Eine im Frühjahr 1984 gestartete Umfrage unter der Lehrerschaft ergab, dass alle bisher genannten Probleme aktuell geblieben waren. So heißt es in einer Stellungnahme: „Natürlich wäre es das Einfachste, zu fordern, die Lehrbücher für Vaterlandsgeschichte sollten näher auf die Geschichte der Deutschen in Rumänien eingehen. Um den Schülern eine Übersicht über die Vergangenheit der deutschen Nationalität zu bieten, bleibt es den Geschichtslehrern und Studienräten überlassen, wo nur möglich, während des Unterrichts oder in einem Geschichtskreis zu ergänzen. Dazu verhilft uns eine reichhaltige Quellen- und Literaturauswahl, die im Laufe der Zeit in unserem Lande erschienen ist. Ergänzend meinte ein anderer Lehrer: „Die Lehrbücher für rumänische Geschichte bieten so viel, wie ein allgemeines Lehrbuch bieten kann. Es ist Aufgabe des Lehrers, sich zusätzlich zu informieren, und in den letzten Jahren ist auf diesem Gebiet viel veröffentlicht worden. Es hängt nur von der Bereitschaft des Lehrers ab, eine zusätzliche Anstrengung zu machen und vom Sinn dieses Einsatz überzeugt zu sein.“Das war gewissermaßen der letzte Stand vor dem Sturz des kommunistischen Regimes und der politischen Wende.
Nach der politischen Wende
Die vor 1989 bestehenden deutschen Zeitungen und Zeitschriften Rumäniens erscheinen auch nach der politischen Wende weiter. Der „Neue Weg“ nannte sich 1992 in „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ um, die Hermannstädter „Woche“ nahm 1990 wieder den früheren Namen „Hermannstädter Zeitung“ an, während die Kronstädter Wochenschrift „Karpatenrundschau“ ihren Namen behielt, seit 1997 aber als Wochenbeilage der „Allgemeinen Deutschen Zeitung“ erscheint. Nach der massiven Aussiedlung der Deutschen fehlte es den Zeitungen an einer großen Leserschaft. Um erscheinen zu können, werden sie von Stiftungen, dem Departement für Minderheiten, vom Kulturministerium und Sponsoren subventioniert. Die Karpatenrundschau setzte ihre traditionelle Beschäftigung fort und versucht unter den Bedingungen der Pressefreiheit ihrer Kundschaft ein reichhaltiges und vielseitiges Angebot zu bieten. Die Heimatkunde-Seite nimmt weiterhin einen wichtigen Platz ein, da es gerade unter den neuen Bedingungen, wo nach dem großen Exodus nur ein Rest der sächsischen Bevölkerung in Siebenbürgen verblieben ist, wichtig ist, diesen „Heimattreuen“ aufbauende und stärkende Lektüre zu bieten. Die Schulen behielten nach der Wende die bestehende Struktur. Erste Maßnahme, die sie trafen, war, den kommunistischen Ballast des Lehrstoffes über Bord zu werfen.
Infolge der massiven Aussiedlung der Sachsen schrumpfte die Schülerzahl der Deutschen so stark, daß 1990 innerhalb weniger Monate viele Dorfschulen aufgegeben werden mussten. Die verbliebenen Schulen sind meistens keine deutschen Schulen, da die Zahl der deutschen Schüler meist geringer als die rumänischer und anderer Schüler ist. Die deutschen Schulen wurden zu Schulen zur Erlernung der deutschen Sprache für Nichtdeutsche, vor allem rumänische Schüler, die massenweise durch den Besuch der deutschen Schulen die deutsche Sprache erlernen wollen. Trotzdem ist ihr Bestand wichtig, weil die wenigen Sachsen auf diese Weise doch deutsche Schulen haben.
Nach dem Sturz des Kommunismus und der politischen Wende von 1989 hätte man auch eine Wende im Geschichtsunterricht erwartet. Die nationalen Minderheiten bedauerten es, dass in den Lehrplan bloß die Geschichte des rumänischen Volkes aufgenommen wurde und im Unterricht nicht eine historische Gesamtschau aller auf dem Gebiete Rumäniens wohnenden Nationalitäten geboten wurde, um auf diese Weise allen Schülern des Landes die Möglichkeit zu geben, die historisch-kulturelle Eigenart der verschiedensprachigen Bürger kennen zu lernen. Den Minderheiten wurde schließlich zugestanden, in der 6. und 7. Klasse in je einer Stunde pro Woche das Fach „Geschichte und Traditionen“ der eigenen Ethnie einzuführen. Dazu ist mit Genehmigung des Ministeriums für Bildung und Forschung für die deutschen Schulen 2004 ein Lehrbuch unter dem Titel „Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien“ (168 Seiten) erschienen, als deren Autoren Hannelore Baier, Martin Bottesch, Dieter Nowak, Alfred Wiecken und Winfried Ziegler zeichnen.
Damit ist erstmals mit ministerieller Genehmigung die Geschichte der deutschen Minderheit als Lehrfach mit einem dazu gehörenden Lehrbuch in den Unterricht aufgenommen worden. Im Lyzeum kann die Geschichte der deutschen Minderheit als Wahlfach in der 10. und 11. Klasse angeboten werden. Wegen der zu geringen Zahl der Anmeldungen wird es jedoch kaum unterrichtet. Das dürfte daran liegen, dass der Anteil rumänischer Schüler an deutschen Schulen etwa 90 Prozent beträgt und diese kein Interesse für die rumäniendeutsche Geschichte zeigen. Die Geschichte der Deutschen in Rumänien hat für diese Schüler lediglich informellen Charakter. Es heißt ja auch im Vorspann des oben genannten Lehrbuches: „Liebe Schülerinnen und Schüler, dieses Buch wurde in erster Linie für euch geschrieben, die ihr in Rumänien Schulen mit Unterricht in deutscher Sprache besucht. Es soll euch in die Geschichte der deutschen Minderheit unseres Landes einführen. Die Geschichte einer Minderheit ist ein Teil der Geschichte, in der die Minderheit lebt. Das Ganze kann nicht ohne die Teile und die Teile können nicht ohne das Ganze verstanden werden… Wenn ihr die Geschichte Rumäniens lernt, könnt ihr auch die der deutschen Minderheit besser verstehen“.
Das Lehrbuch über die „Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit“, auf das abschließend hingewiesen werden soll, gewährt den Schülern einen Überblick über die Geschichte und Kultur der Rumäniendeutschen. Es wird in dem Buch eine Vielzahl von Fakten und Daten geboten. Es handelt sich dabei um eine sachliche Darstellung, die den geschichtlichen Leistungen der Deutschen gerecht wird. Unserer Ansicht nach könnte man auf eine Reihe von aufzählenden Fakten und Daten verzichten, dafür aber zusammenfassende Übersichten bieten und auf die historischen Baudenkmäler nachhaltiger und eingehender aufmerksam machen. Wichtiger erscheint uns jedoch, dass es ein solches Buch erstmals gibt. Wie viel dann die Schüler davon behalten, bleibe dahin gestellt. Es erscheint aber auch wei-terhin die Karpatenrundschau und deutsche Schulen gibt es auch noch. Wie lange noch? Die Karpatenrundschau wird jedenfalls weiterhin ihrer identitätsfördernden und identitätserhaltenden Aufgabe gerecht. Sie sollte aber auch ohne diese Volktumsaufgaben erscheinen und als eine vielseitige Wochenzeitschrift das Erbe, das sie gepflegt, vor Augen haben.Ich selbst verdanke der Karpatenrundschau meinen Aufstieg als Geschichtsforscher. Obwohl ich 1979 in die Bundesrepublik ausgewandert bin, habe ich die Verbindung zu der Zeitschrift aufrechterhalten und gelegentlich auch einen Beitrag geliefert. Zum 60-jährigen Jubiläum wünsche ich der Karpatenrundschau weiteren Bestand. Bis zum 100-jährigen Jubiläum sind ja „nur“ noch 40 Jahre. Alles Gute!