Mit der deutschen Besiedlung der Festung und einiger Teile der Vorstädte,wo seit je die „Raizen“ (Rumänen und Serben) wohnten, beginnt die Geschichte der deutschen Sprache in Temeswar...
Das Umgangsdeutsch in Temeswar ist ein bayerisch-österreichisches, eigentlich Wiener Deutsch, das Deutsch der Stadt Wien. Selbst in den Vorstädten lassen sich deutsche Ansiedler nieder, sogar deutsche Zigeuner, die in der Festung Musik machten. Noch heute wohnen in der Grabengasse Familien dieser Musiker mit Namen wie Bernecker, Erhardt, Stürzinger, Entlang der Bega wohnten und wohnen noch vor allem „Raizen“ als Gerber, in der Ungarngasse Ungarn. In der Festung wohnten aus Österreich und Bayern stammende Beamte, Offizieren, Kaufleute, Geistliche. Hier waren auch der deutsche und der raizische Magistrat tätig. Wer in jenen Jahrzehnten nach Temeswar kam, musste sich in der Festung (der Inneren Stadt) wie nach Wien versetzt glauben. Darum der Ausdruck “KleinWien“. Später aber ändert sich die Sprachlage.
In den Jahrzehnten nämlich, in denen immer noch Menschen aus Österreich die Einwohnerzahl vergrößern, werden im Umland, im Herzen des Banats, deutsche Bauern aus dem Westen des Reiches in teils bestehenden ,teils erst angelegten Dörfern angesiedelt. Ähnlich wie in Temeswar sind auch die Bewohner der in den südlicheren Teilen befindlichen Städte (Lugosch, Detta,Weißkirchen,Werschetz) bayerisch- österreichischer Herkunft. Immer spärlicher kommen Wiener Beamten nach Temeswar. Trotzdem vermehrt sich die deutschsprechende Bevölkerung der Stadt. Nun sind es junge Leute, aus den umliegenden schwäbischen Dörfern, die sich von der Stadt angezogen fühlen, und sie sind es, die zur Veränderung der Sprachlage entscheidend beitragen. Es entsteht eine Art Gemisch von wienerischer und schwäbischer Lautung. Noch bis ins letzte Drittel des19.Jahrhunderts ist Deutsch die erste Sprache der Stadt. Nach dem Ausgleich 1867 kommt die Eroberung durch das Ungarische. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts ist das Ungarische die Sprache des Theaters, der Zeitungen und der öffentlichen Verwaltung, besonders aber des Unterrichts in den staatlichen Schulen. Nach dem I. Weltkrieg beginnt der Vormarsch des Rumänischen. Die Vormachtstellung fällt der rumänischen Sprache nach1945 endgültig zu.
Das Kolonisten-Wienerisch konnte sich demnach in Temeswar nicht lange halten. Unser Klein-Wien wurde in zunehmendem Maße zu einer Mehr-Völker-Stadt, in der Deutsche (aus Wien und dann aus den schwäbischen Dörfern) Ungarn, Rumänen, Serben, Juden (die auch den deutschen Dialekt Jiddisch sprachen) Bulgaren u. a. wohnten und miteinander in wirtschaftlichen Wettstreit traten. Dies konnte nicht ohne Einfluss auf das Temeswarer Deutsch bleiben...
Der Wortschatz der Deutschen in Temeswar ist individuell verschieden, denn er hängt vom Bildungsgrad des Sprechenden ab. Desgleichen bestimmen der Beruf und der geistige Habitus die Aussprache, die von der Lautung der lockeren Umgangssprache bis zur gepflegten Hochsprache reicht. Dazu kommen noch Begriffe des jeweiligen Berufs, sodass etwa der Wortschatz eines Metzgers einem Mittelschullehrer zum Teil unbekannt sein kann, eine Tatsache, die auch im umgekehrten Sinne zutrifft…Zu dem Wortschatz kommen nun bestimmte in Temeswar erfundene oder vielleicht nur hier gebräuchliche Sprach-und Stilblüten, wie sie besonders in den Vorstädten unter guten Freunden und bei guter Stimmung als geistiges Verkehrsmittel beliebt sind. Ihr Ursprung ist trotz mancher Verballhornung leicht zu erkennen.
Nachfolgend will ich einige dieser Ausdrücke aufzählen:
Brölli (Getränk), Dambus (leichter Rausch)
Heint (heute), brachisch(zornig),
Drussa (Namensvetter) , Kretzl (Wohnviertel),
Kalamaika (missliche Lage), a Lagai (eine Menge), K`fick (Gefüge)
Akar (wann, was, wie)
Klapetz (Kind), flangieren (flanieren),Haber (Kollege ,Kumpan), kurgeln (kugeln)
Mischeln(intrigieren), keffn (rum. sich unterhalten), Karnalie (fr.Canaille),
die Leicht (das Begräbnis), Kampl, mickrich (elend,kümmerlich), Gugulaner, Krischpindl, plem plem, plickn(entkernen)
Ulacker, Tschinakl, Zimendl, Zundra, Zolla (Schlampe), Potka (Missgeschick)
Piskizieren (ung.piszkalni), schenkln (schielen) ,Tschagl, Tschogl(Rabe)
Simpl (geflochtenes Körbchen), Zimendl
Wendungen und Redensarten
graml sein(müde sein)
Nit um ti Burg
Tes is toch ka Khärtsich (dies gehört sich nicht)
Kib im Saures, Krach in die Melone, Ke in ti Muntje, Ke in ti Marosch
A scheeni Schissl, aber nix is trinen (für einen schönen aber innerlich leeren Menschen)
Auf der Gaudi sein
Sich a Ruka oder a Rucker gebn
Wasserziegn
So alt wie ti Schager Straß
Jetzt wird sich zeign, ob er ein Herr oder ein Hin und Her is
Jetzt samr (sein mir) Domino (es geht uns sehr gut)
Ins Federball gehn (schlafen gehen)
Sich heimgeign lassn
Kavalier aus Flusspapier
Bis Gromoboi
Es is a Hängauf
Auszug aus der Studie "Temeswar und sein Deutsch"von Prof. Rudolf Hollinger („Banatica“ 4, 1989). Prof. Hollinger, der sich als Sprecher und Germanist der Erforschung des Temeswarer Umgangsdeutsch lange Jahre gewidmet hat, starb 1996 in Deutschland.