Die Werkschau „Holz Gold Licht“, die dem Bildhauer Ovidiu Maitec, der Malerin Sultana Maitec, deren gemeinsamem Sohn Stéphane Maitec sowie dessen Frau Dana Maitec gewidmet ist, versammelt in zwei großen Ausstellungssälen im Parterre des Bukarester Nationalen Kunstmuseums Skulpturen, Gemälde und Fotografien dieser außergewöhnlichen rumänischen Künstlerfamilie. Die drei unverbundenen Titelworte der Ausstellung beziehen sich dabei auf die diversen Sparten des künstlerischen Schaffens, in denen sich die einzelnen Mitglieder der Familie Maitec einen Namen erworben haben.
Ovidiu Maitec, der 2007 in Paris starb, ist mit Skulpturen, vornehmlich aus Walnussholz, in der Bukarester Ausstellung vertreten. Von seiner Frau Sultana Maitec, die 2016 auf dem Bukarester Friedhof Bellu zu Grabe getragen wurde, sind großformatige Gemälde zu sehen, die neben Öl und Acryl vor allem Blattgold auf die Leinwand bringen. Und von Dana und Stéphane Maitec, die seit 1996 kreativ zusammenarbeiten und seit 2002 ein Künstlerduo bilden, sind Fotografien voller Licht zu sehen, die als sog. Digigrafien, d. h. als modernste Tintenstrahldrucke, in allen Farben leuchten.
Licht ist dabei ein Begriff, der sich nicht nur auf die vielfarbig glänzenden Fotografien, sondern auch auf die golden leuchtenden Gemälde und auf die in hellem Holz gearbeiteten Skulpturen beziehen lässt, die allesamt in der Bukarester Ausstellung zu sehen sind. Bereits Mircea Eliade hatte Ovidiu Maitec als den stärksten spirituellen Nachfahren von Constantin Brâncuși bezeichnet, dem es gelungen sei, durch seine Bildhauerkunst Licht ins Material zu holen.
Und genau diesen Eindruck der Lichtfülle, des Glanzes und des hellen Strahlens hat der Besucher, wenn er den ersten Raum der Bukarester Maitec-Ausstellung betritt und das Gold der an den Wänden hängenden Gemälde wie das Leuchten der hölzernen Skulpturen auf sich wirken lässt, welche hauptsächlich in der Mitte des Raumes versammelt sind, zum Teil jedoch auch vor den einzelnen Gemälden stehen und so einen reizvollen Dialog zwischen Blattgold und Walnussholz in Gang setzen. So kommuniziert etwa das Gemälde „Sonne Apfel“ (2000) von Sultana Maitec mit der vor ihm stehenden Skulptur „Radar“ (1984) von Ovidiu Maitec, und es scheint fast, als sende der hölzerne Radarschirm imaginäre Strahlen aus, die das Gold des erdnächsten Sterns wie der Frucht der Pomona noch stärker zum Leuchten bringen. Die Rückwände des ersten Ausstellungssaales, jeweils links und rechts der erhöhten Tür zum zweiten, schmücken überdimensionale Fotografien von Einzelausstellungen der beiden Künstler im Bukarester Dalles-Saal: der Werkschau von Ovidiu Maitec aus dem Jahre 1985 und der Werkschau von Sultana Maitec aus dem Jahre 1988.
Kleinere Holzskulpturen Ovidiu Maitecs, selten mit metallenen Zusätzen, dann vor allem aus Bronze, sind in der Bukarester Ausstellung neben seinen überdimensionalen Holzgebilden zu sehen, die dadurch umso riesenhafter wirken und erstere fast miniaturartig erscheinen lassen. Im Großen wie im Kleinen zeigt sich dabei aber dieselbe bildhauerische Struktur, die Einheitlichkeit der künstlerischen Sprache, die Ovidiu Maitec seinem Material, vor allem Eiche und Walnuss, eingeschrieben hat. Man kann in seinen Werken die Tendenz zum Triptychon beobachten, besonders eindrücklich etwa in „Säule und Flügel“ (1975) aus der Sammlung des Bukarester Nationaltheaters oder in „Eroica“ (1971) aus der Sammlung des Bukarester Kunstmuseums. Selbst Porträtskulpturen wie „Der traurige König“ (1992) folgen diesem am Triptychon orientierten Schema.
Zahlreiche Werke bestechen durch frappierende Originalität, etwa die Skulptur einer „Schildkröte“ (1992) aus Walnussholz, die jene im Profil sitzend oder gar stehend inszeniert. Oder die aus den 80er Jahren stammende Holzskulptur „Gemälde“, die ein Fenster darstellt, mit hölzernem Rahmen, auf den eine hölzerne Struktur platziert ist, die von Licht umflossen wird: dem Fensterlicht des entfernten Holzes. Eindrücklich ist auch der riesenhafte, aus Walnussholz gefertigte „Thron“ (1990) aus der Sammlung des Bukarester Kunstmuseums, in dessen unmittelbarer Nähe das Plexiglasmodell einer weiteren Thronskulptur Ovidiu Maitecs aufgestellt ist: seiner Holzarbeit „Mirceas Thron“ aus dem Jahre 1985. Von diesem originalen Opus ist nur noch ein verkohlter Rest erhalten, der ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist. Am Heiligen Abend des Jahres 1989, während der Rumänischen Revolution, ging nämlich Ovidiu Maitecs Atelier, das in der Nähe des Gebäudes des Rumänischen Fernsehens gelegen war, in Flammen auf, und zusammen mit „Mirceas Thron“ verbrannten weitere 70 Skulpturen, die Bibliothek, das Archiv sowie die Werkzeuge des Künstlers, der sich wenig später auf Einladung des französischen Kulturministers in Paris niederließ und dort seine letzte Schaffensperiode wie seinen Lebensabend verbrachte.
Noch stärker als die Skulpturen Ovidiu Maitecs bestechen die Gemälde seiner um drei Jahre jüngeren Gattin Sultana durch stilistische Einheit und formale Reinheit. Das goldene Rund, das ein gesichtsloses Porträt, einen Apfel, die Sonne oder den Mond darstellen kann, beherrscht nahezu jedes der Bilder von Sultana Maitec, mag die Sonne nun über dem Schwarzen Meer stehen oder der Mond nächtlich am Himmel leuchten, mag die Korona bei der totalen oder der Feuerkranz bei der ringförmigen Sonnenfinsternis zu sehen sein, mag ein Gesicht wie eine Mandorla erstrahlen, mögen goldene Äpfel glühen, Zwillingsäpfel glänzen, Pomonas Früchte leuchten. Nur selten greift Sultana Maitecs Malerei ins Gegenständliche aus, etwa im Gemälde „Maria von Mangop II“ (1975) oder im Gemälde „Infanta I“ (2004), das Infantinnen-Bilder von Velázquez zitiert, etwa „Las Meninas“ (1656), an dem sich kein geringerer als Picasso mehr als drei Jahrhunderte später mit einer Serie von über fünfzig Gemälden künstlerisch abgearbeitet hat.
Der zweite Ausstellungssaal ist ausschließlich den fotografischen Arbeiten des in Paris lebenden Künstlerduos Dana und Stéphane Maitec gewidmet. Die als Porträt- und Modefotografen bekannten Künstler präsentieren hier ihre innovative, experimentelle, abstrakte Serie „Reflections“, die gleichwohl Bezüge zum Gegenständlichen aufweist. In unterschiedlichen geometrischen Formaten (rund, dreieckig, pyramidal, quadratisch, rechteckig, polygonal) wird hier durch Farbe und Licht Materialität (Holz, Papier, Stahl, Gold, Chrom etc.) evoziert. Der Ausstellungsbesucher wird in ein Spiegelkabinett versetzt, vor Zerrspiegel gestellt, er blickt durch Kaleidoskope und lässt sich von den Effekten spiegelnden Papiers oder irisierenden Metalls gefangen nehmen. Die hochwertige Drucktechnik der Digigrafie sorgt dabei für optische Resultate von enormer plastischer Wirkung. Die Einheitlichkeit der Serie „Reflections“ vertieft noch den Gesamteindruck, der Licht, Farbe und Skulptur auf intensivste Weise miteinander verbindet.
Ein spezielles Kunstwerk in diesem Ausstellungsraum macht den Besucher sogar, wenn dieser ein Smartphone mit sich führt, potenziell selbst zum Künstler. Der von Dana und Stéphane Maitec geschaffene „Ort für ein Selfie“ bietet die Möglichkeit, selbst im Sinne der hier exponierten „Reflections“ tätig zu werden. Man begibt sich vor einen kastenartigen Raum, der nur zur Stirnseite hin geöffnet ist, wo der mit einem Handy bewehrte Besucher sich dann auf einen mittels zweier Kreuze bezeichneten Standpunkt stellt. Besagter kastenförmiger Raum ist gänzlich mit Spiegelfolie ausgekleidet, wobei die Spiegelfolie der konvexen Rückwand vertikal unterschiedlich gewellt ist, sodass das reflektierte Spiegelbild des Betrachters vielfältig verzerrt erscheint. Bunte Neonröhren mit wechselndem Licht an den Seitenwänden und auf dem Boden tragen dazu bei, dass ein nahezu entgegenständlichtes abstraktes Spiegelporträt entsteht, das man auf Instagram online zu posten und zu sharen angehalten ist. So mag man sich als Besucher der Bukarester Ausstellung noch bis zum 30. Januar mit eigener Hand in das virtuelle Gästebuch der Künstlerfamilie Maitec eintragen.