Es ist mehr als paradox, wenn einerseits in Rumäniens Wirtschaft der Mehrwehrt pro Kilogramm Rohmaterial der geringste in der gesamten Europäischen Union ist, doch andererseits Statistiken des deutsch-französischen Wirtschaftsinstituts Bruegel bezeugen, dass nahezu 62 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig in Gefahr sind, wenn leistungsstarke Technologien eingeführt werden. Die 62 Prozent machen die höchste Rate in diesem Bereich innerhalb der EU aus. Der EU-Durchschnitt beläuft sich auf 54 Prozent. „Wir drehen uns in einem Teufelskreis“, sagt der Temeswarer Wirtschaftsanalytiker, Nicolae Taran. Er ist überzeugt, dass nur eine gehobene Qualifikation etwas an dieser Sachanlage ändern kann. „Automatisierungen beeinträchtigen eben die Bereiche mit niedriger Qualifikation“. Darum muss mehr Gewicht auf Fachausbildung gelegt werden, die auch der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gerecht wird, sagt der Wirtschaftsexperte.
Unter den 28 EU-Staaten pendelt die Risiko-Gefahr, dass Computer den Arbeitsplatz eines Menschen einnehmen, zwischen etwas mehr als 46 Prozent in Schweden und 62 Prozent in Rumänien, berichtet Mediafax mit Berufung auf eine Studie des Wirtschaftsfachmannes Jeremy Bowles. In den alten EU-Staaten beträgt das Risiko des Jobverlustes durch Automatisierung etwa 47 Prozent der Briten, Deutschen und Franzosen. Deshalb wird es auch nicht einmal als überraschend eingeschätzt, dass Länder am Rande der Euro-Zone stärker unter dieser Sachlage leiden werden, als die Euro-Länder. Dies geht darauf zurück, dass Roboter immer intelligenter werden, deren Mobilität ansteigt und diese vorwiegend Arbeitsplätze mit geringen Anforderungen belegen werden. Eben solche Bereiche galten in der Vergangenheit immun, was die Automatisierung betrifft. In Mittel- und Ost-Europa weist Kroatien eine Gefahr durch die Automatisierung von 58 Prozent auf, Bulgarien 56,5 Prozent, Polen über 56 Prozent, Ungarn, Österreich, Tschechien und Slowenien zwischen 55,3 – 53 Prozent. Zwischen 50 - 60 Prozent sind es auch in Malta, Spanien, Italien, Griechenland und Portugal. Es ist nicht unbedingt die Industrie und der Dienstleistungssektor, die den rumänischen Behörden Sorgen machen müssten, auch wenn Professor Nicolae Taran Rumänien über weite Strecken mit einer „Second-Hand-Wirtschaft“ bedacht. Vor allem die Landwirtschaft, in der 30 Prozent der 9,2 Millionen Beschäftigten in Rumänien tätig sind, läuft Gefahr, gravierende Änderungen zu erfahren, denn im EU-Durchschnitt arbeiten gerade Mal 5 Prozent im Agrarsektor. Die Tatsache, dass fast ein Drittel der Arbeitnehmer in Rumänien bloß 5-6 Prozent des BIP sichert, ist Argument für seine Aussagen. „Wir haben also einen Agrarsektor, der jenem des 19. Jahrhunderts ähnlich ist“, sagt der Experte. „Man möge sich bloß vorstellen, was es im sozialen Bereich hieße, diese Stellen mit Hochleistungsmaschinen zu ersetzen“.
Zwar würden Investoren den Agrarsektor auf Vordermann bringen, doch sozial würden viele auf der Strecke bleiben. Als Lösung sieht Taran die Verarbeitung rumänischer Agrarprodukte vor Ort durch Integration der Lebensmittelindustrie in den gesamten Agrarsektor.
In der Zeitspanne 2000 - 2008 erlebte die rumänische Wirtschaft nach Aussagen von Nicolae Taran, ein Wachstum, das wie ein Multiplikator für unqualifizierte Arbeiten funktionierte und Facharbeit vielerorts auf der Strecke blieb. Deshalb kein Wunder, wenn die Nachfrage nach Personal mit niedriger Ausbildung gefragt war. So ist innerhalb der genannten Zeitspanne die Produktivität der Ressourcen innerhalb von acht Jahren von 0,35 Euro/ Kilogramm auf 0,18 Euro/ Kilogramm zurückgegangen.
Trotz aller düsteren Prognosen sieht der Experte Jeremy Bowls auch einen Vorteil, gerade für osteuropäische Länder: Seiner Meinung nach haben diese sich im Laufe der Geschichte schwerer damit getan, neue Technologien einzuführen, als dies bei ihren Nachbarn im Norden Europas der Fall war.