Rumänische Mutterschaft aus der Ferne

„Bitter Things“: Sensibilisierende Veranstaltung zum Thema Arbeitsmigration

Goethe-Institut Bukarest: „Telefonzellen“, die Migrationsgeschichten erzählen Foto: Patrick Brandl

Der Begriff Arbeitsmigration ist in der westeuropäischen Politik sowie Wirtschaft ein fester Bestandteil. Länder wie Deutschland und Frankreich bauten ihren jetzigen Wohlstand auch auf Basis ihrer Arbeitsmigranten auf und versuchen, diesen Wohlstand nun auch wieder durch Arbeitsmigranten zu bewahren. So gefährdet beispielsweise der demographische Wandel in Deutschland die Rente seiner Bürger, und um diese Entwicklung zu stoppen, versucht die Regierung, verstärkt ausländische Arbeitskräfte anzuwerben. Auch mit Erfolg. So wird zumindest im wirtschaftlichen Bereich der Begriff Arbeitsmigration positiv bewertet. Der anderen Seite der Medaille wird aber keine Beachtung geschenkt. So werden die negativen Seiten kaum sichtbar. 

Einwanderer wachsen schließlich  nicht auf Bäumen, sondern es handelt sich um Menschen, die mit Hoffnungen und Träumen in den Westen kommen. Das möchte auch die Ausstellung „Bitter Things“ der Berliner Gruppe bi’bak zeigen. Unter den hauptsächlich türkischen und muslimischen Einwanderern befinden sich auch drei rumänische Schicksale – im Ausland arbeitetende Mütter, deren Kinder in Rumänien zurück geblieben sind. „Bitter Things“ zeigt einen ungefilterten Einblick in die Gefühlswelt der Betroffenen.

Lenuța

Die erste rumänische Geschichte handelt von Lenuța. Ihre Mutter verließ sie in ihrer Kindheit, um in Deutschland zu arbeiten. Während  Lenu]a mit ihren Großeltern in der Maramuresch lebte, heiratete ihre Mutter in der Ferne und kehrte mit ihrem Mann zusammen nach Rumänien zurück. In Craiova begannen die drei ein neues Leben, bis  Lenu]as Mutter erneut in Richtung Deutschland aufbrach. Ihre Tochter blieb in Craiova zurück und die Mutter schickte auch kein Geld mehr aus Deutschland. Heute ist sich Lenuța sicher, dass sie zusammen nach Deutschland gegangen wäre, wenn ihre Mutter sie wirklich bei sich haben wollte . Keine Mutter sollte ihr Kind in einem anderen Land zurücklassen, heißt es im Videotext, den eine Puppe illustriert. Ein Geschenk von  Lenu]as Mutter an ihre Tochter. Lenu]a könne sich nicht erinnern, wann sie sie bekommen hatte und Geschenke hatte sie auch nie erwartet. Sie wünschte sich nur eine normale Beziehung mit ihrer Mutter.

Andra

Eine ganz andere Beziehung hat Andra mit ihrem Sohn, den sie mit neun Jahren verlassen hatte. Mittlerweile sind auch schon zehn Jahre vergangen und seitdem hat sich viel im Bereich der Kommunikation getan. Durch das Aufkommen des Smartphones und Videotelefonaten kann man nun von überall direkt miteinander kommunizieren, sogar von Angesicht zu Angesicht. So sprechen die beiden fünf bis zehn mal pro Tag miteinander. 

Ionuț

Die dritte und letzte rumänische Geschichte handelt von Ionu] und seiner Mutter. Da Ionuț ohne Vater aufwuchs, musste seine Mutter nach Italien auswandern, um den Unterhalt zu finanzieren. Als er zehn Jahre alt war, verließ sie Rumänien, pendelte jedoch regelmäßig zwischen den Ländern hin und her. Dies wurde erst leichter durch die vollständige Arbeitsmarktöffnung im Jahr 2014, obwohl Rumänien zu diesem Zeitpunkt schon sieben Jahre EU-Mitglied war. In Handyvideos  zeigt Ionuț, wie sehr er seine Mutter vermisst. Er filmt die dreckige Küche, das nicht abgewaschene Geschirr und den verkrusteten Herd. „So hinterlässt du die Küche?“, witzelt Ionu] und bringt seine Mutter damit vermutlich zur Weißglut.

Die drei Schicksale beleuchten Mutterschaft aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und zeigen auf, wie sich Arbeitsmigration auf die Beziehung zwischen Müttern und ihren Kindern auswirkt. Aber „Bitter Things“ hält noch ganz viele Lebensgeschichten für Interessierte bereit. Die Ausstellungstücke sind dabei in einer Art Telefonzelle ausgestellt und aneinander gereiht. Mit einem Telefonhörer kann man den Geschichten zusätzlich zu dem Videotext zuhören. Zudem gibt es zu jeder Geschichte ein persönliches Objekt in Bezug auf die involvierten Personen. 

Die Ausstellung kann noch bis zum 30. September im Foyer des Goethe-Instituts (Calea Dorobanți 32) besucht werden. Der Eintritt ist frei.