Dort wo sich die Füchse gute Nacht sagen, verschlägt es seit inzwischen 17 Jahren talentierte Musiker aus allen Ecken Europas und der Welt. Wie aus einem alten bayerisch-böhmischen Dorf ein Treffpunkt für Jazzliebhaber geworden ist, bleibt nur für diejenigen ein Rätsel, die niemals hochgefahren sind, im Wald gezeltet und dem regnerischen Juliwetter getrotzt haben. Es ist die Abgeschiedenheit und Ruhe des Ortes sowie die intime, fast vertraute Atmosphäre, die zum Erfolg und zur Langlebigkeit des Gărâna Jazzfestivals beigetragen hat. Hierhin kommen meist die, die guten Jazz hören wollen. Darum sind auch die Preise entsprechend hoch: 250 Lei kostet eine Festival- und 70 Lei eine Tageskarte. Wer mehr als einen Tag dort oben verbringen möchte, aber nicht die ganzen vier Festivaltage dabei sein kann, kann für 200 Lei ein Dreitageticket kaufen. Ganz schön pfeffrig besonders wenn eine Woche zuvor in Temeswar ein ähnliches Festival stattfand und man für die gesamten drei Tage nur 50 Lei zahlen musste. Hinzu kommen noch die Kosten für Transport und Unterbringung. Aber gerade deshalb machen es auch viele: Es ist nicht nur ein Festival im Herzen des Banater Berglandes, sondern auch Urlaub für manche.
Und schließlich kommt nach Wolfsberg nicht jeder: Das musikalische Angebot enttäuscht niemals. Vielleicht ist ein Jazzveteran wie Charles Lloyd weniger imponierend als jemand wie Kurt Elling, der dem Präsidenten schon vorgesungen hat. Doch der aus Tennessee gebürtige Saxofonist muss sich hinter niemanden verstecken. Schon als Teenager stand er auf der Bühne neben Größen wie B. B. King. Was Lloyd nicht alles gehört und gesehen hat. Diese Erfahrung kommt auch in seinen Auftritten herüber.
Dass guter Jazz nicht allein aus Amerika kommen muss, bewies der Pole Paweł Kaczmarczyk sowie die Dainius Pulauskas Group aus Litauen, der Norweger Bugge Wesseltoft und das Pianotrio In The Country ebenfalls aus Norwegen. Zurück nach Hause kehrte der Klarinettist Peter Wertheimer – ein Absolvent der Musikschule aus Temeswar. Wertheimer wanderte Ende der 1970er Jahre nach Israel aus, kehrt aber immer wieder zurück nach Rumänien, nimmt an diversen Festivals teil und spielte schon mit Johnny Răducanu, Eugen Gondi, und mit Adrian Enescu zusammen.
Jazz scheint zumindest ein Mittel gegen schlechtes Wetter zu sein. Schon während der ersten Auflage des internationalen Festivals JazzTM in Temeswar hatte es Nachmittags stark geregnet. Die Stürme legten sich aber auch bald wieder, pünktlich zum Programmauftakt des Festivals. Auch in Wolfsberg/Gărâna schien der Regen anfangs die Stimmung zu trüben. Doch die Abende blieben meistens trocken und, auch wenn für Sommerverhältnisse etwas kühl, meistens angenehm.
Was unangenehm ist und seit einigen Jahren die Stimmung trübt, ist der kommerzielle Aspekt des Festivals: die Essensbuden und Bierzelte im hinteren Bereich der Konzertwiese, wo man eine Stunde lang für Pfannkuchen und gegrillte Fleischprodukte Schlange stehen muss, zerstören die Atmosphäre. Nicht nur die Füchse sind hier gewieft, sondern auch die Einheimischen sowie andere, die ein Geschäft wittern und Lebensmittel zu überteuerten Preisen anbieten wollen. Sie gehören inzwischen zum Festival genauso dazu, wie die eingeladenen Musiker, obwohl beide im krassen Kontrast zueinander stehen.
Darum erinnert das Gărâna Jazzfestival oft eher an Woodstock als an das Festival International de Jazz de Montréal (FIJM). Trotz der hohen Eintrittspreise wirkt das Festival aus Gărâna improvisiert.
Für viele ist das der Reiz an de Sache, nur ist der Jazz dafür als Musik eher untypisch. Rock würde dazu eher passen. Das sind die Mankos des inzwischen traditionellen Musikereignisses, das jährlich von Tausenden besucht wird. Frischer Wind müsste rein, neue Investitionen müssten gemacht werden. Denn dem Gărâna Jazzfestival fehlt es an Entwicklung. Da war JazzTM eine freudige Überraschung gewesen. Man müsste die beiden Veranstaltungen am gleichen Wochenende halten, um so einen Wettbewerbsdruck zu schaffen. Sowieso sind es meist Temeswarer, die nach Wolfsberg für das Festival rauffahren. Um ihre Gunst sollten beide, sowohl JazzTM als auch Gărâna Jazz buhlen. Davon werden letztendlich die Besucher profitieren. Sowohl die Preise als auch das Angebot wird besser.
Aber schließlich geht es um die Musik und die hat nie enttäuscht. Wenn bedeutende Namen des internationalen Jazz’ ins Banat kommen und einen Abend lang für Banater spielen, können andere Details ignoriert werden. Bisher hat sich auch niemand darüber beschwert, dass Gărâna Jazz manchmal an das Bierfest erinnert.
Und nein, man sollte auch nicht JazzTM mit Gărâna vergleichen, zumindest noch nicht. Überhaupt gut, dass es so viel Angebot gibt. Und schließlich war auch die 17. Auflage des Wolfsberger Jazzfestivals trotz fehlender Überraschungen, trotz dem ständigen Bruch zwischen intimem Ambiente mitten im Wald und Bierfestatmosphäre, so wie seine Vorgänger ein Fest für die Sinne. Es kann so widersprüchlich sein, bleibt aber zum Glück immer seinem Versprechen treu: Internationaler Jazz wird in ein verschlafenes, rumänisches Dorf gebracht.