Wie funktioniert Kulturarbeit im Ausland? Die beiden Freiwilligen Theresa Dissen und Luka Dornis wissen es jetzt. Der Freiwilligendienst „kulturweit“ entsendet seit 2009 junge Menschen aus Deutschland in Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, des Nahen Ostens und Mittel-, Südost- und Osteuropas. Die Aufenthalte dauern sechs oder zwölf Monate und finden in Kulturinstitutionen oder Schulen statt. Seit September sind Luka und Theresa in ihren Einsatzstellen im Goethe-Institut Bukarest und im Deutschen Kulturzentrum Hermannstadt. Beide sind 19 Jahre alt und haben vor ihrem Freiwilligendienst ihr Abitur abgelegt. Von ihrer Ankunft in Rumänien, den Projekten vor Ort und ihren Zielen für die Zukunft berichteten die beiden unserer Redakteurin Aurelia Brecht.
Wie kam es, dass Ihr Euch für einen Freiwilligendienst in Rumänien entschieden habt?
Luka Dornis: Bei „kulturweit“ entscheidet man sich nicht für ein Land. Man kann aber Regionen angeben; ich hatte Südamerika und Europa angekreuzt. Mir wurde Bukarest vorgeschlagen – da hatte ich keinen richtigen Einfluss. Und ich habe zugesagt.
Theresa Dissen: Bei mir war es ein bisschen anders, weil ich den Fokus auf Europa gelegt hatte. Ich dachte, dass man die Nachbarn eigentlich wenig kennt und jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, in den Nachbarländern vorbei zu schauen. Ich wollte in eine Stadt und nicht so gerne aufs Land. Mir wurde Hermannstadt/Sibiu vorgeschlagen. Damit war ich sehr zufrieden; denn nach dem, was ich im Internet gesehen habe, war die Stadt vielversprechend. Als ich hier ankam, war ich sehr begeistert.
Warum habt Ihr euch gerade für diesen Freiwilligendienst entschieden?
Theresa: Für mich war klar, dass ich nach dem Abi ins Ausland möchte, weil jetzt ein guter Zeitpunkt dafür ist und ich das schon immer erleben wollte. Dann habe ich geschaut, welche Möglichkeiten es gibt. Für mich ist Kulturarbeit ein wichtiger Themenbereich, der meist nicht genug Ansehen bekommt. Ich dachte, dass es dort sicher viel Arbeit gibt und viel zu wenige Leute, die diese leisten können.
Luka: Ich war während der Oberstufe schon einmal ein Jahr im Ausland und wollte zunächst mit dem Studium beginnen, weil ich schon eine Auslandserfahrung hatte. Dann hat mir eine Freundin davon erzählt, dass sie sich bei „kulturweit“ bewirbt.
Wie war Eure Ankunft in Hermannstadt und Bukarest?
Theresa: Unglücklicherweise kam ich abends um neun Uhr an. Es war dunkel und ein wenig gruselig. Ich bin dann direkt zu meiner Wohnung gebracht worden und dachte mir: Du machst dir jetzt erst einmal keine Meinung und schaust, wie alles morgen früh aussieht. Am nächsten Tag hat sich die Stadt dann perfekt präsentiert, unter purem Sonnenschein. Das war das, was ich eigentlich wollte, nicht den Eindruck von gestern Abend. Ich hab mich sehr willkommen gefühlt.
Luka: Ich bin auch abends angekommen. Damals habe ich mit zwei anderen in der WG gewohnt, die schon vor mir da waren. Ich bin aus dem Taxi gestiegen und das Essen war schon fertig angerichtet. Wir haben von unserem Balkon den direkten Blick auf den Parlamentspalast. Auf diesem Balkon haben wir zusammen gegessen. Es war sehr laut, weil der Lärm der großen Straßen nach oben hallt. Die ganze Zeit habe ich nur den Palast anstarrt – es hat sich alles so surreal angefühlt, aber auch schon wie zu Hause – vom ersten Moment an.
Was hat Euch in Rumänien überrascht?
Theresa: Mein Bild von Rumänien war geprägt durch die typischen medialen Vorurteile: dass vieles nicht entwickelt ist, es viele Straßenhunde gibt. Dann war ich sehr positiv überrascht, denn wir waren in den ersten Monaten in vielen Städten unterwegs. Alle waren super schön – teilweise viel sauberer als deutsche Städte. Positiv war auch, wie gut man hier menschlich verbunden ist: Im Kulturzentrum bin ich gut aufgenommen worden; alle waren sehr herzlich. Ich war überrascht, wie leicht es mir fiel, mich hier zu Hause zu fühlen.
Luka: Am meisten überrascht hat mich, wie wohl ich mich in Bukarest fühle – und vor allem wie sicher. Ich bin aus Berlin und dort fühle ich mich nicht sicher, wenn ich nachts alleine U-Bahn fahre oder nach Hause laufe. Hier bin ich nachts immer zu Fuß unterwegs und fühle mich dabei sicher. Im Winter bin ich unter der Woche um 4 Uhr nachts alleine nach Hause gelaufen – und mir ist niemand begegnet, den ich komisch fand. Das war überraschend – einerseits, weil ich es aus Deutschland ganz anders kenne, und andererseits, weil Bukarest eine Großstadt ist und ich mich in einem fremden Land bewege, in dem ich die Sprache nicht beherrsche. Ich habe das Gefühl, die Leute jederzeit um Hilfe bitten zu können.
Theresa: An diesen Freundlichkeitsaspekt habe ich wieder denken müssen als ich über Ostern in Deutschland war. Alle Durchsagen bei der Bahn sind immer erst auf Deutsch, manchmal auf Englisch. Ich glaube, wenn man als Ausländer nach Deutschland kommt, ist es viel schwerer als für uns hier. Hier ist man sehr hilfsbereit, es gibt überall englische Übersetzungen, in Siebenbürgen teilweise ja sogar deutsche.
Habt ihr in Eurer Arbeit Berührungspunkte mit der Deutschen Minderheit?
Beide: Ja.
Theresa: Wir haben viele Projekte, die zusammen mit dem Forum stattfinden. Zum Beispiel einen deutschsprachigen Theaterworkshop, der die Erstaufführung beim Holzstockfestival im August haben wird. Das sind sehr gute Partner, weil man durch die Projekte viele deutschsprachige Jugendliche erreicht.
Luka: Meine Vorgesetzte ist für das „PASCH-Projekt“ („Initiative: Schulen: Partner der Zukunft“) zuständig und seit Neuestem auch für die Minderheitenprojekte, die das Goethe-Institut fördert. Im Sommer haben wir ein „Minderheiten-Camp“.
Wie sieht Euer Arbeitsalltag in Euren Einsatzstellen aus?
Luka: Ich fahre zur Arbeit. Das dauert 40 Minuten, weil es oft Stau gibt. Dann bin ich den ganzen Tag im Büro und übernehme alle möglichen Aufgaben; es ist wirklich sehr vielseitig. Wenn wir die Workshops durchführen, bin ich auch dabei. Mittlerweile mache ich auch Prüfungsaufsicht bei den Sprachprüfungen.
Theresa: Wir haben drei Abteilungen, die Kultur- die Sprachabteilung und die Bibliothek. In den Wintermonaten gab es in der Kulturabteilung viele Projekte. Da war ich größtenteils dort eingesetzt. Danach habe ich viel in der Bibliothek geholfen. Wir haben mittwochs immer das Vorlesen für Kinder, was ich mit übernehmen durfte. Ich helfe dort, wo es gerade gebraucht wird und es macht sehr viel Spaß. Es stört einen auch nicht so, wenn man viel arbeitet, wenn man wirklich Spaß an der Arbeit hat.
Was sind Herausforderungen in Eurem Alltag?
Luka: Zu Beginn war es eine ganz andere Welt – ich habe erst letztes Jahr mein Abi gemacht. Es war ein Sprung in die Realität – dass Hierarchien existieren, dass es Unterschiede gibt. Als Jugendliche war das für mich noch nicht ganz klar. Ich wusste natürlich, dass es Chefs gibt. Aber dann ist man dabei und bekommt mit: Wenn einer das sagt, dann muss es so gemacht werden. Daran musste ich mich erst gewöhnen, mich einfinden und lernen, damit umzugehen.
Theresa: Bis jetzt hatte man ein sehr schulisches Leben. Es war alles sehr strukturiert. Die Arbeit hier ist von Woche zu Woche anders. Ich kann nicht sagen, wann ich nächste Woche Dienstag kommen oder gehen werde. Es ist sehr variabel, wann wie wo was gebraucht wird und welche Projekte gerade anstehen. Diese Spontaneität war zunächst eine große Umgewöhnung und Herausforderung. Aber das macht es spannend und vielfältig.
Habt Ihr ein Projekt, das Euch am meisten Spaß gemacht hat?
Luka: Theresa und ich haben einen Feminismus-Workshop gehalten.
Theresa: Der Workshop war der erste, den wir ganz alleine organisieren konnten. Wir haben uns alles vom Aufbau über die Werbung und Vermarktung selbst überlegt. Das hat richtig Spaß gemacht. Zu sehen, dass man Arbeit investiert und es sich lohnt. Der Workshop ist auch deswegen mein Lieblingsworkshop, weil wir ihn zum ersten Mal eigenverantwortlich organisiert haben.
Was wolltet Ihr mit dem Workshop erreichen?
Theresa: Der Freiwilligendienst „kulturweit“ beinhaltet die Durchführung eines eigenen Projektes vor Ort. Wir haben uns überlegt, dass wir das Projekt gemeinsam gestalten – auch weil uns interessiert hat, wie der Workshop in den unterschiedlichen Städten funktioniert. Wir empfinden das Thema als sehr wichtig und hatten das Gefühl, dass es hier nicht so präsent ist. Zumindest in Hermannstadt ist uns das bestätigt worden. Alle haben sich gefreut, dass sie einen Ort hatten, über das Thema zu reden, weil sie bislang leider noch kein Angebot dafür hatten. Das war unser Ziel: Einen Ort zu schaffen, an dem man sich über das Thema austauschen kann. Am Anfang gab es einen kleinen Einstieg zur Geschichte und zur Bedeutung des Begriffs. Dass es nicht darum geht, Männer abzuschaffen und Frauen an die Macht zu bringen, sondern um Gleichberechtigung. Dass das viele Vorteile für Männer hat. Es hat uns sehr gefreut, dass auch männliche Teilnehmer dabei waren. Wir hatten Zitate dabei, die Anstöße für die Diskussion gaben. Es war ein nettes Beisammensein und ein „Sich-gegenseitig-Bestärken“. Das hat uns gut gefallen.
Ihr seid noch bis Ende August in Rumänien. Was ist bis dahin noch in Planung?
Theresa: Ich habe vor Kurzem initiiert, dass es im Kulturzentrum ein „Sprachcafé“ gibt für alle, die Deutsch sprechen, egal für welche Altersstufe und egal ob man es gerade noch lernt oder ob man Muttersprachler ist, über eine Firma hier ist oder hier aufgewachsen ist – immer dienstags um 17 Uhr im „Café des Artistes“. In diesem Rahmen können auch Wunschthemen besprochen werden. Es soll ein Ort des Austauschs sein.
Luka: Ich werde noch bei zwei Sommercamps mit dabei sein. Bei der Vorbereitung, Organisation und Nacharbeit der Camps. Ich habe mir vorgenommen, jetzt noch alles zu genießen, denn die Zeit ist doch sehr schnell vergangen. Es bleiben noch drei Monate; das ist sehr kurz.
Theresa: Am Anfang war alles neu und aufregend. Deswegen freue ich mich darauf, die nächsten drei Monate zu genießen und zu wissen: Ich gehe jetzt in Hermannstadt zu mir „nach Hause“, und die Wohnung fühlt sich auch so an. Noch einmal drei Monate wirklich hier zu leben und es nicht nur als „Reise“ zu sehen, sondern auch als „Leben“.
Was werdet Ihr vermissen?
Theresa: Vieles!
Luka: „Five to Go“ – den besten und günstigsten Kaffee!
Theresa: Wenn man im Kulturzentrum ein Projekt macht, dann kann das sehr schnell umgesetzt werden. Man erreicht mit der Arbeit hier Leute, man kann etwas umsetzen und ich glaube, dieses Gefühl werde ich erst einmal vermissen. Zu sehen: Die Arbeit, die ich mache, hat einen Sinn, einen Effekt. Das finde ich, ist ein sehr schönes Gefühl.
Was nehmt Ihr aus Eurem Aufenthalt in Rumänien mit?
Luka: Das Wissen, wie ein Job abläuft, was es für Regeln gibt und wie man das Leben drum herum gestaltet. Für mich war es eine neue Erfahrung, allein zu wohnen, nicht ganz allein, weil ich in einer WG wohne. Aber eben ohne Eltern. Einen Putzplan und einen Koch-Plan zu machen, einzukaufen. Diese Sachen, die so selbstverständlich sind, wenn man noch zu Hause wohnt. Auf einmal versteht man, warum die eigene Mutter immer so gestresst war, weil sie noch kochen und einkaufen musste. Ich nehme die neuen Freundschaften mit, vor allem die zu den anderen Freiwilligen. Wir sind zwölf Freiwillige in Rumänien, haben viel Kontakt und sehen uns viel. Und Rumänien an sich: Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, hier durchs Land fahren und Freunde mitbringen.
Theresa: Man ist in diesem Jahr viel erwachsener geworden – durch die Tatsache, alleine zu wohnen und dadurch, dass man nicht einfach nach Hause fahren kann. Man wurde sehr bereichert – auch durch die Arbeit. Man lernt viel im Laufe des Freiwilligenjahres – auch über sich selbst.
Wie sehen Eure Zukunftspläne aus?
Theresa: Ich möchte in Deutschland studieren. Eventuell Politikmanagement in Bremen.
Luka: Ich möchte vielleicht noch ein „Gap-Year“ nehmen und viel herumreisen, jobben, Praktika machen. Oder ich fange doch an zu studieren. Ich möchte Sprach- oder Medienwissenschaften in Berlin studieren. Das muss ich mir in den nächsten Monaten überlegen. Ich vertraue darauf, dass mein Bauchgefühl mir im richtigen Moment Bescheid gibt und ich dann meine Entscheidung treffe.