Die elfte Auflage des Weltmusik-Festivals PLAI ist am Wochenende in Temeswar über die Bühne gegangen. Weltberühmte Künstler und zahlreiche Aktivitäten sollten auch in diesem Jahr Hauptanziehungsgrund für Tausende Festivalbesucher am Rande von Temeswar sein und für die spezifische PLAI-Stimmung im Banater Dorfmuseum sorgen.
Das PLAI-Festival ist das größte europäische Weltmusik-Festival, das ausschließlich von Freiwilligen veranstaltet wird. Es ist zugleich das erste rumänische Festival, das es bis ins Finale des European Festival Awards geschafft hat und an drei darauffolgenden Jahren unter den Finalisten war. PLAI gewann 2008 den Charlemange-Preis für junge Europäer für das beste multikulturelle Projekt in Rumänien. 2016 hatte das Festival drei Tage und einen Konzertbonus, d.h. sechs Konzerte mit World Music, Jazz und Fusion sowie Aufführungen von drei Theatergruppen, 45 Kulturpartner und über 200 kulturelle Aktivitäten.
Auftritte von internationalen Musikern, wie die Soulsängerin Joss Stone, die Rocklegende Bob Geldof, aktuelle Charthits-Durchbrecher Milky Chance, weniger bekannte Künstler wie Oi Va Voi oder Marinah y Chicuelo oder das außergewöhnlich gute Wetter mit hohen Temperaturen konnten jedoch in diesem Jahr die Besucher nicht hundertprozentig zufrieden stellen. Es hat was gefehlt – die bekannte PLAI-Stimmung war heuer für die tausenden Besucher an den insgesamt vier Tagen des Festivals nicht so richtig zu spüren.
Letztes Jahr feierte PLAI sein zehnjähriges Jubiläum. Damals wollten die freiwilligen Veranstalter von der Musik ablenken und eher die Stimmung des Festivals und die zusätzlichen kulturellen Tätigkeiten fördern. Kein einziger Künstler wurde vor dem Festival angekündigt – die Besucher sollten die Künstler vor Ort, im Licht der Scheinwerfer, entdecken. Argatu, Everlast, Koop Oscar Orchestra waren u.a. die musikalischen Überraschungen 2015, die nicht enttäuscht haben. Auch damals betonten die Organisatoren, dass PLAI mehr als ein Musikfestival sein sollte. So sollten die Besucher die zahlreichen Tätigkeiten während des Tages entdecken – an verschiedenen Workshops, Theater- und Filmvorführungen teilnehmen. Die Musik sollte bloß ein Bonus sein.
Dieses Jahr haben die Veranstalter die Künstler nicht mehr geheim gehalten. Sie wurden bereits Monate davor angekündigt und sollten dafür sorgen, dass Musikbegeisterte wieder eine Vielfalt von Musikstilen und Einflüssen unter dem allgemeinen Begriff „World Music“ – Weltmusik - entdecken.
Das Dorfmuseum öffnete seine Tore in diesem Jahr einen Tag früher als üblich mit einem „Teaser“ zum Festival. Am Donnerstag trat die britische Soulsängerin Joss Stone auf die Bühne. Die junge Sängerin und Schauspielerin hat mir 29 Jahren eine reiche Karriere hinter sich, Grammy-Nominierungen und eine umfangreiche musikalische Zusammenarbeit mit Musiklegenden, darunter Mick Jagger, Al Green, Patti Labelle und Bob Geldof. Etwas schüchtern waren die Zuschauer am Anfang – Grund dafür war wahrscheinlich die sanfte Musik oder die Tatsache, dass sie nicht die Lieder kannten. Doch Joss Stone gab nicht nach: Sie stieg barfuß von der Bühne ab, ging mitten ins Publikum, ließ das Mikro runter und sang für einige Minuten mit voller Stimme unter den Anwesenden. „Ich kann ohne Mikro doch nicht lauter als ihr alle zusammen sein“, sagte sie und brachte dann sogar die schüchternen und hartnäckigsten Zuschauer dazu, mindestens aus Respekt vor ihr, mitzusingen. Ihr Auftritt erwies sich letztendlich als erfolgreich. Doch sie gewann die Herzen aller Temeswarer, nachdem sie sich entschied, einen Tag länger in der Bega-Stadt zu bleiben, die Stadt ein näher kennenlernen und sich das Festival anzuschauen. Eine kurze Videoaufnahme, auf der Joss Stone im Park hinter der orthodoxen Kathedrale zusammen mit dem rumänischen Folklore-Rapper Mc Bean „Frunzuliţă iarbă deasă“ singt, bekräftigt das.
Highlight am Freitag war bei PLAI das deutsche Folktronica-Duo Milky Chance. 2014 konnten die Berliner Musiker mit ihrem Debüt-Hit „Stolen Dance“ die Charts erobern und wurden weltweit bekannt. Für Musikliebhaber war aber der Auftritt der Rocklegende Bob Geldof das meisterwartete Ereignis bei PLAI. Der irische Rockmusiker, der neben seiner musikalischen Karriere seit den 1980er Jahren auch für die Initiierung der Live-Aid-Konzerte bekannt wurde, trat am Sonntag Abend bei PLAI auf.
Der letzte Festivalabend war eher ruhig – Marinah y Chicuelo und Oi Va Voi traten auf die Bühne im Dorfmuseum, dabei herrschte eher eine gelangweilte Stimmung auf dem Festivalgelände. Die Zuschauer lagen entspannt auf den Holzpaletten oder versammelten sich auf dem Areal mit den kleinen Imbissbuden und Freilichtbars und versanken in Gesprächen mit ihren Freunden. Allein die Hälfte aller Zuschauer von den vergangenen Festivalabenden sah sich die Konzerte auf der Bühne an.
Eines größeren Erfolgs als die Auftritte auf der großen World-Musik-Bühne erfreuten sich die Afterpartys mit Techno- und Elektromusik. Es scheint so, als ob sich das Temeswarer Publikum nach mehr sehnt. Ob die neue Festivalleiterin, Deea Rădulescu, dies auch so empfunden hat, wird sich bei der kommenden Auflage zeigen.