Die anfangs durch Rodung freigewordenen Hänge zu beiden Seiten des Tales waren für die steigenden Ansprüche der immer größer werdenden Herden irgendwann zu klein geworden. Eine Ausbreitung nach Norden gestattete die mittlerweile das Tal an der engsten Stelle abschließende Stadtmauer nicht mehr. Somit sahen die rumänischen Hirten aus der „Oberen Vorstadt“ sich gezwungen, neue Weidegründe im Süden zu suchen.
So kamen sie wahrscheinlich durch die Schlucht bei den „Salomonsfelsen“ und das von ihnen „Valea (H)Oabenului“ benannte Tal in die „Kleine Schulerau“.
Dort trafen sie zu ihrer Verwunderung auf die mittlerweile ausgebreiteten Herden ihrer Landsleute aus Neustadt/Cristian. Man geriet in einen sich über Jahre ziehenden Konflikt, welcher vom Kronstädter Magistrat nicht zur Zufriedenheit beider Parteien gelöst werden konnte. Erst als im Winter 1426/27 König Sigismund von Luxemburg Kronstadt zum dritten Mal besuchte (diesmal für ganze 6 Monate, bis Juli 1427), erhoffte man eine einvernehmliche Lösung der Klagen beider Parteien.
Trotz intensiver Beschäftigung mit dem überlebenswichtigen Problem der Sicherung der Stadt nach dem verheerenden Einbruch der Türken im Burzenland im Jahre 1421 (die gesamte Stadt und die kleinen Ortschaften im Burzenland waren fast ausnahmslos niedergebrannt, ein Teil der vorgefundenen Bevölkerung getötet, andere verschleppt worden) und trotz seiner durch Feldzüge in die Moldau und in den südlichen Teil Munteniens bedingten wochenlangen Abwesenheit aus der Stadt, hielt der König im Frühjahr 1427 in Kronstadt einen Gerichtstag ab, an dem auch die Klage der um die Schulerau streitenden Parteien zur Sprache kam.
Der König entschied im vorgetragenen Streit vorerst nicht zugunsten irgend einer Partei, bevor er nicht vor Ort sich persönlich ein Bild von der Waldwiese gemacht hätte, um welche gestritten wurde. Für den 14. Juni 1427 wurde ein Ritt des Königs nebst eines Teiles seines Hofstaates, Vertretern der Stadt Kronstadt so wie den Abgesandten der streitenden Parteien vorgesehen.
Der Magistrat hatte vermutlich noch Zeit, einen den Ansprüchen des Königs entsprechenden Saumweg von den Salomonsfelsen in die Schulerau bauen zu lassen. Die Quellen berichten darüber nichts, wie sie auch nicht erwähnen, wo der „Königsweg“ verlief. Dennoch ist die Annahme zwingend, dass König Sigismund am 14. Juni 1427 nicht auf einem verwilderten Tierpfad für Schafe und Ziegen von den Salomonsfelsen in die nahe Schulerau geritten ist.
Es liegt nahe anzunehmen, dass der Magistrat sich damals für eine Wegführung nahe des heutigen Wegverlaufes („Alter Serpentinenweg“) entschlossen hat. Dieser führte durch lichten Mischwald über steil in die „Valea Oabenului“ abfallende, nach Südosten orientierte Berghänge. Er hatte von den Salomonsfelsen bis in die große Schulerau eine Länge von etwa 4 km, bei einer mittleren Neigung von über 100 m auf einer Länge von 1 km, und konnte in einer Stunde bequem durchritten werden. Nach dem ersten Drittel des Weges verlief dieser durch eine steile und enge Klamm, wo der Weg in den rechten Felshang gehauen und auf seiner linken, der Schlucht zugewendeten Seite abgesichert werden musste.
Der Eintags-Ausflug des trotz angeschlagener Gesundheit noch sportlich wirkenden Königs verlief, wenn man den überlieferten Urkunden trauen kann, ohne besondere Zwischenfälle: Der König umritt mit seinen Begleitern einmal die umstrittene Bergwiese „insula vulgo Awe“, kehrte sodann nach Kronstadt zurück und entschied, die Schulerau müsse den Kronstädtern zugeschrieben werden.
Den leer ausgehenden Neustädtern schenkte er eine Weide in der Nähe von Törzburg/ Bran. (Zum Quellennachweis sei auf Urkunde Nr. 2019 im „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ Bd. IV, 1939 sowie auf M. Philippi: „Kaiser Sigismund in der Schulerau“, in „Kronstadt“ S.80. Kriterion Verlag Bukarest 1996, und G. Nussbächer: „ 1427 – König Sigismund von Luxemburg weilt in Kronstadt“, in „Ostdeutsche Gedenktage 2001/2002“, Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen, 2003. S.360. hingewiesen.)
Damit ist wenigstens nach der bis heute bekannten Quellenlage der Ursprung des Schulerauweges geklärt.
Über mehr als hundert Jahre hatte sich in der Schulerau ein „pendelnder“ Almbetrieb ( in Europa auch als „alpine Almwirtschaft“ bekannt) zwischen der Oberen Vorstadt/Schei und der Schulerau aufgebaut. Der jährliche Auftrieb fand am 15. Mai (nach Orthodoxem Kalender zu „Sfântul Gheorghe“), der Abtrieb am 15. September (Sfânta Maria Mică) statt. Die Herden verwendeten den Weg durch die „Valea Oabenului“. Der neue Saumweg war für die Herden zu schmal und sehr steil und wurde deshalb von ihnen gemieden.
Die Milchverarbeitung fand in der Schulerau in Almhütten statt. In den Wintermonaten wurden die Herden zum Teil in Ställen im Tal untergebracht. Die großen Herden überwinterten später in schneefreien Auen in Siebenbürgen oder in der Walachei. Bei sehr großen Viehbeständen wurde auch „transhumante Almwirtschaft“ betrieben. Aus räumlichen Gründen wich man in den Törzburger Raum, auf die Südhänge der Südkarpaten und in das Gebiet der „Sieben Dörfer“ aus.
Die Verpachtung der Gebirgswiesen in der Schulerau fand alljährlich anfangs relativ unbürokratisch (oft durch mündliche Zusage) statt. Die Kosten und Abgaben richteten sich nach den damals üblichen Gepflogenheiten. (Für den an mehr Details interessierten Leser sei auf die Arbeit von Paul Binder: „Oieritul Românilor din Scheii Bra{ovului“ [Die rumänische Almwirtschaft in der Kronstädter Oberen Vorstadt] in „ASTRA“ No.1/1970. S.19 hingewiesen.)
Mehr als hundert Jahre lang bleibt der königliche Saumweg in die Schulerau ohne Erwähnung. Das heißt, dass dieser Weg nur gelegentlich begangen und daher auch nicht gewartet wurde; durch die jährlichen starken Regenfälle und die Schneeschmelze wurde er wohl in kurzer Zeit teilweise oder gänzlich weggeschwemmt. Seine Abgelegenheit von den wichtigen Verkehrswegen führte in Kürze zu seiner vollkommenen Vernachlässigung und Verwahrlosung. Die Pfade der Herden in den benachbarten Tälern blieben dagegen, auch ohne besondere Wartung, dank der periodisch stattfindenden Auf- und Abtriebe der Tiere erhalten.
TEIL I
TEIL II