Amokalarm in der Schule - sowas gibt’s doch sonst nur im Fernsehen? In Krimis oder in billigen Romanen... Als in der Schule von Mark und Fiona in der Stunde des Mathelehrers, Herrn Filler, auf einmal Amokalarm ausgelöst wird und der Lautsprecher dazu auffordert, die Türen zu verschließen und auf weitere Instruktionen zu warten, glaubt noch keiner wirklich daran. Noch überwiegt die Freude, dass vielleicht die soeben geschriebene Klassenarbeit nicht gilt, wiederholt wird, unwichtig ist vor dem Angesicht einer drohenden Gefahr.
Doch die Vorzeichen ändern sich schnell. Aus der abstrakten Bedrohung wird eine fühlbare, greifbare, ja, riechbare Lebensgefahr. Schweiß tröpfelt die Nacken herunter. Hosen werden feucht. Was will dieser verrückte Vermummte von einer Klasse voller Teenies? Und: Soll man jetzt Held spielen oder lieber tun, was der Bewaffnete verlangt? Ob Sterben weh tut?
Für manche sind die Forderungen, die der Verrückte stellt, scheinbar nicht so schwer: Fiona soll den Klassenschwarm Sylvester küssen, von dem sie doch ohnehin träumt, wie alle wissen. Strafküssen wie beim Flaschendrehen, sind wir jetzt im Fasching, fragt sich Herr Filler verwirrt. Andere sind regelrecht lächerlich: Herr Filler soll seiner Musterschülerin Greta ins Gesicht spucken! Oder: Die dünne Jill muss Davids fetten Big Mac würgen. Teeniescherze scheinbar, doch garniert mit Todesangst, unterstrichen vom Lauf einer Knarre, die mal in dieses, mal in jenes Gesicht zielt, mal provokant über einen Nasenrücken streichelt, mal brutal die Türklinke kaputtschießt und auch vor einer Hand nicht halt macht...
Schnell wird ihnen allen klar: Mit dem Typen ist nicht zu spaßen!
Bald fragen sich alle: Wer ist der Kerl mit der Maske, der dieses absurde Theater inszeniert?
Langsam tröpfelt es in ihr Bewusstsein: Der kennt uns alle ziemlich gut...
Neun Umschläge - neun Forderungen liegen auf dem Tisch. Herr Filler muss sie der Reihe nach öffnen und verlesen. Acht Aufgaben wurden bereits erfüllt: Schreien, Tränen, Flehen - vergeblich. Was tut man nicht alles für sein Leben? Und: Was tut man anderen nicht alles an für sein Leben...?
Ein letztes Kuvert, ein letztes Mal, denkt Herr Filler, denken alle, erleichert. Doch wer glaubt, dass es jetzt vorbei ist, hat sich getäuscht. Die neunte Aufgabe wird verlesen und alle Augen richten sich ungläubig auf einen. Sollen, müssen sie das Unvorstellbare tun, um ihr eigenes Leben zu retten? Und wer wird der Erste sein?
Die individuellen Aufgaben führen an Grenzen, erniedrigen, zerstören - Allianzen, Lieb- und Freundschaften, Hoffnungen und Eitelkeiten. Sukzessive wird die Gruppenenergie der Klasse manipuliert, bis das Undenkbare vorstellbar wird im Angesicht der eigenen Todesangst. Zum Schluss löst sich alles auf. Doch nichts ist mehr ungeschehen zu machen.
Eine packende Mobbing-Geschichte. Eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele, die über ihrem eigenen Schmerz manchmal das Maß aller Dinge verliert. Wer ist Opfer, wer Täter?
Die monatliche ADZ-Reihe „Wertvolle Jugendbücher“ möchte Kinder und Jugendliche zum Lesen in deutscher Sprache anregen. Die Bücher sind in den deutschsprachigen Bibliotheken des Goethe-Instituts auszuleihen.