Südosteuropa, Anfang des 18. Jahrhunderts. Prinz Eugen von Savoyen gewinnt für die Habsburger den Krieg gegen die Türken und befreit das Banat. Eine entvölkerte, fast menschenleere und verwüstete Region bleibt zurück. Die Wiener Hofkammer beschließt, das Banat zu besiedeln. In dem an Natur- und Bodenschätzen reichen Bergland des Banats ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften groß, sodass man am Wiener Hof beschließt, die Region mit Zuwanderern aus der gesamten Monarchie zu besiedeln. Über einen längeren Zeitraum hinweg kommen kontinuierlich kleinere Gruppen von Bergbeamten, Unternehmern, Baumeistern, Gewerbetreibenden, Handelsleuten, Offizieren, Lehrkräften, Geistlichen, Ärzten, Apothekern, Handwerkern, Waldarbeitern, Köhlern sowie erfahrene Bergmänner mit ihren Familien. Sie siedeln sich am Rande rumänischer Dörfern an oder gründen neue Orte.
Es ist der Anfang einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Mit Schweiß und Fleiß, Wissen und Können, Hartnäckigkeit, Leid und Freud’ geschrieben von Siedlern aus den Alpenländern, hauptsächlich aus Tirol, aus der Steiermark und Ober- und Niederösterreich, Böhmen, Mähren, Slowakei und Zips, gemeinsam mit den hier ansässigen Rumänen, Serben, Ungarn und weiteren Nationalitäten. Im eigenständigen alpenländischen Lebensraum des Banater Berglands errichteten sie das bedeutendste Industriezentrum im Herzen Südosteuropas. Dank ihres friedlichen Zusammenlebens und dem Verbund in der gemeinsamen Arbeit sowie des gegenseitigen Respekts hätten sie ein Vorbild für die viel später entstehende Europäische Gemeinschaft sein können.
Ja, es war einmal, die Zeiten ändern sich, aber die Erinnerung soll nicht verloren gehen. Es war die treibende Idee von Günther Friedmann, dem Vorsitzenden des Heimatverbands der Banater Berglanddeutschen, und seiner Kollegen: Eine Ausstellung anlässlich des 300-jährigen Jubiläums seit der Ansiedlung deutschsprachiger Bergleute im Banater Bergland sollte nicht nur für uns heute, sondern auch für künftige Generationen Licht auf eine in Deutschland nahezu unbekannte Region werfen. Auf ihre Geschichte und auf die Menschen, die eine bedeutende Rolle im Industriezeitalter Südosteuropas spielten.
Gesagt, getan, könnte man meinen, und so geschah es auch. Es dauerte aber fast zwei Jahre, bis man, nach intensiver Zusammenarbeit, die Ausstellung am 29. November im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm (DZM) eröffnen konnte. Günther Friedmann begeisterte die wissenschaftliche Museumsmitarbeiterin Perencevic und den Museumsdirektor Christian Glass, welcher von einem historischen Fotobestand des Werksfotografen Hermann Heel wusste, im Besitz des Banater Montanmuseums Reschitza. Volker Wollmann, der vor seiner Aussiedlung in die Bundesrepublik Direktor des Banater Montanmuseums war, wählte von 2000 nie inventarisierten Glasplatten 100 Bilder aus, fotografierte und digitalisierte sie für die Ausstellung.
Währenddessen überlegten Leni Perencevic und Günther Friedmann, welche Themen in der Ausstellung behandelt werden sollten. Es war keine leichte Aufgabe, denn mit dem Bild- und Textmaterial aus dem Heimatverband und persönlichen Archiven, das Günther Friedmann und Walter Woth für diese Ausstellung vorbereitet hatten, hätte man gleich mehrere Ausstellungen füllen können. Es kostete viel Arbeit, Diskussionen und Überlegungen, nach denen die Kuratorin Leni Perencevic den „roten Stift“ ansetzen musste, um der Ausstellung die aktuelle Form zu geben. Diese beginnt mit einem historischen Abriss der Industriegeschichte von 1718 bis heute. Sie zeigt die Anfänge, die Aufbrüche in das Industriezeitalter, bis hin ins vergangene Jahrhundert, mit seinen gewaltigen politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen. Daran anschließend beleuchtet die Ausstellung Einzelaspekte und stellt die Menschen und ihren Alltag in den Vordergrund. Abgerundet wird sie durch die Werksfotografien Hermann Heels. Die Fotografien, Grafiken, Tafeln und Exponate sind in fünf Bereiche aufgegliedert: die Industrielandschaft, Produktionsstätten, Erzeugnisse, die besonderen Momente, sowie das Herzstück „Arbeitswelten“, in dem der Mensch bei seiner Arbeit in den Vordergrund rückt.
Eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, erfordert die Zusammenarbeit vieler Fachleute: Der Museumsdirektor und die Kuratorin wurden bereits genannt, aber im Hintergrund gaben auch ihre Kolleginnen und Kollegen vom Museumsteam ihr Bestes für die erfolgreiche Entstehung der Ausstellung. Andreas Ochs vom Gestaltungsbüro agil goss aus dem Rohmaterial ein Gestaltungskonzept, Michael Frank von der Druckerei Fresko produzierte die Ausstellung blitzschnell und in Topqualität. Und es brauchte jemanden, der die Unternehmung finanziert und das Produkt auf den Markt bringt. Der Heimatverband der Banater Berglanddeutschen hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für den Donauraum, hat die Ausstellung mitfinanziert und wird diese in den kommenden Jahren auf Wanderschaft schicken, um sie in der weiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Vor einem fachkundigen und interessierten Publikum, das den Vortragssaal des Donauschwäbischen Zentralmuseums Ulm bis zum letzten Platz füllte, ja, die Bestuhlung war sogar unzureichend, sprachen am Eröffnungsabend der DZM-Direktor Christian Glass, Günther Friedmann, der Vorsitzende des Heimatverbands der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Țigla vom Demokratischen Forum der Banater Berglanddeutschen aus Rumänien sowie Leni Perencevic, die Kuratorin der Ausstellung. Ein virtuoses Violinen-Duo verzauberte das Auditorium während der Veranstaltung mit Klängen aus Béla Bartóks inspirierter „Bauernmusik“.
Christian Glass zeichnete in seiner Rede ein Bild des geografischen und historischen Montanbanats, sprach über die Bedeutung dieser Ausstellung, die nun eine Lücke schließt und Anstoß geben soll, weitere Dokumentationsarbeiten auf diesem Gebiet zu ermöglichen. Er stellte dem Publikum wichtige Gäste vor, die mit ihrem Wirken einen bedeutenden Beitrag geleistet haben, nicht nur für die aktuelle Ausstellung, sondern auch durch ihre jahrelange Zusammenarbeit mit dem DZM.
Günther Friedmann nahm das Publikum auf einer kurzen Zeitreise mit ins Südosteuropa von damals. Schwerpunkt war das Banater Bergland, mit seiner Entstehung, Herkunft und Zusammensetzung der multiethnischen Bevölkerung. Er betonte dabei das friedliche Zusammenleben, auf das die Menschen auch heutzutage noch so stolz sind. In einem kurzweiligen, interessanten und lockeren Vortrag berichtete er über Besonderheiten der Montanbanater Bevölkerung, der Industrie- und Zeitgeschichte und sprach über die Entstehung, Arbeit und Ziele des Heimatverbandes.
Als Gast des Partnerverbandes aus dem Banater Bergland wurde Erwin Josef Țigla begrüßt. Dieser begann seine Rede mit der uns so vertrauten und geliebten Erzählung Alexander Tietz’, die im Ausdruck „mia sein ma Reschitzara!“ ihren Höhepunkt findet. Er berichtete dem erheiterten Publikum über die Arbeit seines Verbandes, über die Zusammenarbeit in Rumänien und über das nationenübergreifende gute und befruchtende Zusammenleben. Des Weiteren auch über die Arbeit mit Organisationen, Institutionen und Verbänden, die die gleichen Ziele und Interessen wie das Demokratische Forum der Banater Berglanddeutschen aus Rumänien verfolgen. Mit einem Augenzwinkern und mit einer letzten Geschichte von Alexander Tietz beendete er seinen Beitrag: Ein auf die Reise geschickter Ingenieur erfährt, dass Reschitza „weit hinter Budapest, ganz nahe an Asien“ liegt. Dem Zuhörer wurden so – halb ironisch, halb nachdenklich – der zentraleuropäische Mangel an Kenntnissen über diese doch so naheliegende, wie auch unbekannte Region bewusst gemacht.Die Kuratorin Leni Perencevic stellte dem Auditorium in einem präzisen, eleganten, aber auch emotionalen Vortrag die Ausstellung, von der Idee bis zur Eröffnung, vor. „Liebe Gäste, wenn Sie das Banater Bergland bereits kennen, vielleicht sogar von dort stammen, so hoffe ich, dass Sie die Ausstellung miteinander ins Gespräch bringt und dass Sie mit Ihren Kindern und Enkelkindern wiederkommen. Wenn Sie das Banater Bergland noch nicht kennen, dann hoffe ich, dass die Ausstellung Ihr Interesse weckt für diese vielfältige Region mit ihrem reichen Kultur- und Industrieerbe“, sagte die Kuratorin. Sowohl Günther Friedmann, als auch Erwin Josef Țigla ehrten und beschenkten nach ihren Beiträgen die Kuratorin und den Museumsdirektor. Sie bedankten sich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, das hingebungsvolle Schaffen und die tollen Ergebnisse. Zudem wurde der Wunsch nach weiterer Zusammenarbeit an neuen Projekten bekräftigt.
Anschließend begab man sich, nach einer kurzen Stärkung mit Gebäck, Fingerfood und Getränken, in die Ausstellungsräume. Es wurde bestaunt, debattiert, Erinnerungen geweckt und Neues entdeckt. Es gäbe vieles dazu zu erzählen, aber kein Bericht und auch kein Foto können die eigenen Eindrücke ersetzen. Deshalb meine Aufforderung: Scheut nicht den Weg nach Ulm. Die Stadt ist an sich schon einen ausgedehnten Besuch wert und diese Ausstellung zeigt das Ergebnis einer langfristigen, intensiven und fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, sowie weiteren Personen, Behörden und Verbänden. Für die öffentliche Arbeit des Heimatverbandes der Banater Berglanddeutschen ist es ein Meilenstein.