Wenn man über etwas sagt, dass es „Folgen haben wird“, dann ist das ganz bestimmt nicht positiv gemeint. Ganz im Gegenteil: Die „Folgen“ sind sicherlich keine guten und bestimmt nicht mit Freude verbunden. Erna Hennicot-Schoepges und Beatrice Ungar beweisen in ihrem Buch, dass es auch anders geht. Nämlich, dass auch eine Erfolgsgeschichte Folgen haben kann – und gute noch dazu. So nennt sich auch das Buch der Luxemburger Politikerin und der Hermannstädter Journalistin, das 2015 im Honterus-Verlag in Hermannstadt erschienen ist und zu Jahresbeginn auch in Temeswar vorgestellt wurde. Bereits im Vorwort greift auch Präsident Klaus Johannis das Thema des negativ besetzten Syntagmas „Das wird Folgen haben“ auf. Johannis war Bürgermeister in Hermannstadt, als die siebenbürgische Stadt – zusammen mit Luxemburg – 2007 den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ bekam.
Und gerade darum geht es in dem Buch „Erfolgsgeschichte mit Folgen. Leseproben einer Seelenverwandtschaft II“ von Erna Hennicot-Schoepges und Beatrice Ungar. Der Band schildert das Kulturhauptstadt-Jahr 2007 in Hermannstadt und Luxemburg, und wie es überhaupt geschehen konnte, dass bereits 2006, noch bevor Rumänien in die EU kam, die Entscheidung für Hermannstadt gefallen war. Die beiden Städte sind seit Jahrhunderten seelenverwandt – ein Teil der deutschen Siedler, die im zwölften Jahrhundert in Siebenbürgen ansässig wurde, stammte nämlich aus Luxemburg (daher auch die Sprachähnlichkeiten zwischen Siebenbürger Sächsisch und Letzeburgisch). Der erste Teil des Buches ist als Ping-Pong-Interview zwischen der Luxemburger Politikerin und der Hermannstädter Journalistin strukturiert. Ausgehend vom Kulturhauptstadtjahr 2007 erfährt der Leser vieles über das Rumänien von gestern und heute. Angesprochen werden unter anderem Themen wie Kommunismus, Identität, Minderheiten, Sprache, Integration und Medien. In den Vordergrund rückt auch die Roma-Problematik, aber auch jene der deutschen Minderheit in Rumänien. Dass sich die beiden Gesprächspartnerinnen sehr gut kennen, dass sie wohl auch eine Freundschaft verbindet, ist ebenfalls zwischen den Zeilen herauszulesen. So geben sie auch einige Dinge aus der persönlichen Familiengeschichte preis (Beatrice Ungar erzählt, mit viel Humor, wie ihre Familie – und die Rumänen allgemein - im Kommunismus gelebt haben) – was die Leser umso mehr an die Lektüre fesselt. Woher die Idee der Europäischen Kulturhauptstadt stammt, was man in der EU und laut UNO unter „Kulturbegriff“ versteht und wie die Europäische Union laut Gesetzen mit Flüchtlingen umzugehen hat, erfahren Bücherfreunde ebenfalls.
Der zweite Teil des Bandes besteht aus Statements, Interviews und Porträts. Zu Wort kommen der ehemalige rumänische Kulturminister, der Bukarester Schauspieler Ion Caramitru, der als erster ein Alarmsignal zur Rettung des siebenbürgisch-sächsischen Erbes gezogen hat, der Schauspieler und Theaterwissenschaftler Constantin Chiriac - Intendant des Radu-Stanca-Nationaltheaters in Hermannstadt, wie auch Charles Muller, Direktor des Stadttheaters Esch in Luxemburg, der für zwei Inszenierungen am Hermannstädter Radu-Stanca-Nationaltheater zuständig war. Ihre Eindrücke über das Kulturhauptstadtjahr 2007 schreiben George Calteux, Luxemburger Kunsterzieher und Verwaltungsdirektor, Guy Dockendorf, ehemaliger Generaldirektor des Luxemburger Kulturministeriums, der Architekt Hermann Fabini und der Luxemburger Schauspieler und Regisseur Daniel Plier nieder. Die Menschen, die sich dazu äußern, wurden mit viel Sorgfalt ausgewählt – und scheinen eine besondere Beziehung zu Hermannstadt zu haben.
„Erfolgsgeschichte mit Folgen. Leseproben einer Seelenverwandtschaft II“ ist ein Buch, das sich aufgrund der freien Dialoge sehr leicht liest, das die Lesenden aus Rumänien hinter die Kulissen des Kulturhauptstadtjahres 2007 blicken lässt und jenen aus Luxemburg bzw. aus dem Ausland vieles über die Geschichte Rumäniens und der deutschen Minderheit, aber auch über kulturpolitische Entwicklungen im südosteuropäischen EU-Land verrät. Für die Akteure der vier rumänischen Städte, die sich aktuell um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2021“ bewerben, sollte die Lektüre auf jeden Fall ein Muss sein.