Gefühlsbetont und beeindruckend: So gestaltete sich auch diesmal die Gedenkfeier, die zum 71. Jahrestag der Russlanddeportation im Temeswarer AMG-Haus veranstaltet wurde. Es war dies die 26. dieser Gedenkveranstaltungen des Landesvereins der Rußlanddeportierten, seit dem März 1990, vordem hatte das kommunistische Regime ein schuldbewußtes Schweigen über dieses kollektive Verbrechen an Tausenden Unschuldigen geboten. Doch die Fakten blieben schwarz auf weiß als Mahnung in der Geschichte: Am 2.-16. Januar 1945 wurden 70-80.000 Rumäniendeutsche, darunter auch 33.000 Banater Schwaben, von der Roten Armee zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, vornehmlich in die Ukraine, verschleppt: Männer zwischen 17 und 45 Jahren, Frauen zwischen 18 und 30 Jahren. Die unmenschlichen Lagerbedingungen führten zum Tod von 20 Prozent der Deportierten, nur 45 Prozent hielten die fünfjährige Deportation aus. Es war ein unermessliches Leid auch für die hilflos Zurückgebliebenen Alte und Kinder, viele der Heimgekehrten starben darauf vorzeitig an ihren chronischen Leiden. Nach jahrzehntelangem Schweigeverbot konnten die Deportierten erst nach der Revolution wieder ihre Stimme erheben: Schon am 23. Februar 1990 wurde in Temeswar der Landesverein der ehemaligen Rußlanddeportierten, etwa 8000 Überlebende, gegründet, sein erster Landesvorsitzender Ignatz Bernhard Fischer leitet dessen Geschicke auch heute noch, mutig und umsichtig.
Der Gedenkfeier im Karl-Singer-Festsaal wohnten heuer Dutzende ehemalige Rußlanddeportierte aus Temeswar und aus anderen Ortschaften des Banats mit Angehörigen, treuen Freunden des Vereins, aber auch im Beisein etlicher Ehrengäste wie DFDB-Vorsitzender Johann Fernbach, Siegfried Geilhausen, deutscher Vizekonsul in Temeswar, Erwin Josef Ţigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Berglanddeutschen, Helmut Weinschrott, Vorsitzer der AMG-Stiftung, und Elke Sabiel, Ehrenvorsitzende des Vereins der Russlanddeportierten, teil.
Ignaz Bernhard Fischer, der verdienstvolle und noch rüstige Vorsitzende des Vereins, hielt in seiner bekannten einfühlsamen Manier einen Gottesdienst zum Gedenken an die Tausenden Unschuldigen, Opfer und Tote, ihrer Hinterbliebenen wie auch an die ein Leben lang leidgeprüften Überlebenden der Verschleppung. Der Redner unterstrich erneut die starke Mahnung (Das 2015 vor dem AMG-Haus eingeweihte Mahnmal an die Russlanddeportation soll diese auch für kommende Generationen wachhalten), die uns allen aus diesen geschichtlichen Ereignissen erwuchs und bleibt, schlussfolgerte zudem aber auch im Sinne der wahren christlichen Lehre: „Freuen wir uns, der gläubige Mensch hat eine goldene Zukunft!“
Siegfried Geilhausen, der deutsche Vizekonsul in Temeswar, stets mit Herz und Seele bei den Veranstaltungen der deutschen Gemeinschaft dabei, betonte, dass es heute, in Zeiten des Friedens, von vielen wohl schwer nachvollziehbar ist, welch großes Unrecht und Leid das kommunistische Regime im 20. Jahrhundert den Völkern, vor allem den Unschuldigen verursacht hat: „Doch, wir dürfen niemals vergessen, wir müssen darüber unentwegt reden und schreiben und die Erinnerung wachhalten!“
Elke Sabiel, Ehrenvorsitzende des Vereins, präsentierte darauf kurz ein bemerkenswertes Buch, die Anthologie „Lagerlyrik“ mit Gedichten, Dokumenten, Berichten von Zeitzeugen, 2015 im Schiller Verlag Hermannstadt erschienen. Zugegen waren auch zwei der Herausgeber, Günter Czernetzky, und Erwin Josef Ţigla. Es folgte eine vom Deutschen Staatstheater Temeswar veranstaltete Lesung aus diesem Band. Die jungen DSTT- Schauspieler Isa Berger und Boris Gaza lasen Auszüge aus „Lagerlyrik“.
Diese zu Gehör gebrachten Gedichte stammen von zahlreichen unbekannten Verfassern aber auch von namhaften rumäniendeutschen Schriftstellern wie Robert Reiter (Franz Liebhard) und Ludwig Schwarz. Zu hören war auch ein Gedicht des ehemaligen DSTT-Schauspielers und Rußlanddeportierten Ottmar Strasser sowie eines von Gertrud Schlattner, im Dezember 1945 in Krivoy Rog geschrieben, das ihrem Leidensgefährten Oskar Pastior gewidmet war. Schon die Titel sprechen die Vielzahl der Themen dieser Schicksalszeit wie Hunger, Kälte und Tod aber auch Heimweh und Hoffnung, an: „Hunger“, „Krivojrog, du Trümmerstädtchen“, „Russlands Tote“, „Weihnacht im Osten“.
Der Forumschor „Temeswarer Liederkranz“ untermalte diese Veranstaltung mit seinen Liedern, darunter mit „Weißt du, was das heißt, Heimweh?“ und abschließend dem beeindruckenden Russlanddeportiertenlied „Tief in Russland, bei Stalino“.
Laut dem Vereinsvorsitzenden, Ignaz Bernhard Fischer, besteht der Verein der ehemaligen Rußlanddeportierten, 2016 nach 71 Jahren, einem Lebensalter, zumeist aus hochbetagten Menschen im Alter von 85 bis 90 Jahren, der Verein zählt in Rumänien noch zirka 600 im Kreis Temesch etwa 300 Mitglieder.