Im Orpheum-Saal in der Musikhochschule der West-Universität Temeswar: Meisterklasse für klassische Gitarre mit der kanadischen Gitarristin und Hochschullehrerin Dale Kavanagh. Der Kurs findet innerhalb des ersten Internationalen Gitarren-Festivals statt. Eine Orgel links auf der Bühne, ein Klavier in unmittelbarer Nähe, eine Tür, die in einen Nebenraum führt, wo ebenfalls gelehrt wird, und ein zweites Klavier rechts. Die goldene Herbstsonne dringt durch die hohen Fenster und hüllt den Raum in warmes Licht ein. Gitarrenakkorde durchströmen die Luft. Dale Kavanagh sitzt auf einem Stuhl vor den Treppen, die zur Bühne führen, auf einem anderen Stuhl neben ihr spielt ein Student auf seiner Gitarre. Vor ihnen ein Notenständer mit einer Partitur. Geduldig, ab und zu auch humorvoll, gibt die Dozentin lächelnd Anweisungen und zeigt mit einem Stift auf die entsprechenden Noten. Der Student wiederholt den Satz. Dass er gut spielt, ist offensichtlich. „Er kann super spielen, wir haben mehr am logischen Bogen geübt, wie man einen Bogen baut und wie man diesen Bogen kontrolliert, denn manche Töne waren zu leise und dann muss man balancieren, dass das Publikum das auch verstehen kann“, erklärt Kavanagh.
Der Student ist eigentlich der junge Gitarrenlehrer Peter Daboczi, Absolvent der Temeswarer Musikhochschule, der auch im ersten Gitarren-Festival in Temeswar auftritt. Während seiner Masterstudien konnte er über ein Erasmus-Stipendium ein Jahr lang an der Anton-Bruckner-Privatuniversität in Linz/Österreich studieren. Nun beteiligt er sich an der Meisterklasse von Dale Kavanagh, denn „es ist sehr wichtig, mit Musikern zusammenzuarbeiten, besonders wenn es bedeutende Namen, wie Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff sind. Man kann immer etwas lernen“, sagt Daboczi. „Es ist egal, ob man absolviert hat und welche Hochschule das war oder ob man unterrichtet, nur die Arbeit, die Musik zählt. Ich kann nie sagen, dass es genug ist, oder dass ich, was die Gitarre betrifft, ausgelernt habe“, ergänzt er. Zu Dale Kavanagh meint er: „Sie ist eine wunderbare Gitarristin und wahre Pädagogin. Selten findet man beides in ein und derselben Person.“
Im nebenan liegenden Raum hält der deutsche Gitarrist und Hochschullehrer Thomas Kirchhoff seine Meisterklasse. „Ich habe darauf geachtet, dass sie einen schöneren Ton haben, dass es ein bisschen besser klingt, und ich habe versucht, die Bewegung der Hände zu analysieren, denn es gibt ja nicht nur einen Weg, die Hand zu halten“, präzisiert Kirchhoff zu seinem Kurs. Da jeder Gitarrist seine eigene Spielweise und Persönlichkeit hat, sei dies zu berücksichtigen und „deswegen versuchen wir, auf jeden einzelnen einzugehen, so wie derjenige spielt und die Gitarre hält, dass er dann vielleicht auch etwas besser spielt. Das ist alles sehr individuell.“ Auch falsche Tipps könne man geben. „Aber wenn man Glück hat, passt alles, und das ist dann für beide Beteiligte angenehm. So war es heute eigentlich, die meisten waren einverstanden mit dem, was man ihnen erzählt hat, aber es war auch zum Teil neu für sie, manches haben sie noch nie gehört. So ist es eigentlich ideal“, schließt der Professor.
Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff. Zusammen bilden sie das Amadeus Guitar Duo. Die zwei Gitarristen sind nicht nur auf der Bühne ein Paar, sondern auch im wirklichen Leben. Das Amadeus Guitar Duo haben sie 1991 ins Leben gerufen. Sie spielen als Duo, aber konzertieren auch mit Kammer- oder Philharmonieorchestern in Deutschland und weltweit. 1999 kamen sie zum ersten Mal nach Rumänien und nach Temeswar nun schon zum dritten Mal. Im Laufe der Jahre spielten sie in mehreren rumänischen Städten und traten u.a. mit den Philharmonieorchestern in Arad und Konstanza auf, mit denen sie auch zwei CDs aufnahmen. Mit etwa 80 Konzerten pro Jahr und insgesamt über 1.300 Konzerten in mehr als 60 Ländern Europas und Nord-, Mittel- und Südamerikas sowie Asiens kann sich das Amadeus Guitar Duo rühmen. Komponisten wie Alfonso Montes, Roland Dyens, Jaime Zenamon, Christian Jost, Harald Genzmer, Martin Herchenröder und Carlo Domeniconi haben für sie Konzerte geschrieben. Nicht zuletzt widmete ihnen auch der rumänische Panflötenspieler Gheorghe Zamfir ein Konzert für zwei Gitarren und Panflöte. „Er hat das `Concerto Barcelona` für uns geschrieben und wir haben es auch zusammen mit ihm aufgenommen“, so Kirchhoff dazu.
Dale Kavanagh studierte an der Dalhousie University in Halifax/Kanada und Thomas Kirchhoff an der Musikhochschule in Dortmund. „Gitarre und Querflöte, denn in Deutschland muss man zwei Instrumente studieren“, sagt Kirchhoff. 1992 gründeten sie das Internationale Gitarren-Symposion in Iserlohn, das derzeit über 300 Teilnehmer aus mehr als 50 Ländern zählt. Seit 2003 unterrichten die zwei Musiker an der Gitarrenklasse der Musikhochschule in Detmold/Deutschland. Ihre Tochter Melissa-Rachel geht keiner Musikerkarriere nach, sondern studiert bildende Künste. „Sie möchte Fotografin werden“, erzählen die stolzen Eltern.