Das Regime Erdogan wird von allen umgebenden Staaten – Ausnahme Bulgarien – feindselig betrachtet: von Griechen, Armeniern, Israelis und Russen. Von den Kurden im eigenen und in östlichen Nachbarländern (Syrien, Iran, Irak) sowieso. Das ist nicht nur seit dem Holocaust so, den die Jungtürken ab 1915 an den Armeniern verschuldeten (1,5 Millionen ermordete Armenier), diese Linie der arrogant-großtürkischen Selbstverherrlichung wird vom sich diktatoriell gebärdenden Staatspräsidenten Erdogan heute gegenüber der EU gefahren: Ton und Inhalt der Verhandlungen EU-Türkei grenzen, in der Grundhaltung des bisherigen Beitrittsbittstellers, heute an Erpressung.
Ungeniert hat die Türkei von der EU eine Verdoppelung der angebotenen drei Milliarden Euro gefordert, um die Flüchtlingsströme im Land zu halten, ultimativ wurde Reisefreiheit für türkische Staatsbürger in die EU/den Schengener Raum gefordert und ein beschleunigter, Augen zudrückender Verlauf von Beitrittsverhandlungen zur EU – wo die Türkei die politischen und humanitären Kriterien nicht erfüllt.
Über die Türkei (auch implizite in Rumänien angewandte Methoden in der Minderheitenpolitik der Zwischenkriegszeit) kann man viel in einem jüngst im Corint-Verlag erschienenen Buch nachlesen: „Turcia şi fantoma armeană“ von Laure Marchand und Guillaume Perrier. Dass Journalisten kommen von politisch unterschiedlichen Zeitungen (Le Figaro und Le Monde). Das tut dem Inhalt gut: ihre Sicht ist einheitlich, ausgeglichen, gesetzt. Objektiv.
Zentral ist der Völkermord an den Armeniern des Ottomanischen Reichs im ersten Weltkrieg. Kollektivschuld. Im Gemisch von Reportage und Geschichtsstudie analysieren die Türkei-Korrespondenten das, was das Land bis heute vehement verneint: den Völkermord. Den „Krieg im Gedächtnis“, wo „Geschichtshumanismus zum Kriegsschauplatz“ wird. Man blicke in hiesige Geschichtebücher.
Sie schürfen nicht nur in der Vergangenheit. Sie porträtieren auch die Gegenwart, etwa den Mord am Journalisten und Menschenrechtler Hrant Dink oder an Sevag Schahhin Bahkci, einem türkisierten Armenier, der in der türkischen Gendarmerie diente und von einem türkischen Gendarmen ermordet wurde. „Türkisiert“ drängt Vergleiche auf zur Rumänisierungspolitik hierzulande, in der Zwischenkriegszeit („Vorbiţi româneşte!“), ebenso wie die „Türkisierungskommissionen“ der Jungtürken flagrant an die „Romänisierungskommissionen“ der rumänischen Legionäre erinnern. Dass die französischen Journalisten die Republik Türkei „offiziell laisch“ nennen, erinnert: ist der heutige rumänische Staat „inoffiziell orthodox“? Vor allem im unterirdischen Geflecht Staat-Mehrheitskirche und den Haushaltsflüssen zur Orthodoxie. Hat Iliescu von Atatürk gelernt, der „verdiente“ Jungtürken zu sich nahm?
Ein empfehlenswertes Buch.