Wären die ergrauten Haare nicht, würde man ihn für einen Jugendlichen halten: Das Lächeln, die Haltung und die Jeans-Hose sprechen eher dafür. Doch Albert-Lászlò Barabási ist über 50, Universitätsprofessor und Nobelpreis-verdächtig. Seine Theorie der Netzwerke hat ihn in die Upper-League der Forschung gebracht, auf jeden Fall ist er einer der heute am meisten zitierten Forscher.
Drei Staatsbürgerschaften hat er: rumänische, ungarische und amerikanische. Der in Kerz/ Cârța in Rumänien geborene Barabási, hat vor der Wende Physik an der Universität Bukarest studiert, dann an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest seinen Magister gemacht; schließlich kam er in die USA, wo er 1994 an der „University of Boston“ promovierte und wo er auch heute lebt, forscht und von dort aus die Welt mit seinen Erkenntnissen in Staunen versetzt. Seit 2014 ist er Professor für die Wissenschaft der Netzwerke an der „Northeastern University“ in Boston, seit 2007 an der Medizinischen Fakultät der Universität Harvard als Dozent für Medizin tätig, um nur einige der Funktionen zu nennen, die er bekleidet.
Wie er in der Aula Magna der West-Uni steht und Schüler, Studenten und Professoren in seinem Bann hält: Vor ihnen breitet er ein Netz von Hubs, Knoten und Verbindungen aus und er macht es so geschickt, dass sein gemischtes Auditorium ohne große Vorkenntnisse in dieses Spinnengewebe Zugang findet und wie durch ein Labyrinth geführt wird. Schließlich hat Barabási neben den vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch Bücher herausgebracht, die seine Ideen popularisieren, so etwa „Linked“, das nun auch in rumänischer Übersetzung im Temeswarer Brumar-Verlag erschienen ist.
Das Interview mit Albert-Lászlò Barabási führte die BZ-Redakteurin Ștefana Ciortea-Neamțiu.
Sie arbeiten auch an einer Medizinfakultät zurzeit, an einem Krebsinstitut. Wie hilft die Netzwerktheorie in der Krebsforschung?
Heutzutage sind schon viele der Mutationen bekannt, die Krebs hervorrufen, was wir noch nicht verstehen, ist, wie diese genetischen Mutationen zum Krebs führen. Das ist der Ansatz, wo die Netzwerk-Herangehensweise essenziell ist, um zu verstehen, warum diese bestimmten Genkombinationen zum Krebs führen und andere nicht und warum Patienten, die denselben Krebs aufweisen, völlig unterschiedliche Mutationen in verschiedenen Genen haben. Es gibt nicht zwei Menschen, die dieselben Mutationen haben, die zur selben Krankheit führen. Man kann das nur verstehen, wenn man die Netzwerk-Herangehensweise nutzt. Wie wir darüber denken: Wir denken an ein Krebs-Modul innerhalb der Zelle und wenn man irgendeine Komponente des Moduls auseinanderbricht, wie in einem Motor, dann wird das Modul gebrochen und der Krebs wird aktiv. So greifen meine Kollegen in der Krebsforschung auf die Netzwerk-Theorie zurück, wenn sie sehen wollen, wie Krebs funktioniert und zweitens, wenn sie sich daran machen, Medikamente zu entwickeln, diesen Prozess zu stoppen. Ich denke, wenn es in Zukunft ein Heilmittel geben soll, dann wird es von der Netzwerkforschung kommen. Weil das ist die Art und Weise, in der wir verstehen können, wie wir einen Mindestschaden anrichten und die größte Wirkung in der Zelle erzielen.
Wie weit weg ist die Forschung von diesem Ziel entfernt?
Die Frage ist, wann werden wir die Früchte dieser Forschung in der Arzneimittelherstellung sehen. Es hängt von der Krankheit ab. Wahrscheinlich wird eines der ersten der Krebs sein, weil es eine sehr ernsthafte Krankheit ist und weil die Zulassung der Medikamente sehr schnell ist. Für andere Krankheiten, die weniger ernsthaft sind und bei denen auch die Sterberate viel niedriger ist, dauert es gewöhnlich ein Jahrzehnt, bis ein Arzneimittel zugelassen wird. In Boston werden die Instrumente der Netzwerk-Forschung in der Herstellung von Arzneimitteln verwendet und auch um herauszufinden, ob bestimmte Arzneimitteln für bestimmte Personen einsetzbar sind, ob sie wirken könnten. Der Patient würde wissen wollen, ob das Mittel, das wohl auch viele Nebenwirkungen hat, auch wirklich effektiv sein wird, helfen wird. Somit wird das Netzwerkinstrumentarium einerseits für die Herstellung neuer Arzneimittel verwendet, andererseits für das Umfunktionieren, für den Einsatz der Arzneimittel in anderen Krankheitsbildern und auch um herauszufinden, ob das Arzneimittel auf einen bestimmten Fall geschnitten ist oder nicht.
Aus welchen Forschungsbereichen stammen die Spezialisten, mit denen Sie zusammenarbeiten?
Wir haben Physiker, Informatiker, Biologen, Computerspezialisten, Mediziner, davon sehr viele, über 200 Spezialisten, von Epidemiologen bis hin zu Fachärzten für chronische Erkrankungen.
Was meinten Sie damit, dass für die Krebsheilmittel die Zeit kürzer sein wird? Fünf, zehn fünfzehn Jahren?
Bereits jetzt gibt es viele Produkte auf dem Markt in den USA, auf die die Patienten in den USA zurückgreifen können, und die entwickelt wurden, indem man auf diese Netzwerktheorie zurückgegriffen hat. Im Falle des Krebses jedoch ist das Krankheitsbild ist so stark individualisiert, dass wir niemals ein Heilmittel für alle Krebspatienten haben werden. Deshalb schlagen diese Medikamente auch nicht die großen Wellen. Kürzlich ist ein Freund meiner Frau, der für lange Zeit als krebsfrei erklärt wurde, wieder erkrankt; ihm wurde eine Therapie verabreicht, die nur für fünf Personen gilt, weil nur diese fünf Personen die bestimmten Charakteristiken haben. Deshalb hören wir nicht von einem Arzneimittel, das beim Krebs eingesetzt wird, aber wir hören von Menschen, deren Leben durch eine Therapie verändert wurde, die auf Grund dieser Netzwerktheorie maßgeschneidert wurde.
Sie haben heute auch über Institutionen, Organisationen und die Netzwerke innerhalb dieser Institutionen gesprochen. Wenn jemand von außen diese Informationen hat und ein aggressives Vorhaben hegt, wie wichtig und wie gefährlich wird diese Information?
Das eine ist, die Information zu haben, das andere die Fähigkeit zur Aktion zu haben. Auch wenn jemand über Informationen über eine Institution verfügen sollte, auch wenn er verstehen würde, wer die Schlüsselpersonen sind, und dass man durch diese Schlüsselpersonen viele, viele andere erreichen könnte, könnte er der Institution doch nichts anhaben, wenn er keine Autorität über diese Schlüsselpersonen hätte. Ich glaube, dass das Kartographieren von Organisationen und Institutionen nicht zu Sicherheitsrisiken führt. Es ist anders in den militärischen Organisationen, aber, andererseits, sind die Sachen hier klar: Je mehr Sterne jemand hat, über desto mehr Macht verfügt die betreffende Person. So, ich glaube, man muss schon differenzieren, wenn wir Angst haben sollten was Sicherheitsrisiken angeht. Andererseits gibt es bereits bei diesem Mapping machen, dann gibt es viele Datenschutz-Informationen, die wir in Betracht ziehen müssen, und alle, die beim Mapping mitmachen, wissen genau, welche Informationen wie gehandhabt werden müssen, wer wird Zugang dazu haben werden. Aber andererseits denke ich Datenschutz ist ein Thema, Anschlag aber nicht.
Wie sehen Sie den Skandal um Facebook?
Das ist ein Datenschutz-Skandal, es ist kein Anschlag gewesen. Der Skandal geht um einige Akteure, Mitwirkende, die die Informationen illegal an Firmen weitergegeben haben, geteilt haben, für andere Zwecke, nicht für die anfangs vorgegebenen. Es handelt sich nicht um einen Anschlag. Es wurde nicht gezeigt, dass Schaden zugefügt wurde, jedoch aber, dass der Datenschutz, die Privatsphäre verletzt wurde und das ist schon gravierend. Die nächste Frage, die gestellt wird, ist ob diese Informationen benutzt wurden. Aber sie haben auf jeden Fall das Gesetz gebrochen, weil sie die Informationen illegal mit anderen geteilt haben.