Virgil Mateiu hat in der Nacht schlecht geschlafen. Am morgen liegt er krank in seinem Bett und macht sich Sorgen. In wenigen Stunden muss auf er auf einer Hochzeit sein. Der Termin seit Wochen gebucht, sein plötzlicher Krankheitszustand unerwartet. Er würde jemand anderen an seiner Stelle schicken, doch so kurzfristig möchte niemand für den Fotografen einspringen. Verzweifelt wendet er sich an seine Söhne Alex und Andrei. Seit ihr Vater sich eine digitale Spiegelreflexkamera gekauft hat, spielen sie ständig damit herum. Immer wieder haben die beiden, besonders Alex, Virgils Nikon D70 ausgeliehen, um damit Bilder zu machen. Sie kennen das Gerät gut und haben auch das Talent von ihrem Vater geerbt. Wovon sie keine Ahnung haben, sind Hochzeiten, obwohl Virgil Mateiu damit sein Geld verdient. Darum trifft sie die Bitte ihres Vaters wie ein Schlag. Sie sollen an seiner Stelle zur Hochzeit gehen und die Bilder machen. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser für Alex und Andrei, die als Kinder nur ein Paar mal ihrem Vater bei der Arbeit begleiteten. Doch was wussten sie damals schon? Sie wollten lieber spielen, als Virgil über die Schultern zu schauen.
Selbstbewusst und mit einem breiten Grinsen sitzt Alex acht Jahre später in einem Cafe und erzählt die Geschichte von seinem ersten Auftrag, so als wäre es gestern gewesen. Sein Zwillingsbruder Andrei sitzt daneben und ergänzt, wenn Alex von ihrem Beruf sprechen. Mit 16 dachten sie nicht daran, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten würden und sie dachten auch nicht, dass sie so erfolgreich sein werden. Alex und Andrei wurden von der „Wedding Photography Association“ (WPPI) ausgezeichnet. Der international führende Verband für Hochzeitsfotografen vergibt jedes Jahr Preise an die besten Hochzeitsbilder. Die Brüder hatten sich für den Wettbewerb beworben und erhielten einen „Award of Excellence“. Erstmals in der Geschichte der WPPI ging eine Auszeichnung an einen rumänischen Fotografen. „Wir sind stolz auf diesen Preis“, so Alex. „Es spornt uns an, so weiterzumachen, wie bisher.“
Fleiß und Talent gehören zum Rezept
Es war harte Arbeit und nicht nur Talent, die sie soweit brachte. Seit jenem ereignisreichen Samstag, als Alex alleine eine Hochzeit fotografieren musste, hat er und sein Bruder immer mehr Aufträge angenommen. Dabei ist das Geschäft knochenhart, weil es sehr viele Fotografen in Timişoara/Temeswar gibt, die auf Hochzeiten gehen, um Bilder zu machen. Bei der harten Konkurrenz müssen die beiden ihre Arbeit für sich sprechen lassen, besonders weil sie auf Qualität setzen statt auf billig. Viele Berufsfotografen, machen es nur als Nebenerwerb und können darum deutlich flexibler sein. Sie können deutlich weniger Geld für einen Auftrag verlangen, weil es nicht ihre Haupteinnahmequelle ist. Da müssen die beiden Brüder Kunden von dem Aufwand aber auch von dem besseren Ergebnis überzeugen. Darum können sie sich keine Kompromisse erlauben. „Weil sich das in unserer Arbeit widerspiegelt.“
Doch viele Kunden achten nicht darauf, sondern schauen lieber auf das Geld. Genau wie in anderen Branchen in Rumänien zeigen sich auch hier die Kunden eher stur. „Viele lassen sich einfach nicht belehren“, so Andrei. „Und zwar nicht nur von uns. Sie informieren sich einfach nicht und haben keine Ahnung. Sie können zwischen einem guten und einem schlechten Bild nicht unterscheiden. Und wenn es für sie egal ist und der Preis eine wichtigere Rolle spielt, dann können wir nichts machen.“
In diesen Situationen müssen die Brüder eine schwierige Entscheidung treffen: Sie müssen den Auftrag ablehnen, eben aus Respekt vor ihrer eigenen Arbeit. Das betrifft nicht nur Hochzeitsfotografie sondern auch andere kommerzielle Aufträge.
„Leider gibt es auch keine klar definierten Regeln bei uns“, meint Alex. „In westlichen Ländern kann nicht jeder Hochzeitsfotograf werden. Er muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Bei uns kann es jeder machen, der sich eine teure Kamera kauft.“
In Deutschland ist die Berufsbezeichnung Fotograf geschützt. Wer Berufsfotograf werden möchte, muss sich in einem fotografischen Betrieb ausbilden lassen. Man kann in einer Werbeagentur als Praktikant anfangen oder in einem Museum oder Studio. Solche Bedingungen stellt niemand in Rumänien.
Das kann für Alex und Andrei frustrierend sein, weil das auch zur falschen Einstellung bei jungen Fotografen führt, die in dem Geschäft Fuß fassen möchten. Selbst sie hatten Anfragen von anderen, die bei den zwei in die Lehre gehen wollten. „Wir hätten sie gerne genommen, aber die Ansprüche waren übertrieben hoch.“ Die meisten verlangen einen hohen Praktikumsgehalt, obwohl ihnen nicht nur die Erfahrung sonder auch die notwendigen Kenntnisse fehlen. „Da muss man sich entscheiden: Möchte ich etwas lernen oder möchte ich Geld gewinnen?“
Übung macht den Meisterfotografen
Auch die beiden Brüder nehmen noch regelmäßig an Werkstätten und Seminaren teil. „Viele schämen es zuzugeben oder lehnen Fortbildungen grundsätzlich ab, mit der Begründung, sie wüssten schon alles.“
Ihr erster Lehrer, Virgil Mateiu, übt sich auch heute noch als Berater, obwohl inzwischen der Generationsunterschied zum Hindernis wird. „Unser Vater hat andere, schwierige Zeiten erlebt. Früher hat man wegen dem Aufwand weniger Bilder geschossen. Du musstest eine Ahnung davon haben, welche Rollfilme am geeignetsten sind. Es hängt immer von den Lichtverhältnissen ab. Außerdem konntest du damals nicht sofort sehen, wie das Bild herausgekommen ist“, erklärt Alex. „Unser Vater würde von einer Hochzeit morgens um fünf nach Hause kommen und sofort in der Dunkelkammer verschwinden, um die Fotos zu entwickeln“, ergänzt Andrei. „Er konnte sonst nicht ruhig schlafen, eher er sicher ging, dass etwas geworden ist.“
Reichten früher einige Dutzend Bilder, müssen es heute Hunderte sein. Auch setzen die beiden auf die Nachbearbeitung der Bilder. Mehr als die Hälfte ihrer Arbeit geschieht in Photoshop. „Das ist aber keine Regel“, erklärt Alex. „Wir arbeiten gerne so.“
Bevor ihn sein Vater auf Hochzeiten schickte, bearbeitete Alex die Fotos seines Vaters. „Ich hatte gehofft, dass ich durch die Bilder eine Ahnung davon habe, wie es während und nach der Hochzeit vor sich geht und dass ich dadurch weiß, wie ich mich Vorort verhalten muss.“
Neuausrichtung und Zukunftstraum
Der „Award of Excellence“ hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Vor einigen Wochen haben die beiden ihre Portfolio-Seite im Internet neu aufgelegt. Andrei hat sein Studium abgeschlossen und möchte sich gemeinsam mit seinem Bruder ganz dem Familiengeschäft widmen. „Unser Traum ist es, in Temeswar ein Studio mit mehreren Angestellten zu haben, aber Aufträge aus aller Welt anzunehmen“, schwärmt Alex. „Wir wollen nicht von hier weg,“ so Andrei.
Sie sprechen von großen Zielen, erinnern sich aber auch immer wieder gerne daran, wie sie noch vor acht Jahren von ihrem Vater ins kalte Wasser geworfen wurden und so diese Karriere eingeschlagen haben. Es war aber nicht der Zufall, der aus Alex und Andrei Mateiu Berufsfotografen machte. Schon ihre Mutter, die als junges Mädchen Glückwunschkarten malte und verkaufte, hatte ihren Vater davon überzeugt, den beiden eine Nikon D50 zu kaufen – die erste Kamera der Brüder. Damals noch unter den Vorwand, die Jungs sollten ihre Reisen dokumentieren. Zwölf Jahre tanzten Alex und Andrei in der deutschen Volkstanzgruppe „Banater Rosmarein“ mit, bis ihre Leidenschaft für Fotografie zum Beruf wurde und keine Zeit für andere Aktivitäten blieb.
„Ich war damals so aufgeregt“, erinnert sich Alex an seinen ersten Auftrag. „Heute sind wir der Ansicht, dass, wenn man wirklich gut sein will, acht Arbeitsstunden nicht ausreichen. Sie sind das Minimum. Wenn man wirklich herausragend sein will, muss man mehr Zeit investieren. Aber das merkt man kaum, wenn du es Leidenschaft machst.“
Dann kann auch nichts schief gehen, selbst mit dem Traum vom internationalen Erfolg.