Anina/New York – Maria Avila, Genom-Fachfrau der Universität Stanford und der Paläoanthropologe Erik Trinkaus von der Washington University in St. Louis haben nach Abschluss eingehender Genom-Analysen der vor sechs Jahren in der (streng geschützten) „Knochenhöhle“ (= „Pestera cu Oase“) im Minisch-Tal bei Anina entdeckten Schädel- und Unterkrieferknochen des „Anina-Menschen“ in der Zeitschrift „Nature“ die Hypothese von der Vermischung der Neanderthaler mit dem Homo Sapiens als mit höchster Wahrscheinlichkeit für richtig erklärt.
Prof. Erik Trinkaus, der seit 1997 an der Washington University lehrt, gehört zu den international bekanntesten Verfechtern der Hypothese von der Verwandschaft und Vermischung der Neanderthaler mit dem anatomisch modernen Menschen, dem Homo Sapiens. Er war vor sechs Jahren sofort nach Reschitza und Anina gekommen, als in Fachkreisen die vertrauliche Nachricht von den sensationellen Knochenfunden bei Anina durch Amateurspeläologen aus Temeswar die Runde machte (ADZ/BZ berichteten). Trinkaus hatte bereits damals, und ohne wissenschaftliche Analysen zur Hand zu haben, die Meinung vertreten, dass die ungewöhnlich starken Schädelknochen des „Ion“, wie ihn die Höhlenforscher getauft hatten, sowie die ungewöhnlich großen fünf Backenzähne, die im erhaltenen Unterkiefer steckten, andrerseits die frappierende Ähnlichkeit der Knochen mit denen des modernen Menschen auf eine Vermischung der beiden Spezies hinwiesen.
Maria Avila hat nun den wissenschaftlichen Beweis für die Theorien von Trinkaus erbracht: die mit rund 40.000 Jahren ältesten Knochenfunde eines Europäers, des „Ion“ von Anina, bestehen aus einem Genom, das zu zwischen 5 und 11 Prozent vom Neanderthaler abstammt, also zweifelsfrei von einem Mischling der beiden Spezies ist. Damit konnte die Stanford-Forscherin erstmals den klaren wissenschaftlichen Beweis für die Theorien von Trinkaus und anderen Forschern erbringen, dass sich Neanderthaler und Homo Sapiens im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Menschheit/des Europäers vermischt haben. Bislang galt bloß als bestätigt, dass Homo sapiens und Homo neanderthaliensis vor rund 50.000 Jahren ausschließlich im Mittleren Orient lange Zeit nebeneinander gelebt haben.
Auch eine zweite Möglichkeit wird durch diesen Genom-Beweis offengelassen: der moderne Mensch könnte in grauester Vorzeit einen Neanderthaler zum Vorfahren gehabt haben. Fakt sei es aufgrund dieser Genom-Analyse, heißt es seitens Maria Avila sinngemäß, dass die beiden menschlichen Spezies nicht nur im Mittleren Orient, sondern auch in Europa, entlang der vermuteten Ost-West-Wanderroute der beiden Spezies im Donauraum, zusammengelebt haben.
Die „Pestera cu Oase“ kann nur zu Dürrezeiten bis zu den Knochen-Lagerstätten (vermutlich von zwei männlichen, einem weiblichen Wesen und einem Kind, hieß es kurz nach dem Sensationsfund) erkundet werden, weil ein unterirdischer Bach hindurchfließt. Selbst zu Dürrezeiten müssen Syphons tauchend bezwungen werden.