Burka-Bomber

Symbolfoto: Pixabay.com

„Nicht erschrecken!“ warne ich meinen Göttergatten, als ich mich ihm von hinten nähere. Er steht vor dem Rasierspiegel, während ich mich, wettertechnisch einwandfrei gerüstet, für den Weg zur Arbeit verabschieden will. Schon die nächtlichen Rausch- und Trommelgeräusche ließen bei der Kleiderwahl keine Zweifel aufkommen: schwarze Gummistiefeletten, dazu die bodenlange schwarze Pelerine, unter die auch Rucksack und Tretroller passen, Kapuze auf den Kopf und Reißverschluss zu bis übers Kinn. Von Zorro oder einer überdimensionalen Gummifledermaus unterscheiden mich nur zwei dezente Leuchtstreifen. Diese sollen mich in der morgendlichen Dämmerung als Verkehrshindernis ausweisen.

Fegt man so als Mittfünfzigerin durch Bukarester Straßen, vermutet wohl so mancher keinen Tretroller, sondern vielmehr einen Besen unter dem sich im Fahrtwind weit aufblähenden Gewand! 
Oder stieben die Fußgänger erschrocken zur Seite, weil sie mich für einen Terroristen halten? Als Burka-Bomber, sehr verdächtig mit Rucksack, sichtbar sind nur die Augenschlitze, hätte nicht nur die Muttawa (saudiarabische Religionspolizei) ihre helle Freude an mir.

„Willst du wirklich mit dem Roller zum Bahnhof?“ ruft mein Mann mir vergeblich nach. Doch die Alternative wäre: Sardinendosendichte im Bus – und zwar Sardinen in Soße. Mit Schweiß- und Knoblaucharoma, manchmal auch ein Hauch Bier. Regenschirme pieksen von allen Seiten und es tropft einem von der Dachluke in den Kragen.

Die Wege in den Bukarester Parks sind bei dem Wetter herrlich hunde- und rentnerfrei. Im Regen jagt man keinen Hund vor die Tür. Bahn frei auch auf dem Gehsteig neben der Blechkarawane aus fluchenden Autostauern. Eine verirrte Zweibeinerin zögert vor dem Zebrastreifen trotz grüner Ampel. Erst jetzt sehe ich, warum: Er ist gut zehn Zentimeter hoch überschwemmt! Nicht, dass man da mit dem Roller durchpreschen könnte, wer weiß, welcher Abgrund sich darunter verbirgt. Doch den Umweg auf dem Halbtrockenen, den die Gute gerade vergeblich sucht, kann ich mir schenken. Wozu hat man Gummi an den Füßen? Auf den Roller gestützt hüpfe ich beherzt durch die Pfütze, dass es nur so spritzt! Die total verblüfften Gesichter der Autofahrer bringen mich herzlich zum Lachen. Kleiner Wermutstropfen: Ich hätte doch besser die kniehohen Angler-Boots angezogen, nicht die lächerlichen Stiefeletten. 

In der Redaktion dann erleichtertes Aufatmen: Das Zorro-Kostüm tropft in der Duschwanne ab. Die nasse Hose wird gegen ein Reserveexemplar getauscht, das zwar wie die Faust aufs Auge zum Oberteil passt... Der Roller ist nun immerhin supersauber! „Kannst du nicht mal per Internet zuhause arbeiten?“ motzt mein Göttergatte am Telefon. Vielleicht schon, denke ich dann still bei mir. Aber erst durch Pfützen toben und dann in komischen, aber gemütlichen, trockenen Klamotten kaffeeschlürfend am Schreibtisch sitzen – mal ehrlich, so was darf man heutzutage nicht mal mehr als Kind!