„Bisher tollten die herum, posteten allerhand, wir haben uns nicht mit ihnen beschäftigt. Nun werden wir mal drüber reden, wie viele Freimaurer in jener Partei sind, wie viele Securitate-Leute, und was für Geschäftchen die so machen (gemeint ist die Abspaltpartei der PSD, Pro România von Victor Ponta, auch PSD2 - wk). Ab heute werden wir uns um die kümmern.“ In faschistoidem Ton hetzte Daddy Dragnea auf der „PSDragnea“-Wahlkonferenz Karasch-Severin in Reschitza vor knapp zehn Tagen, als er vor den 200 Delegierten eine Rede hielt, die als Eröffnung des Wahlkampfjahres 2019 angesehen wurde.
Der Monokratie-Anhänger spie Gift und Galle gegen die Partei-Abtrünnigen („Freimaurer“), gegen „Landesfeinde“ (zu denen er natürlich auch den „neamțu“, den deutschen Staatspräsidenten Johannis zählt, dessen Stuhl er so gern besetzen möchte – so gesehen war Dragneas Rede eher auf den Präsidentschaftswahlkampf im Herbst gemünzt, weniger auf die Europawahlen im Mai). Mehrere der an ihn gerichteten Glückwunschschreiben seitens seiner Hurra-Schreier sollen prompt mit dem neuen PSD-Leitspruch „Șefu-i candidatul nostru!“ geendet haben.
Mich erinnern die jüngsten Entwicklungen in Rumänien an ein ziemlich kompliziertes, aber anpassbares, dreiteiliges rumänisches Sprichwort (Sprichwörter sind oft der letzte Anker, nach dem man greifen kann): „Unde´s trei, întreabă ce-i; unde´s doi, o vorbă-au între ei; unde-i unul, dă cu tunul!“
Wo drei sind, frag dich, was es ist. Die klassische Demokratie (die sich aus dem griechischen „demos“ und „kratos“ – Macht des Volkes – zusammensetzt, auf die die heutigen illiberalen Ideologien – auch die ideologiefreie PSD – pfeifen) steht stabil auf drei Säulen: Legislative, Exekutive und Judikative. So gesehen, fußt Demokratie, wie der christliche Glaube, auf Dreifaltigkeit. Mit den demokratischen Wahlen vom (auch politischen) Winter 2016 gelangte die Exekutive einer Clique in die Hände, die zunächst nicht so recht wusste, wie damit umzugehen (der Sturz von Grindeanu und der Rückzug von Tudose von der Regierungsspitze waren sichtbare Zeichen einer „Kurskorrektur“), bis die zur PSD passende Meinungslose aus Teleorman, via Brüssel, Viorica Dăncilă gefunden wurde – Daddy Dragneas staatsmännischer Weisheit sei Dank. So folgte der zweite Teil des Sprichworts.
Wo zwei sind, haben sie was zu teilen. Die Legislative, hier die beiden Kammern des Parlaments, die immer noch – wenn auch manchmal mithilfe der Kollaboration des Ungarnverbands UDMR – mit den Gesetzen nach Daddys Pfeife tanzend „demokratisch“ spielen, und die Judikative, die unter dem hinterlistig-untertänigen Justizminister Tudorel Toader zum willigen Werkzeug für demokratiefreie Gesetzesänderungen per Eilbeschlüsse einer willfährigen Regierung wurde. Das Resultat, das sie sprichwörtlich „teilen“, ist eine zahnlose, praktisch der Politik untergeordnete Justiz mit einer entwaffneten Antikorruptionsabteilung, eine Gerichtsbarkeit also, die unter Umständen nicht nur tanzt, wie Dragnea und andere hochgestellte Gesetzesübertreter pfeifen, sondern auch eine Grundregel der Rechtsprechung – endgültig gefasste Urteile sind endgültig – mit Füßen tritt. Von dem faktischen Zwitter Legislative-Judikative, von dem Anfang 2017 noch ausgegangen wurde, blieb nur die Legislative – aber nicht das Gesetz, sondern die autokratischen Gesetzesmacher und ihr devoter Handlanger, Justizminister Toader.
Wo einer ist, schießt er mit Kanonen/raubt er ungebremst. Die Doppeldeutigkeit dieses „tunul“, Kanone und Diebstahl mit Hinterlist, trifft in beiden Fällen zu. Sie schießen mit Kanonen auf Spatzen („Binom“, „Parallelstaat“, „Untergrundstaat“) sowie Löcher in die geschwächte Festung Demokratie und sie rauben ungefährdet das Nationalvermögen, weil sie kein Gesetz mehr fürchten müssen.
Die rumänische Illiberalität heißt Monokratie. Sie ist das Gift der Demokratie.