Sie freuen sich, wenn es mittwochs um 11 zur Stunde einläutet: Die 24 Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse von Lehrerin Daniela Malanciuc können sich dann einer etwas anderen Unterrichtsstunde erfreuen. „Architektur“ heißt es im Stundenplan und dabei können die Kleinen nicht nur kreativ werden, sondern sich auch auf Entdeckungsreise durch Temeswar begeben. Seit Oktober 2015 kommen an die deutsche Nikolaus-Lenau-Grundschule Architekten und Studierende der Temeswarer Architekturfakultät, um den Kleinen auf eine spielerische Art und Weise Begriffe aus ihrem Tätigkeitsfeld beizubringen.
Auf die Frage, ob es denn nicht zu früh für Architektur sei, antwortet Lehrerin Daniela Malanciuc überzeugt: „Keineswegs! Es geht eigentlich um Architektur-Elemente. Wir haben zuerst gelernt, wie ein Haus aufgebaut ist, wie ein Gebäude aussieht, was eine Fassade ist, usw.“, erklärt die Grundschullehrerin. „Die Schüler legen den Weg von zu Hause bis zur Schule jeden Tag zurück, aber sie schauen sich die Gebäude nicht so richtig an und kennen auch die Straßen nicht. In der Architektur-Stunde sollen sie lernen, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen“, fügt die Lehrerin hinzu. Das Programm zum Erlernen von Architektur-Elementen wird seit 2013 vom Rumänischen Architekten-Orden an mehreren Schulen in Rumänien umgesetzt. Der Kurs heißt „De-a arhitectura în oraşul meu“ (auf Deutsch: Das Architektur-Spiel in meiner Stadt) und es wird im Schuljahr 2015/2016 unter anderem auch an 20 Klassen in den Verwaltungskreisen Temesch und Arad unterrichtet. Neben den 20 Lehrkräften, die für diese Schulklassen zuständig sind, begeben sich wöchentlich 16 Architekten und zehn Studierende der Architektur in diese Klassen, um freiwillig die Kurse zu halten. Den Schülerinnen und Schülern macht die Stunde Spaß, denn „es ist eine Mischung aus Handarbeit und Bewegung, vielleicht auch ein bisschen Mathematik“, so Lehrerin Daniela Malanciuc.
Dass die Kleinen von ihrer Tätigkeit absorbiert sind, ist nicht zu übersehen. Sie zeichnen und schneiden, sie kleben und stellen Dutzende Fragen: „Wie werden diese Fenster geöffnet?“, „Muss ich auch die Tür ausschneiden?“, „Was machen wir, wenn wir fertig sind?“ Architekt Lauren]iu Stoian, „Herr Lauren]iu“, wie ihn die Schüler nennen, beantwortet mit viel Geduld jede einzelne Frage. „Die Schüler sollen mehr über die Stadtlandschaft und die Nachhaltigkeit lernen“, sagt er. „Das ist sehr wichtig, denn das bauliche Umfeld charakterisiert eine Gemeinschaft“, fügt er hinzu. Zusammen mit der Architektur-Studentin Cristina Ungur geht er wöchentlich ins Lenau-Internat, um in dem kleinen Raum den Kurs für die dritte Klasse zu halten.
Am meisten gefällt es den Schülern, wenn sie Praktisches verrichten müssen. Richtig froh waren sie aber vor allem über die Ausflüge, bei denen sie Häuserfassaden und öffentliche Plätze mit kritischem Auge betrachten sollten. „Kinder haben einen ausgeprägten Beobachtungssinn und ihre Antworten überraschen uns oft, im guten Sinne“, betont Architekt Stoian.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten zur Zeit an 3-D-Häuschen aus Karton, die – zum Kursende – zusammen einen kleinen Stadtteil bilden werden.