Jugenderinnerungen, Nostalgie, Wiedersehensfreude: Etwa so könnte man mit nur drei Wörtern die Atmosphäre beim Sankt-Gerhards-Fest in Tschanad/Cenad beschreiben. Das Weihfest der römisch-katholischen Kirche aus der ehemals deutschen Ortschaft war auch in diesem Jahr nicht nur Treffpunkt für die katholischen Gläubigen aus Tschanad, sondern lockte auch einige ausgewanderten Tschanader in ihre alte Heimat zurück. „Auch in diesem Jahr sind etwa 15-20 ausgewanderte Banater Schwaben aus Deutschland gekommen“, bestätigte Bürgermeister Nikolaus Cr²ciun, selbst Tschanader Deutscher.
Die Bedeutung des Sankt-Gerhards-Festes kennen die Einwohner der Gemeinde an der rumänisch-ungarischen Grenze ganz genau. Auch die Geschichte des Heiligen Gerhard können die Alt-Tschanader erzählen. Sie beginnt im Jahr 1030, als der aus Murano bei Venedig stammende Benediktinermönch Gerhard zum Bischof geweiht wird. Der Tag ist auch für Tschanad von Bedeutung, denn es ist der eigentliche Geburtsakt der Diözese Tschanad und der ersten römisch-katholischen Diözese in der Region. Der Impuls kam von König Stefan, der erste christliche König Ungarns.
Der Heilige Gerhard gründet im Gebiet zwischen Marosch, Theiß, Donau und den Karpaten mehrere Pfarreien, lässt Kirchen bauen und tauft zahlreiche Heiden. Doch am 24. September 1046 nimmt sein Leben ein tragisches Ende. Bei Buda in Ungarn wird Bischof Gerhard von Rebellen gefangen genommen und von einem Felsen in die Donau gestürzt. Der Leichnam des Heiligen Gerhard, der für seine Glaubensüberzeugung den Märtyrertod erlitt, wurde1053 inden Tschanader Dom überführt und in einen aus Stein gemeißelten Sarkophag gelegt. Im Jahr 1083 wurde Gerhard heilig gesprochen.
An der Festmesse in Tschanad, die jedes Jahr am 24. September stattfindet, beteiligen sich traditionsgemäß mehrere Priester aus dem Banat. Am Montag waren ungefähr 50 Geistliche dabei. „Für uns Menschen ist es wichtig, dass wir zu unseren Wurzeln zurückkehren. Denn ohne Wurzeln gibt es kein Leben und keine Zukunft. Darum ist es wichtig, dass wir heute alle hier sind. Wir gedenken jenes Bischofs, der unsere Diözese gegründet hat“, sagte Andreas Reinholz, Domherr von Maria Radna, der überzeugt ist, dass die Menschen Vorbilder brauchen. Einer davon sei sicherlich der Heilige Gerhard, betonte Reinholz.
Etwa dreihundert Menschen wohnten am Montag der Heiligen Messe in der römisch-katholischen Kirche aus Tschanad bei. Alle Sitzplätze waren besetzt. Auch zahlreiche Ungarn aus den benachbarten Diözesen kamen, um der Kirchenfeier beizuwohnen. Der Gottesdienst fand auf Ungarisch, Deutsch und Rumänisch statt. Vor 1989 feierten die Tschanader ihr Kirchweihfest mit Musik und Volkstanz, heute ist es schlicht und einfach ein Gottesdienst, der die Menschen zusammenbringt. „Ich bin immer noch mit meiner Heimatgemeinde verbunden. Wenn ich in die Stammheimat zurückkehre, suche ich in der Kirche die Plätze, wo immer meine Eltern oder ich saßen“, sagt der gebürtige Tschanader Anton Eberhard, der seit1988 inDeutschland lebt und ab und zu in die alte Heimat zurückkehrt, um dem Sankt-Gerhards-Fest beizuwohnen.
Erinnerungen an die Zeiten, als sich das Kirchweihfest bis spät abends mit Musik und Tanz fortsetzte, hegen viele der Gläubigen, die heute in der Kirche sitzen. Bischof Martin Roos zelebriert den Gottesdienst. Draußen, vor der Kirche, steht im sonnigen Herbstwetter die Statue des Heiligen Gerhard. Es mag einem Wunder ähnlich sein, doch obwohl in der Straßenkurve vor der Kirche schon oftmals Autounfälle stattgefunden haben, ist die Statue immer unversehrt geblieben.