Das Wort steckt seit knapp zwei Wochen in aller Munde: Brexit. Das Vereinigte Königreich, Großbritannien also, möchte laut den Ergebnissen des historischen Referendums am 23. Juni die Europäische Union verlassen. 52 Prozent der Bürger machten bei der Volksbefragung ihr Kreuzchen bei „Leave“ und äußerten somit ihren Wunsch, die EU zu verlassen, während knapp 48 Prozent der Wähler für den Verbleib in der EU stimmten. Für viele Ausländer, die in Großbritannien leben und arbeiten, war das Ergebnis eine unangenehme Überraschung. Laut offiziellen Daten leben zur Zeit ungefähr 170.000 Rumänen in Großbritannien. Viele davon zeigten sich dieser Tage äußerst enttäuscht über die Ergebnisse der Volksbefragung.
Dazu gehört auch die aus Lugosch gebürtige Mihaela Sidei, die seit sieben Jahren in London lebt. Die 36-jährige Bibliothekarin ist britische Staatsbürgerin und stimmte für „Remain“ bei der Brexit-Volksbefragung. „Ich habe bisher noch keinen einzigen Menschen angetroffen, der den Austritt aus der EU feiert. Ich habe nur empörte, enttäuschte und wütende Leute gesehen, und der Satz, der in diesen Tagen am häufigsten gefallen ist, war: I can´t believe this (deutsch: Ich kann das nicht glauben!)“, sagt sie. Mihaela Sidei lebt in der britischen Hauptstadt, wo über 70 Prozent der Einwohner für den Verbleib Großbritanniens in der EU stimmten. „Ich fühle mich persönlich von dieser Entscheidung, die mir nicht gehört, betroffen, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung dieses Landes ist es auch. Der Unterschied zwischen ihnen und mir ist, dass ich einen europäischen Pass in der Tasche habe, den ich bei Bedarf benutzen kann“, scherzt sie bitter.
Auch ihr Bruder, Sergiu Sidei, konnte es kaum fassen, als er die Ergebnisse des Referendums mitbekam. „Bei mir im Büro sind mehr Ausländer als Einheimische tätig. Das sind aber Leute, die in ihren Heimatländern alles verkauft haben, um hier neu zu starten, die seit Dutzenden von Jahren hier leben“, sagt der in London lebende 33-jährige Sozialarbeiter. Die Atmosphäre nach dem Referendum schildert er als eine sehr angespannte. „Es ist wie im Krieg, wo man nicht weiß, wann die Bombe hochgeht“, sagt er. „Die Rechtsextremen gewinnen an Macht wie noch nie zuvor in Großbritannien. Im Moment fühlen wir uns nicht willkommen hier, unabhängig davon, wo wir herkommen“, sagt er.
Etwas distanzierter betrachtet Roland Redl die Situation nach dem Brexit-Referendum. Der in der IT-Branche tätige Lugoscher arbeitet in unmittelbarer Nähe der britischen Hauptstadt. Auch an seinem Arbeitsplatz wird über das Brexit diskutiert, es „werden Fragen gestellt, Witze erzählt“. Er selbst möchte noch abwarten, bevor er sich zu seiner Zukunft in Great Britain ausdrückt. „Momentan ändert sich nichts. Ich schaue mal, was beschlossen wird und inwiefern mich das beeinflussen wird“, sagt Roland Redl.
Viel härter drückt es hingegen Mihaela Sidei aus: „Das Einzige, was mich noch motiviert, hier zu bleiben, ist die große Zahl an intelligenten und enthusiastischen Leuten um mich herum, die etwas verändern wollen. Es bleibt noch Zeit bis 2020. Für mich ist die Formel einfach: Tories (still) in, I´m out!“ (deutsch: Tories hier, ich weg).