Das Kulturzentrum „Ambasada“ – einst selbst Teil einer Fabrik – einen treffenderen Schauplatz hätte man für die Beherbergung der unlängst eröffneten Ausstellung „Die Geschichten der Fabriken“ der Temeswarer Kunst- und Architekturstudenten kaum wählen können. Die Fotografien, Videos, Zeichnungen und Installation bieten einen subjektiven Einblick und ein trotzdem aktuelles Bild der Fabriken „Pasmatex“, „Halele Fructus“ und „Elba“, sowie des Wasserturms in der Temeswarer Josephstadt. Die Kunststudenten der Foto-Video-Abteilung der Kunsthochschule und die Studenten der Architektur- und Urbanismus-Hochschule zeigen ihr Können, spielen mit Licht und Schatten, erforschen alle ihnen über die Kamera verfügbaren plastischen Ausdrucksmöglichkeiten in den verlassenen Fabrikhallen.
All dies Ergebnisse eines Workshops, geleitet von der französischen Künstlerin Floriane Spinetta. Es handelt sich dabei um ein Projekt des Französischen Instituts Temeswar, das aus der Zusammenarbeit der Fotografin Floriane Spinetta und des französischen Historikers Aymeric Jeudy entstand. Aymeric Jeudy ist ein Mitarbeiter des Französischen Instituts in Temeswar, der vor etwa fünf Jahren ebenda und anschließend in Bukarest beschäftigt war. „Aber er kommt noch gerne nach Temeswar zurück und er hatte die Idee, ein künstlerisches Projekt über Fabriken zu machen“, so der Leiter des Französischen Instituts, Daniel Malbert. Zurzeit ist Jeudy in Nizza/Südfrankreich tätig, woher auch Floriane Spinetta kommt, der Jeudy das Thema in Temeswar vermittelte.
„Was mich besonders freut, ist, dass ein solches Projekt zum ersten Mal hier durchgeführt wird,“ sagt Daniel Malbert. Dies da in Frankreich oder in Deutschland solche Unterfangen bezüglich des industriellen Erbes schon längst kein Novum mehr sind, für die Stadt an der Bega jedoch eine Premiere. „Zunächst mussten die Partner überzeugt werden, dass es überhaupt Sinn macht, alte Fabriken zu besichtigen und zu fotografieren“, erzählt der Leiter des Französischen Instituts. „Und als die Studenten die Fabriken betreten haben, haben sie gleich den Sinn entdeckt, solche Orte mit Fotos, Erzählungen und Inszenierungen zu belegen. Also: das ist nichts Wissenschaftliches, das ist kein Geschichteschreiben, es ist etwas zwischen persönlichem Gedächtnis und künstlerischer Ermittlung“, erklärt Daniel Malbert.
Eine doppelte Perspektive der selben Realität sollte der Workshop widergeben: die Sicht der jungen Leuten, die in Temeswar leben und diese Orte kennen, und die Sicht einer Person, die sie zum ersten Mal entdeckt, so Floriane Spinetta. „Wir wollten die jungen Leute ermutigen, ihr Bild von der Stadt von morgen aufgrund der Geschichte der Stadt von gestern zu projizieren“, ergänzt die Fotografin, die sich schon während ihrer Studienzeit für alte Fabriken und alte Architektur interessierte.
Für Floriane Spinetta ist dies ihr erster Temeswar-Aufenthalt. Sie besichtigte aber nicht nur die größte Stadt Westrumäniens, sondern bereiste auch andere kleinere Städte im Banater Bergland wie Reschitza, Orawitza und Anina, wo sie desgleichen alte Fabriken entdeckte. Besonders angetan war die französische Künstlerin auch vom „schönen Theater“ in Orawitza: das „Mihai Eminescu“-Theater, das älteste Theatergebäude Rumäniens überhaupt, 1817 nach den Plänen des aromunischstämmigen Architekten Ion Niuny (Niuni) errichtet, dessen Innenausstattung eine Nachbildung des ehemaligen Wiener Burgtheaters ist. „Ich muss wiederkommen und meine Kunstarbeiten hier fortsetzen“, sagt begeistert Floriane Spinetta.
Auch für Vald Cândea, Student an der Foto-Video-Abteilung der Kunsthochschule in Temeswar, war dieses Projekt „etwas Neues“, denn die Besichtigung der Fabriken hieß für ihn und seine Kommilitonen, Neuland betreten. „Am interessantesten fand ich den Wasserturm, den ich schon seit sehr langer Zeit besichtigen und von innen erkunden wollte“, schließt der Temeswarer Student.