Verschollene Familie in der Ferne

Zwei Amerikaner auf der Sucher nach den banatschwäbischen Wurzeln

(von links nach rechts) Aloisia Bohm (Die Shephards fanden eine Aufzeichnung in Steierdorf/Anina, sie starb 1903) die Großmutter von Luisa Urbanek, Maria Urbanek (Luisas Mutter), Louise Urbanek (geboren in Steierdorf, ihr Vater starb vor der Geburt, darum trägt sie den gleichen Familiennamen wie ihre Mutter. (Zweites Bild) David Shepard (Richard Shepards Bruder und Andrews Großonkel), Rita Marie Wallner (Richard Shepards Mutter und Andrews Großmutter)

Es trennte sie ein Weltmeer. Vor einem Jahr erhielt Karban Alois, 74, einen ungewöhnlichen Besuch. Ein junger Amerikaner und seine Frau klopfte an seine Tür und stellte sich als ihr Verwandter vor. Andrew Shephard wurde in den Vereinigten Staaten geboren, seine Urgroßmutter allerdings war eine Rumäniendeutsche, die vor mehr als hundert Jahren in die Neue Welt aufbrach. Doch seine Großmutter, Luisa Wallner, die ursprünglich aus Anina stammte, konnte ihre alte Heimat, wo sie aufgewachsen war, nicht vergessen. Darum erzählte sie ihrem Enkel Richard Geschichten über ihre Zeit im Banat. Und die Geschichten prägten Richard Shephard. Der aus Cleveland, Ohio stammende Rentner, ist mit den Geschichten über das Banat groß geworden. Die innige Bindung zu seiner Großmutter sowie ein starkes Familienbewusstsein haben Richard dazu verleitet, einen Stammbau zu erstellen. Über die Jahre hatte er den Ursprung der Familie Shephard zurückverfolgt. Als dann seine Mutter und Andrews Großmutter starb, fiel es seinem Neffen zu, den Stammbau der Familie Wallner aufzustellen. Andrew Shephard brauchte dafür deutlich weniger Zeit als sein Onkel Richard, denn ihm stand das Internet zur Verfügung und die Internetseite www.ancestry.com – eine große Online-Datenbank, wo Geburts- und Sterbeurkunden sowie weitere Dokumente gespeichert sind. Allerdings konnte Andrew den Stammbau nur bis zu seiner Urgroßmutter aufstellen. Denn alle anderen Aufzeichnungen der Familie waren nicht mit Luise ausgewandert, sondern blieben im Banat. Erst als nach dem Tod von Rita Marie Wallner, Andrews Großmutter und Richards Mutter, eine Sterbeurkunde auftauchte, konnte die Suche nach den Ahnen fortgeführt werden.

 

Auf Ahnensuche im Banat

Darum entschied sich Andrew vor einem Jahr auf Vorschlag seiner Frau, ihren Urlaub in Rumänien zu verbringen. Sie wollten ohnehin außerhalb von Amerika eine Reise unternehmen, in ein für sie unbekanntes Land und darum fiel die Entscheidung auf das Land, in der Hoffnung auch einige Recherchen anzustellen und womöglich das große Familienrätsel zu lüften und den Ursprung der Wallners und somit teilweise den eigenen zu ergründen. Zwar führte sie ihre Reise durch ganz Rumänien und war auf touristische Attraktionen ausgelegt, jedoch machte Andrew auch einen Abstecher nach Anina, suchte dort auf den Friedhof das Familiengrab der Wallners und wurde auch fündig.

Das schürte die Wissbegier Andrews, der nicht nur darauf hoffte, Gräber zu finden , sondern auch Menschen – lebende Nachfahren der Familie, woraus er auch entspringt. Und so erfuhr er von Alois Karban, der Familiengrab noch immer hütet und in Temeswar/Timi{oara lebt. Seine Großmutter Emma war die Schwester Johann Wallners, dem Mann Luisas. Er wanderte 1910 nach Amerika aus.

Die Entdeckung brachte Richard auf den Plan, der unbedingt die entfernten Verwandten aus Rumänien kennenlernen wollte. Darum entschied er sich ein Jahr später nach Temeswar zu kommen, um gemeinsam mit Andrew die Familie Karban zu treffen. Eine Woche lang besuchten die Shephards das Banat und stöberten in den alten Archiven nach alten Familiendokumenten. „Ich nenne Alois und seine Frau, Mama und Papa“, sagt Shephard. „Ich habe mich sofort zu ihnen verbunden gefühlt. Sie sind Familie und das habe ich vom ersten Tag an gespürt, als wir Bekanntschaft schlossen.“

Die Shephards kennen nur Bruchstücke der deutschen Sprache – Überbleibsel aus der Familiengeschichte. „Wir haben einer unserer Töchter das Wort „Gesundheit“ beigebracht“, erzählt Andrew. „Wir erklärte ihr auch auf Englisch, dass es ein deutsches Wort ist, also dass es „Deutsch“ ist. Woraufhin unsere Tochter statt „Gesundheit“ zu sagen, ständig „Deutsch“ verwendete.“

 

Die Oma war Banater Schwäbin

Richard Shephard verbrachte als Kind viel Zeit bei seiner Großmutter. „Meine Oma musste ohne Vater aufwachsen und war darum oft allein, wenn meine Urgroßmutter zur Arbeit gehen musste. Sie verwendeten damals noch Kerosinlampen und meiner Oma wurde ausdrücklich verboten, diese alleine anzuzünden, nicht das sie noch das Haus abfackeln würde“, erzählt Richard. „Eines Tages hatte sie aber trotzdem gemacht, wartete aber am Fenster auf ihre Mutter, so dass sie die Lampe schnell ausmachen konnte, damit die Mutter nichts davon merkt. Als dann meine Urgroßmutter nach Hause kam, löschte meine Oma schnell die Lampe, doch er roch noch immer stark im Zimmer, weshalb meine Urgroßmutter sie mit der Lüge erwischte und sie zur Strafe verhaute.“

Die Geschichte, die er als Kind gehört hat, hat er sein Leben lang nicht vergessen können. Auch von der Banater Küche schwärmt Richard, der selber das eine oder andere kochen kann. „Meine Oma machte immer Paprika, Krautsuppe und natürlich Gomboc. Und ich habe die Rezepte von ihr gelernt und koche sie natürlich auch.“
Richards Großmutter hätte ständig von dem leckeren Essen geschwärmt, dass sie aus der Alten Welt kannte. „In Amerika gibt es heutzutage einfach zu viel Fast Food“, so Richard. „Dort wird nicht wie hier zu Hause gekocht. Darum leiden auch viele Menschen an Übergewicht.“

 

Karban und Shephard eine Familie

Alois’ Sohn Gabriel spielte den Vermittler zwischen seinen Eltern und den Shephards. Der 34-jährige Temeswarer hatte sich schnell mit Andrew und seinem Onkel angefreundet. Er zeigte ihnen die Stadt und half ihnen bei der Suche nach den Unterlagen.

„Familie ist sehr wichtig“, so Richard. „Und Erinnerungen sind wichtig. Für mich sind Erinnerungen wertvoller als Hab und Gut. Es sind Erinnerungen, die du mit dir mitnimmst. Alles andere bleibt hier, wenn du stirbst.“

Richard Shephard ist pensionierter Soldat. In seiner Laufbahn war er unter anderem in der Schweiz stationiert. Er hat fremde Länder kennengelernt und überall die Sitten und Bräuche sich anzueignen. „Rumänien sollte sich nicht nach Amerika richten und unsere Traditionen annehmen“, findet er. „Es wäre Schade, wenn das Eigenständige verloren ginge. Eben das, wovon meine Großmutter immer schwärmte. Zwei Sachen sind besonders wichtig: Familie und Tradition.“

Darum möchte er auch zurück nach Rumänien kommen und seine wiederentdeckten Verwandten besuchen. „Wegen Andrews Arbeit konnten wir nur eine Woche bleiben, aber ich bin in Rente. Ich hätte alle Zeit der Welt“, so Richard.

Obwohl Richard Shephard noch nie in Rumänien war und es ein Land ist, dass tausende Kilometer von seinem entfernt liegt, so hat er sich sofort Zuhause gefühlt. „Rumänien ist meine Heimat“, sagt er. „Eben weil es die Heimat meiner Großmutter war“.