Der Menschenrechtler und Journalist Árpád Szöczi schleuste 1989 zwei Journalisten ins Land, die in Temeswar mit dem evangelisch-reformierten Geistlichen László Tőkés ein Interview führten. Dieses löste eine Lawine von Ereignissen aus, die letztendlich im Volksaufstand in Temeswar mündeten. Szöczi hat sieben Jahre über die Revolution 1989 recherchiert und stellt die Ereignisse in seinem Buch aus Sicht der Ungarn vor. Auf Einladung der Universitätsbibliothek sowie des Deutschen Kulturzentrums stellte der Journalist die rumänische Fassung des Buches Anfang November in Temeswar vor. BZ-Redakteur Robert Tari sprach nach der Buchvorstellung mit Árpád Szöczi über seine Recherchearbeit und ihre Ergebnisse.
Sie haben ein Buch geschrieben das von der rumänischen Revolution aus ungarischer Sicht handelt. Sie haben es „Temeswar - die Wahre Geschichte hinter der rumänischen Revolution“ genannt. Einige Besucher störten sich daran. Wie deuten Sie die Reaktionen auf ihr Buch?
Ich kann nichts dafür, dass sich die Menschen am 16. Dezember 1989 um das Haus von László Tökés versammelt hatten und nicht um das eines anderen Regimekritikers, zum Beispiel Mircea Dinescus Wohnung in Bukarest. Das ist nie geschehen. Was passiert ist, hatte mit Tökés zu tun und ich habe lediglich darüber geschrieben. Es ist ein heikles Thema, äußerst empfindlich, ich weiß, dass viele Leute ein Problem mit ihm haben, aber ich bin dafür nicht verantwortlich. Ich schreibe einfach, was ich recherchiert habe. In meinem Buch werden neue Informationen enthüllt, die davon handeln, wie der ungarische Geheimdienstes in Rumänien agiert hat und es geht um das Geheimabkommen zwischen Gorbatschow, Ungarn und Polen über Rumäniens Zukunft.
Sie haben auch ein Interview gezeigt, dass sie für die Deutsche Welle mit dem ehemaligen ungarischen Premierminister, Miklós Németh, geführt haben. Er enthüllt seine Beziehung zu Gorbatschow, zu Ceausescu und spricht über die angespannte Beziehung zwischen Rumänien und seinem Nachbarland. Über diese Enthüllungen schreiben Sie ausführlich in Ihrem Buch.
Der ungarische Geheimdienst war sehr aktiv in Rumänien. 1989 hat Miklós Németh ungefähr 40 Agenten nach Rumänien geschickt, damit sie die politische Lage vorort beobachten sollen. Sie haben Telefone verwanzt und ein Netzwerk aufgebaut, um so die Unterredungen der Securitate-Offiziere abzuhören. Das lieferte nützliche Hinweise auf den Verbleib von Securitate-Offizieren sowie ihrem Modus Operandi. Von diesen Informationen profitierte später auch die Armee. Als die Revolution ausbrach, leitete der ungarische Geheimdienst die Information an die rumänische Armee weiter, damit sie wissen konnten, woher die Securitate-Offiziere schossen. So konnten sie gezielt gegen die Securitate vorgehen und dem Spuck ein Ende setzen.
Sie sind Kanadier mit ungarischen Wurzeln. Woher das Interesse für die rumänische Revolution?
Mein Vater war Budapester, aber auch zur Hälfte Szekler. Darum wusste ich ganz genau was es mit dem Vertrag von Trianon auf sich hat und was in Rumänien passiert. Nicht nur mit der ungarischen Minderheit. Alle haben unter Ceau{escus Diktatur gelitten. Ich fand es ungerecht, was in Rumänien passierte und wollte meinen Beitrag leisten und helfen. Ich traf dann 1985 einen Amerikaner, der ebenfalls ungarische Wurzeln hatte, er war Leiter einer Menschenrechtsorganisation und ich habe ihm gesagt, wir könnten zusammen arbeiten. Wir haben dann 1989 eine Geheimmission aus Kanada gestartet – wir schleusten zwei Journalisten nach in das Land, sie wurden nach Temeswar geschickt und haben dann, im Geheimen ein Interview mit László Tökés geführt, das später in Budapest ausgestrahlt wurde, weswegen er seine Stelle verlor und es letztendlich zur Zwangsumsiedlung kam, dem Ausgangspunkt der Rumänischen Revolution, die am 15. Dezember begann. Gott sei Dank hat die Revolution geklappt und Rumänien ist heute frei. Wie glücklich Rumänien ist, weiß ich nicht, wenn man sich anschaut was sich in diesen Tagen in Bukarest abspielt ist es wirklich traurig.
Sie haben sieben Jahre lang für das Buch recherchiert. Ihre Arbeit und ihr Kampf gegen den Sozialismus hat sie unbeliebt gemacht. Sie hatten auch eine Akte, die der ungarische Geheimdienst über sie angelegt hat, obwohl sie kanadischer Staatsbürger sind und in Kanada lebten. Die Akte soll sehr genau gewesen sein, haben Sie gesagt. Wie ist es für Sie?
Der ungarische Geheimdienst war sehr akkurat und ist es wahrscheinlich immer noch. Die haben nur über Tatsachen geschrieben: Dass ich das so und so mache und mein Vater etwas anderes macht. Alles war sehr logisch und akkurat und präzise. Das hat mich nicht gestört. Ich bin nur neugierig wer mich bespitzelt hat. Aber es ist egal, ich habe eine sehr dünne Akte, mein Vater hat eine dickere Akte. Nur nicht wegen Ceau{escu und der Aktion mit dem Interview. Es ging weniger um meine Untergrundaktionen. Es ging viel mehr darum, dass er Flüchtling war. Es ist 1951 aus Ungarn geflohen und davon handelt seine Akte. Aber das stört mich überhaupt nicht. Was mich stört, ist, dass ich im Geheimarchiv der Securitate keine einzige Akten anschauen durfte. Zum Beispiel meine eigene Akte, wenn es denn eine solche Akte gibt. Aber die Akte meines Komplizen ist nicht zugänglich und ich weiß dass sie riesengroß und dick war, weil einmal ein ehemaliger Securitate-Offizier es mir gesagt hat. Aber ich weiß auch, dass die Menschen, die in den Securitate-Archiven arbeiten, sehr unter Druck stehen. Die kämpfen sich durch. Ich wünschte diesen Leuten nur das Beste, ich kenne sie, ich war elf mal dort und es ist schwierig. Rumänien im Allgemeinen ist schwierig.
Können Sie mir etwas über die rumänische Übersetzung sagen.
Ich habe das Buch ursprünglich auf Englisch geschrieben, weil ich in Kanada eine englischsprachige Schule besucht habe. Es gibt keine deutschen oder ungarischen Schulen dort, darum ist Englisch auch meine stärkste Sprache. Die ungarische Fassung habe ich zum Teil geschrieben, aber das meiste wurde von einem Kollegen aus Oradea übersetzt und die rumänische Version ist von einigen Kollegen übersetzt worden, mit denen ich bei der Deutschen Welle arbeite. Ich habe auch andere Leute gebeten, die rumänische Fassung gegenzulesen. Insgesamt haben sich fünf Leute die Übersetzung angeschaut. Es gibt so viele Akzente im Rumänischen, man muss das machen, weil ein Fehler so einfach erscheinen kann, wahrscheinlich gibt es auch einige Tippfehler, aber wir haben solange daran gearbeitet, dass ich froh bin, dass es zustande gekommen ist.