1989 konnten wir uns für die Russlanddeportierten einsetzen, denn vorher durften wir darüber kein Wort öffentlich sagen oder schreiben. Das hätte man damals als Hochverrat angesehen, ein Grund, weshalb sich jahrzehntelang nichts tat. Als aber dann 1990 die Deutschen Foren gegründet wurden, kam auch die Idee auf, einen Verein für die ehemaligen Russlanddeportierten zu gründen. Ich persönlich gehörte nicht von Anfang an zu den Initiatoren in Temeswar, weil ich bei dem ersten Treffen im Festsaal der Nikolaus-Lenau-Schule nicht dabei war, als unter anderem auch die Volkshochschule gegründet wurde. Ich wurde dann telefonisch eingeladen. Ich erhielt einen Anruf an einem Februarnachmittag um drei Uhr im Dom – es war der 23. Februar – und ich bin dann auch gleich mit dem Bischof in die Schule gegangen. Es waren sehr viele Leute zusammengekommen. Neben vielen aus der Stadt waren auch viele vom Land, darum kannte ich auch viele der Anwesenden nicht.
Vermutlich hatten viele angenommen, dass man Pakete austeilen würde, denn schließlich kamen in dem kleinen Saal rund 1500 Leute zusammen. Ich hielt dann eine Rede, gleich nachdem ein anderer Russlanddeportierter eine Ansprache über den Sinn und Zweck gehalten hatte. Meine Rede schien überzeugend zu sein, denn man wollte mich gleich zum Vorsitzenden ernennen. Was ich zuerst ablehnen musste, weil ich dafür einfach keine Zeit sah. Ich arbeitete damals als Sekretär in der Pfarrei aus dem Stadtbezirk Mehala und arbeitete zudem mit der Jugend, hielt Vorträge und schrieb bereits den „Glaubensboten“ für die deutschsprachige Zeitung. Darum musste ich zuerst wissen, was meine Aufgaben als Vorsitzender wären und wie viel Zeit sie wirklich beanspruchen. Walter Jass, Zeitungsredakteur und damals einer der wichtigen Entscheidungsträger, versuchte mich zu überreden, zumindest das Sekretariat zu übernehmen. Und darauf willigte ich auch ein. Wir sind dann Anfang März nach Reschitza gefahren und haben auch dort einen Verein für die ehemaligen Russlanddeportierten gegründet. Gleich darauf habe ich den Vorsitz übernommen. Und zuerst in meiner neuen Funktion sämtliche Adressen von unseren Mitgliedern zusammengetragen.
Wie hat die Nach-Wende-Regierung die Russlanddeportierten unterstützt?
Am 30. März 1990 ist das Gesetz zur Entschädigung der Opfer des Sozialismus verabschiedet worden. Es ging zuerst um die politischen Gefangenen sowie um die, die in den Bărăgan verschleppt wurden. Das Gesetz ließ die Russlanddeportierten aus, weil sie vor dem im Gesetz angegebenen Gültigkeitsdatum nach Russland verschleppt wurden. Das Gesetz sah nur diejenigen zur Entschädigung vor, die ab dem 6. März 1946 verfolgt wurden, die Deportation erfolgte jedoch schon im Januar 1945. Wir haben uns damals an das Parlament gewandt, und zwar an unseren Abgeordneten Ingmar Brandsch, und er hat es dann durchgesetzt. Es wurde ein Sondergesetz im Dezember verabschiedet und darin stand, dass die Gültigkeit vom 6. März 1946 auf den 23. August 1944 vorverlegt wird. Die Menschen, die ab dem Zeitpunkt Opfer des Kommunismus waren, fallen somit unter das Gesetz 118/1990. Danach haben wir beim Büro für politisch Verfolgte eine Zentralstelle eingerichtet, wo wir zusammen mit Freiwilligen die Akten der ehemaligen Russlanddeportierten bearbeiteten. Wir mussten zuerst die Personen erfassen und sie dann in den Verein aufnehmen, damit sie eine Entschädigungsrente erhalten. Damals schloss sich auch Benjamin Roch dem Verein an.
Wir mussten die Akten von Tausenden bearbeiten. Denn es waren nicht nur Personen aus Temeswar, sondern auch aus den restlichen Landesteilen. Damals wussten wir noch nicht, dass sich jede Kreisverwaltung selbst um die Russlanddeportierten kümmern muss. Darum bearbeiteten wir die Dokumente aller. Nach der Prüfung haben wir dann die Akten in die jeweiligen Kreise zurückgeschickt und den Personen erklärt, wo sie hingehen müssen. Danach fiel auch die Entscheidung, unseren Verein einzuschreiben. Dafür brauchten wir eine Vereinssatzung, darum sind Benjamin Roch und ich zum Gericht gegangen, um unseren Verein einzutragen. Somit sind wir seit dem 10. Mai 1991 ein eingeschriebener Verein. Der Vorteil ist, dass wir so auch Güter aus dem Ausland erhalten dürfen, ohne Zoll zu zahlen. Rudolf Grauser war der Erste, der begonnen hat, uns Medikamente zu schicken, später Kleider und Geld. Er hat auch Werbung für uns bei verschiedenen Apotheken gemacht und die waren bereit, ihm von Zeit zu Zeit Medikamente zu schicken, die er dann wiederum nach Rumänien versandte. Und das funktioniert bis heute sehr gut. Wir verteilen an unsere Mitglieder Medikamente kostenfrei. Eine große Hilfe für sie. Und bis 2004-2005 haben wir auch noch Kleider ausgeteilt.
Wie sieht die Bundesregierung das Problem der Russlanddeportierten aus Rumänien?
Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass auch die deutsche Regierung unseren Mitgliedern eine Entschädigung für die Jahre in Russland zahlt. Von 1988 bis 1998 war Horst Waffenschmidt Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung. Ich sprach ihn bereits 1991 auf das Problem an, als er in Temeswar zu Besuch war. Es hatte aber nichts gebracht. Erst 1997, als im Continental Hotel Vertreter der deutschen Minderheit zusammenkamen und ich in einer Ansprache erneut das Problem hervorhob, hat man sich um eine Entschädigung bemüht.
Wie viele Mitglieder hat der Verein?
Im ganzen Land dürften es über 900 sein, damals, als der Verein gegründet wurde, waren es über 8000. Im Kreis Temesch sind es 200. Ich weiß leider nicht, wann jemand stirbt. Von unseren Mitgliedern aus der Stadt erfahre ich durch die Zeitung. Es sind in Temeswar gegenwärtig 95. Mehr als im ganzen Kreis Kronstadt/Braşov sowie mehr als im ganzen Kreis Hermannstadt/Sibiu, mehr als im Altreich. In Reschitza wären es laut dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Ţigla, noch 79. In Arad höchstens 50. Die jüngsten werden 86 Jahre alt. Ich werde in diesem Jahr 88 Jahre alt. Es ist schon erstaunlich, dass noch so viele so lange aushalten. Scheinbar hat das Schwere in Russland den Körper so gestärkt, dass man viel mehr aushalten kann. Wir werden also von Jahr zu Jahr weniger. Aber so lange wir selber noch Kraft haben und noch einige Russlanddeportierte leben, werden wir uns für sie einsetzen und ihnen helfen. Schließlich bin ich deswegen gewählt worden.