Im Frühsommer gab er den Erwerb des etwa fünf Hektar großen Grundstücks der ehemaligen ILSA-Fabrik von der in Konkurs gegangenen Unternehmensgruppe Tender bekannt, nun will der Temeswarer Geschäftsmann Ovidiu Şandor mit der Bebauung des brachliegenden Geländes beginnen. Auf dem Take-Ionescu-Boulevard, zwischen dem Sitz der Temescher Kreispolizei und dem Verwaltungsgebäude der Städtischen Verkehrsbetriebe RATT, soll das erste Bürogebäude entstehen. 16.000 Quadratmeter hochmoderne Bürofläche sind in der ersten Entwicklungsetappe vorgesehen. Im Anschluss könnten, sollte die entsprechende Nachfrage vorhanden sein, zusätzliche 34.000 Quadratmeter gebaut werden. Das ganze Ensemble trägt den Namen Isho, Entwickler ist [andors Unternehmen Mulberry Development. Die geplanten Investitionskosten liegen bei 130 Millionen Euro, die von verschiedenen Banken zur Verfügung gestellt werden, teilweise aber auch aus eigenen Quellen bestritten werden.
In Richtung Bega-Ufer, auf dem Splaiul Protop Meletie Drăghici (ehemals Nistrului), plant Şandor dann Wohnhäuser, bis 2021 will der Unternehmer 1.200 Wohnungen bauen lassen. Ein Teil davon wird auf eine ebenfalls geplante Parkanlage blicken, ein anderer wird zur Bega hin gebaut. Am teuersten werden wohl Penthouse-Wohnungen mit einer bewohnbaren Fläche von 150 bis 200 Quadratmetern sein. Der Wohnanlage werden laut Planung ein Fitness- und Wellness-Zentrum, ein Schwimmbecken, ein 7.500 Quadratmeter großer Park, Kinderspielplätze, ein Kindergarten, eine Schule, ein Supermarkt, Arztpraxen, Bankfilialen und Apotheken angegliedert. 2.000 Parkplätze sind ebenfalls vorgesehen, im Erdgeschoss der Bürohäuser sollen Cafés, Restaurants und Kunstgalerien auch nach Feierabend für einen lebendigen öffentlichen Raum sorgen. Şandor plant des weiteren ein Konferenzzentrum.
Die Bauzeit soll drei bis vier Jahre betragen, im Kulturhauptstadt-Jahr 2021 müsste das gesamte Ensemble den Betrieb bereits aufgenommen haben. Das ehrgeizige Projekt könnte dem heruntergekommenen Temeswarer Stadtteil Fabrikstadt den nötigen Aufwärtsimpuls geben, die Preise der Immobilien im näheren Umfeld, auch der alten Bausubstanz rund um den Heumarkt/Piața Badea Cârţan sowie auf dem gegenüberliegenden Bega-Ufer, in Richtung Trajansplatz, dürften steigen und zur bereits von der Ciuhandu-Verwaltung anvisierten Gentrifizierung des Stadtteils führen. Das von Şandor geplante Projekt liegt günstig an der Ausfallstraße Richtung Flughafen und Autobahn nach Lugosch, ist jedoch relativ nahe sowohl an der Innenstadt (die Zeitentfernung zu Fuß zum Domplatz dürfte 15 Minuten betragen), als auch an dem Kern der Fabrikstadt, dem architektonisch wertvollen Trajansplatz.
Şandors Firma hat im Sommer das 5,3 Hektar große Grundstück von der Unternehmensgruppe des inzwischen im Gefängnis sitzenden Ovidiu Tender erworben. Dieser hatte Ende der 1990er Jahre die ehemalige Woll- und Textilfabrik ILSA vom Staat gekauft. Tender hatte ebenfalls vor, auf dem Grundstück Büro- und Wohnhäuser zu bauen, doch allzuweit brachte er es nicht. Die vor 1989 gebauten Werkhallen ließ Tender zunächst abreißen. Drei kleinere Wohnhäuser baute er dann am Bega-Ufer, auf dem Take-Ionescu-Boulevard ragt allerdings noch immer eine mehrstöckige Bauruine in den Himmel, die Tender nicht mehr fertigstellen konnte. Mitte 2015 verurteilte der Bukarester Appellationshof Ovidiu Tender rechtskräftig zu 12 Jahren und sieben Monaten Gefängnisstrafe in Zusammenhang mit der Privatisierung der Fabrik Carom Oneşti, Rumäniens einzigem Hersteller von synthetischem Kautschuk. Ihm wurden Geldwäsche und Betrug nachgewiesen.
Ein Jahr danach konnte Ovidiu [andor das ILSA-Grundstück kaufen. Ein hässliches Stück Brachland mitten in Temeswar könnte jetzt aus dem Stadtbild verschwinden, die von Șandor kürzlich vorgestellten Bilder des neuen Projekts lassen ein zeitgemäßes, umweltschonendes und energiesparendes Konzept vermuten. Dieses hat der Temeswarer Unternehmer bereits erprobt, sein Unternehmen baute zunächst das Timi{oara City Business Centre am 700er Markt und dann in Klausenburg/Cluj-Napoca unter dem Namen The Office Siebenbürgens modernstes Büro-Ensemble. Beide Objekte gehören mittlerweile dem südafrikanischen Immobilienfonds NEPI.
Mit dem ersten Spatenstich für das Isho-Ensemble verschwindet alsbald ein inzwischen hundertzehnjähriges Industriesymbol aus dem kollektiven Gedächtnis der Temeswarer. Deshalb sei kurz an die Geschichte der ILSA erinnert: Die Temeswarer ILSA-Fabrik (Industria Lânii S.A.) wurde 1905 gegründet. Dazu schreibt Temeswars letzter deutscher Bürgermeister Josef Geml in seinem Buch „Alt-Temesvár im letzten Halbjahrhundert 1870 – 1920” (Neuauflage: Banat Verlag, Erding, 2010): „Hervorragend unter den neuen Fabriken Temesvárs ist die der Wollindustrie Aktiengesellschaft. (...) Im Juli 1905 haben Eduard Ritter von Vest und Konsorten, in deren Reihe sich die hervorragende Budapester Firma Ignatz Deutsch und Sohn befand, der Stadt angemeldet, dass sie hier eine Kammgarnspinnerei mit 2000 Spindeln zu errichten beabsichtigen, wozu sie 460.000 Kronen investieren und mit einem Betriebskapital von 600.000 Kronen die Fabrik mit 100 Arbeitern beginnen wollen. (...) Die eigentliche Vergrößerung und das Aufblühen der Fabrik begann mit der Tätigkeit des im Jahre 1910 von der Firma Ignatz Deutsch und Sohn hierher delegierten Direktors Rudolf Totis, der im nächsten Jahre das Unternehmen mit einer Weberei, Färberei und mit einer Appreturwerkstätte erweiterte (...). Die Anzahl der Beamten und Werksleiter war acht und ist auf 120, die der Arbeiter von 80 auf 1800 gestiegen. Die Anzahl der Spindeln ist von 3000 auf Millionen, die der Gebäude von drei auf 20 gestiegen.”
Übrigens, Eduard Ritter von Vest und Rudolf Totis waren angesehene Bürger Temeswars, die sich um die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und des Banats zahlreiche Verdienste erworben hatten. So zum Beispiel wurde Eduard Ritter von Vest, Präsident der Temescher Handelskammer und Direktor der hiesigen Sparkasse, 1914 mit den Titeln eines königl. ung. Hofrats und eines Barons de Temesvár ausgezeichnet, ferner trug er zahlreiche Orden, neben den österreichisch-ungarischen, auch je einen preußischen, sächsischen, türkischen, serbischen und rumänischen. Rudolf Totis, Direktor der Wollindustrie AG, erwarb 1918 das 1909 bis 1910 nach Plänen des Stadtarchitekten László Székely errichtete Zinspalais des städtischen Pensionsfonds und ließ es nach seiner Frau in Stefania-Palais umbenennen.
1948 wurde die ILSA-Fabrik verstaatlicht, der gesamte Betrieb wurde zwischen 1970 und 1975 grundlegend modernisiert. Vor der Wende beschäftigte ILSA etwa 1000 Arbeiter, vor allem Frauen. Von der vergangenen Glorie zeugen nur noch drei Gebäude auf dem Take-Ionescu-Boulevard, die noch vor dem Ersten Weltkrieg gebaut wurden und der Betriebsleitung als Wohnhäuser gedient hatten. Während des Kommunismus hatte man dort unter anderem den werkeigenen Kindergarten untergebracht, die Häuser wurden als Baudenkmäler eingestuft, Tender ließ sie sanieren und vermieten, die Werkhallen aber abreißen. Nicht abreißen konnte Tender jedoch ein vor der Wende gebautes mehrstöckiges Wohnhaus für das ILSA-Personal, seine Evakuierungsversuche scheiterten. Schließlich verkaufte er die Appartements an die ehemaligen Mieter.