Die warmen Sonnenstrahlen schlagen ins Gesicht und machen den Frühlingstag umso angenehmer. Der Weg zur Arbeit und die Schritte der eiligen Passanten, die gewöhnlich durch die Innenstadt flutschen, werden immer langsamer. Auch die schweren Gedanken drücken nicht mehr so stark auf die Schultern. Die Gesichtsmuskel entspannen sich. Für bloß einige Augenblicke kann man alle Sorgen loshaben. Viele bleiben immer häufiger stehen, um für einige Augenblicke der Musik zu lauschen. Adrian Câmpean steht an der Ecke der Temeswarer Alba-Iulia-Straße zum Freiheitsplatz und spielt elektrische Gitarre. Bekannte Riffs, wie die von Eric Clapton oder Gary Moore, erklingen von seiner Gitarre am gesamten Platz.
Der 44-jährige Musiker kommt fast jeden Tag in die Temeswarer Innenstadt und spielt. Seit der Vorweihnachtszeit haben sich die Passanten bereits daran gewöhnt, Adrian Câmpean bei schönem Wetter zu treffen und sich durch seine Musik den Alltag schöner machen zu lassen. Der Hermannstädter Musiker lebt seit fast einem Jahr in Temeswar. „Ich finde die Stadt lebhaft und sehr freundlich. Man spürt hier einen starken Einfluss der Minderheiten und des Westens“, sagt Adrian Câmpean. Der Gitarrist meint, er habe hier ein zweites Zuhause gefunden. Er selbst gehört der deutschen Minderheit in Rumänien an, sagt er – die Großmutter war Siebenbürger Sächsin. Deutsch gesprochen hat er seit der Kindheit nicht mehr. Zu seinem Alltag gehört das Musikspielen einfach dazu: Sei es elektrische Gitarre, Blockflöte oder Mundharmonika, alle bringt er für sich selbst und für Passanten zum erklingen.
„Musik macht mir Freude. Ich habe neulich meinen Job, in einer Möbelfabrik in der Nähe von Temeswar, aufgegeben. Ich kann durch Straßenmusik das selbe Geld verdienen und dabei auch viel Spaß haben“, sagt Câmpean. Straßenmusiker verdienen aber keinen festen Lohn. Mal verdienen sie 50 Lei pro Stunde, mal die selbe Summe für den ganzen Tag oder, wie es der Fall zum Anlass des Weihnachtsmarktes, bis zu etwa 100 Euro an einem einzigen Abend.
Adrian Câmpean würde gerne eine eigene progressive und melodische Metal-Rockband gründen. Dafür fehlen ihm noch die Bandmitglieder. Er habe sich dabei auch einen Bandnamen ausgedacht: „Vitruvian“ nach Da Vincis Vitruvianischem Menschen, den er als Kettenanhänger am Hals trägt. Straßenmusik kann jedoch nicht jeder machen – denkt sich der Mann immer wieder, wenn er mit dem Gedanken spielt, aufzugeben. „Man soll den Leuten eine Freude bereiten – sie auf der Straße überraschen. Das ist ganz verschieden von einem Bühnenauftritt“, erzählt Câmpean.
Und Straßenmusik kann anscheinend nicht jeder machen. Nur wenige Musiker trauen sich auf die Straßen von Temeswar, obwohl die Kommune sie unterstützt und fördert. Jeder Musiker, der auf der Straße musizieren will, kann eine gebührenfreie Genehmigung von der Stadt bekommen, deren Bürgermeister gelegentlich auch mal auf die Bühne geht und mit seiner Gitarre Eigenkompositionen zum Besten gibt. Die Straßenmusiker müssen allein vor einem Ausschuss ihr Können beweisen, an einer Art Casting teilnehmen. Derzeit kann man fünf Musiker in der Temeswarer Innenstadt treffen. Noch ziemlich scheu, quietscht ein Geigenspieler am Opernplatz, die meisten Musiker spielen aber Gitarre. Einige lassen Blues-Klänge ertönen, so wie Adrian Câmpean, andere Folkmusik und Lagerfeuerlieder.
Am kommenden Wochenende wird in Temeswar zum ersten Mal ein Großevent für Straßenmusik ausgetragen. „Timi{oara Music Day“ gibt allen Musikbegeisterten freie Hand, sich in der Stadt musikalisch auszudrücken. Das Ereignis beginnt am Samstag, den 26. März, um 12 Uhr. Schauplatz für die Straßenkonzerte werden die Straßen in der Innenstadt, die Theresien-Bastei und Temeswarer Parks sein.