Seit September 2013 arbeitet Linda Moog am Deutschen Staatstheater Temeswar als Sprecherzieherin. Die Berlinerin hilft den Schauspielern mit der Aussprache aber auch bei der Vorbereitung der Rollen. Sie wirkte bereits als sprecherzieherische Betreuerin an den Produktionen „Jugend ohne Gott“, „Täter“, „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ , derzeit an dem für Ende Februar angesagten Musical „Cabaret“. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit ihr über die Arbeit am Deutschen Staatstheater Temeswar.
Wie ist es für Sie, in Rumänien als Sprecherzieherin zu arbeiten?
Es ist sehr spannend für mich. Ich habe in den letzten fünf Monaten viel gelernt und wichtige Erfahrungen gesammelt, die mich in meinem Beruf weiterbringen und mich sicherer gemacht haben. Der Spruch „Wer wagt, gewinnt“ stimmt wirklich. Ich wusste nicht, was auf mich zukommen wird und wie es in Rumänien denn sein wird. Das Umfeld, in dem ich nun bin, ist ganz spannend. Viele Menschen sprechen hier zwei bis drei Sprachen. Die Mischung von Kulturen und Interessen sowie die ganz verschiedenen Persönlichkeiten gekoppelt eben mit den Stimmen, bereichert meine Arbeit.
Wie verläuft die Arbeit?
Ich bin bei den Proben dabei. Ich halte mich zuerst zurück, weil der Regisseur vordergründig arbeitet. Ich mache mir Notizen, um nach den Proben die Schauspieler darauf hinzuweisen, woran wir noch arbeiten müssten, sei es ein Monolog oder ein bestimmter Dialog zwischen zwei Figuren. Ich erkläre ihnen dann, wo es bei der Aussprache hapert und wo es noch unklar ist, was sie mit den Untertexten wollen oder mit der Haltung. Dann vereinbaren wir ein Treffen. Ich beteilige mich oft den Proben und mache mir Notizen, und wenn mir manchmal was ins Ohr springt, versuche ich auch gleich während den Pausen die Schauspieler darauf aufmerksam zu machen. Ansonsten habe ich einzelne Stunden mit den Schauspielern, hauptsächlich wenn sie sagen, was sie für die bestimmte Rolle machen. Das ist die inszenierungsbezogene Arbeit. Dann bitte ich einmal die Woche eine Gruppenstunde für alle an, wo wir eine Einwärmung für die Stimme machen, den Körper lockern und breit machen, Resonanzen wecken, Stimm- und Atemübungen, Artikulationsorgane lockern, und ich bring dann einen Text mit, der mir persönlich gut gefällt und womit man gut arbeiten kann. Im Moment arbeiten wir mit Georg Büchners Erzählung „Lenz“. Wir haben dann eine Stunde zusammen, und wer kommen möchte, kommt und wer gerade keine Zeit hat, ist nicht verpflichtet.
Gibt es eine gegenseitige Beeinflussung zwischen den Regisseuren und Ihnen?
Es muss eine Beeinflussung geben. Viele Regisseure sind Sprecherziehern gegenüber skeptisch. Clemens Bechtel hat bisher mit Sprecherziehern viele schlechte Erfahrungen gemacht, weil der Sprecherzieher nicht Clemens ist und der Sprecherzieher dann auch nicht unbedingt aus bösem Willen aber weil er ein anderer Mensch ist und wenn man sich nicht abspricht, was völlig anderes macht. Ich habe am Anfang mir das auch angehört und ich weiß auch um dieses Problem. Ich habe aber mit Clemens gut zusammengearbeitet. Wir saßen oft zusammen, haben einen Kaffee getrunken, haben uns abgesprochen und er meinte, er findet, dass der oder der Schauspieler noch zynischer klingen müsste. Dass es ihm noch zu theatralisch wirkt, ob ich da nicht noch an mehr Nüchternheit arbeiten kann, aber das trotzdem Schärfe und Gefühl rauskommen. Manchmal kam ich mit einem Gegenvorschlag, den hat er dann auch gut gefunden hat oder wir diskutierten aus. Er hat mich also sehr gut einbezogen in die Arbeit. Ich habe mich auch sehr geehrt gefühlt, weil er auch Vorschläge angenommen hat. Wir haben gut zusammengearbeitet.
Womit haben die Schauspieler am meisten Probleme?
Es ist von Person zu Person sehr unterschiedlich, aber manche haben ein Problem mit dem Vokalneueinsatz. Es hat etwas mit der Melodie der Sprachen zu tun. Im Deutschen kommt der etwas Staccato klingende Rhythmus dadurch zustande, weil sie eine akzentzählende Sprache ist. Das charakterisiert sich dadurch, dass, wenn Vokale am Anfang von Worten stehen, diese immer mit einem neuen Vokaleinsatz beginnen. Das heißt, dass die Stimmlippen einmal eine kleine Sprengung erfahren, statt das sich das vorherige Worte in das neue bindet. Bindungen wie im Rumänischen gibt es im Deutschen nicht. Es gibt sie in anderen romanischen Sprachen wie dem Französischen oder dem Italienischen, weil das Silben zählende Sprachen sind. Dadurch wird die Melodie anders. Ich arbeite mit den Schauspielern häufig daran. Sowie an Endungen wie zum Beispiel beim Wort „Endungen“. Der Schwa-Laut ist meistens offener. Daran versuche ich mit ihnen zu feilen. Dann haben sie Schwierigkeiten mit den vielen Konsonantenclustern im Deutschen wie zum Beispiel „du schimpfst“, „es stinkt“, „du sprichst“. Wir machen Übungen, um Plosivlaut in den Griff zu kriegen. Aber wir arbeiten auch an der Interpretation von Texten. Ich finde es ganz wichtig, besonders wenn man mit Theatertexten arbeitet und seinen Körper in den Dienst einer Rolle stellen möchte. Die Erfahrung, die eine Figur macht, muss man an der eigenen anknüpfen können. Man muss die Durchlässigkeit von Körper und Stimme durch Gedanken, Untertexten und Haltungen füllen. Wenn sie wirklich denken, dann sitzt auch die Aussprache ganz gut. Ich hatte diese Erfahrung mit einer der Schauspielerinnen. Ich war mit der Aussprache nicht so zufrieden, weil ich sie stellenweise nicht verstehen konnte. Ich habe ihr dann gesagt, sie soll die Rolle wirklich ernst nehmen. Sie soll versuchen sich die Zeit zu nehmen, das was sie sagt, mitzudenken und zu fühlen. Sobald sie das gemacht hat, habe ich auf einmal alles verstanden. Die Konsonanten benutzte sie dann auf einmal automatisch, weil sie sie eben braucht, um ihren Gedanken auszudrücken