Weil Flügel gemacht wurden, um zu fliegen

Kunstausstellung von Liane Birnberg eröffnet

Bukarest - Der Begriff Kunst ist aufgrund seiner Doppeldeutigkeit irreführend. Kunst ist zum einen das Produkt eines jeden kreativen Prozesses und zum anderen die gebräuchliche Abkürzung für „Bildende Kunst“, welche die visuellen Ausdrucksformen meint. Die Trennungen der einzelnen Künste interessiert die Schaffenden in der Gegenwart aber kaum mehr.

Die Zeitgenössin Liane Birnberg ist dafür ein gutes Beispiel. Am vergangenen Mittwochabend wurde die Ausstellung ihrer Werke in Bukarest eröffnet, wo man ein vielseitiges Spektrum von Kunstformen bestaunen kann. Das Goethe-Institut hat mit der Realisierung dieser Ausstellung die aus Rumänien stammende Künstlerin zurück in ihre Heimat geholt, wovon Liane Birnberg sehr berührt gewesen schien. Kleine Tränen konnte sich die symphatische, filigran wirkende Frau bei der Vernissage nicht verkneifen.

Liane Birnberg wurde 1948 in Bukarest geboren und stammt aus einer jüdischen Familie. Nach einem Studium am Bukarester Konservatorium hat sie angefangen, sich mit Musik künstlerisch auszudrücken. In der ersten osteuropäischen Frauenband „Venus“ war Birnberg in den sechziger Jahren erfolgreich. Doch die Musikerin verließ Rumänien und studierte Kunst in Atlanta. Nach mehreren Auslandsaufenthalten in der ganzen Welt lebt sie seit 1989 in Berlin und arbeitet dort als Komponistin und Malerin.

Die Ausstellung präsentiert mehrere Arbeiten. Die multimediale Installation „Imagine“, die in Venedig sogar ausgezeichnet wurde, setzt sich mit der rumänischen und jüdischen Identität der Künstlerin auseinander. Zu sehen sind Fotografien von Bukarest, begleitet von Texten über ihre Kindheit. Aber nicht nur ihre, sondern auch die Vergangenheit ihrer Eltern wird thematisiert. Mutter und Vater waren im Konzentrationslager in Transnistrien. Durch den Antisemitismus in Rumänien geprägt, verschwiegen die Eltern ihre jüdische Herkunft und der Vater bekannte sich als atheistisch gewordener Jude und Kommunist. „Imagine“ drückt die Erfahrungen der zweiten Generation der Schoah aus, die geprägt ist von traumatisierten Eltern und der Tabuisierung der Vergangenheit.

„Because wings are made to fly“ („Weil Flügel gemacht wurden, um zu fliegen“) ist Titel der zweiten Arbeit, die Zeichnungen und Gemälde beinhaltet. Genau wie die Malerin sind die Kunstwerke eher impressionistisch und fein und haben dennoch eine große Ausstrahlung. Verschiedenste Techniken und die Details erwecken die Aufmerksamkeit des Betrachters. Auffällig sind dabei die vielen kleinen Brandlöcher in ihren Zeichnungen, die den Werken ihren Charakter verleihen. Den Zeichnungen und Gemälde der Reihe „Because wings are made to fly“ liegen Gedichte von dem Kunstkritiker und Maler John Berg zu Grunde, die aber leider dem Besucher vorenthalten blieben.

Auch Filmkunst kann man in der Galerie bestaunen. Die Berliner Regisseurin Renata Sami hat den Dokumentarfilm „Liane Birnbergs Werkstatt und die Geschichte ihres Vaters Baruch David Birnberg“ gedreht, der die Arbeit „Imagine“ inhaltlich ergänzt. Doch Liane Birnberg war auch hinter der Kamera tätig und drehte zusammen mit Barbara Kasper den Film „Bukarest, dann“, der auch Teil der Ausstellung geworden ist.

Die künstlerische Begabung von Liane Birnberg hat viele Facetten. Egal ob Film, Malerei oder Fotografie, man sieht sich ihre Arbeiten gerne an. Durch den hohen Abstraktionsgrad sind die Werke zum Teil schwierig zu verstehen. Vielleicht soll man aber auch gar nicht alles verstehen können. Sehr persönlich ist doch die künstlerische Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Schade, dass das Schaffen der Künstlerin nicht mit Musik komplementiert wurde. Gerne hätte man auch die Kompositionen dieser vielseitigen Frau gehört.

Noch bis zum 22. Mai ist die Ausstellung in der Galerie des Museums für zeitgenössische Kunst in der Calea Moşilor 62-64 zu sehen.