Der ewige Prozess

Am Rande der EU-Normalität: Der Fall Zaher Iskandarani

Niemand wundert sich mehr über den europaweit schlechten Ruf der rumänischen Justiz, der man seit Jahren aus Brüssel genau auf die Finger sieht. An diesem schädlichen Image wird sich auch so bald nichts ändern, solange der Kampf gegen die große Wirtschaftskriminalität und Korruption nur halbherzig geführt wird und die Justiz diese Fälle bis zur Verjährung verschleppt. In den meisten Fällen werden diese großen, unzählige Bände fassenden Akten bei Gericht auf Eis gelegt oder gar wegen verschiedenster Prozedurmängel nach Jahren der Antikorruptionsbehörde rückerstattet.

Die unrühmliche Geschichte der rumänischen Flotte, worin auch dem amtierenden Landespräsidenten eine Rolle zukommen soll, pfeifen schon die Spatzen von den Dächern. Ein weiterer Fall ist der des einflussreichen Geschäftsmanns und ehemaligen Vizepremiers George Copos: 2006 wurde gegen ihn Klage erhoben wegen des Ankaufs von 38 Handelsräumen seiner Firma Ana Electronic durch die rumänische Staatslotterie. Obwohl dabei dem Staat ein Schaden von 40 Millionen Lei entstanden war, liegt die Akte beim Obersten Gerichtshof auf Eis. Bisher wurde nicht einmal die Anklage verlesen. Andere ähnliche Fälle sind z. B. der des ehemaligen PSD-Premiers Adrian Nãstase oder des ehemaligen Transportministers Miron Mitrea, derzeit Parlamentsabgeordnete, oder von Ionel Man]og, ehemals Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Die Schlussfolgerung: Sämtliche Regierungen nach der Wende haben offensichtlich nicht den erforderlichen politischen Willen aufgebracht, um diese großen Korruptionsfälle auf dem Gerichtsweg zu einer auch nach EU-Normen annehmbaren Normallösung zu führen.

Ganz still geworden ist es auch um Zaher Iskandarani, und keiner wundert sich mehr: Vor fünf Jahren von den Behörden mit richtigem Medienrummel gestartet, wobei es Dutzende von Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und einen Prozess beim Amtsgericht Bukarest gab, ist der Fall des syrischen Geschäftsmanns, auch „Prinz des Banats“ genannt, durch den für den rumänischen Staat fabelhafte Schäden entstanden waren, zu einer verstaubten Gerichtsakte geworden. Unterdessen wurden alle Angeklagten reihum auf freien Fuß gesetzt. Vier der untersuchten Firmen haben schon längst das rettende Insolvenzverfahren hinter sich. Die Chancen, dass der rumänische Staat nach Abschluss des Prozesses etwas von dem haushohen Schaden als Entschädigung retten könnte, sind schon beim derzeitigen Stand als minimal zu betrachten.

2005-2006 wurde die Nacht- und Nebel-Aktion gegen Zaher Iskandarani von DIICOT und der Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs als großer Erfolg im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche gefeiert. Die Untersuchungen ergaben damals, dass Iskandarani schon seit der Wende in seiner Zigarettenfabrik von Sackelhausen/S²c²laz Zigaretten der Marke L&M, OK, Vegas, Marlboro und Prestige produziert und, mit gefälschten Steuermarken versehen, verkauft hätte. Der Tabak wurde von einer libanesischen, von der Familie Iskandarani kontrollierten Firma geliefert. 

Die Zigaretten waren für den Markt in Westeuropa und im Nahen Osten bestimmt, ein Teil wurde auch durch eine syrische Firma im Temeswarer Euro-Handelskomplex verkauft. Iskandarani wurde zudem beschuldigt, die Produktionsanlagen für die Zigarettenfabrik wie auch für die Produktion von Alkohol durch illegale Zollaktionen eingeführt zu haben. Man schätzte damals den dem rumänischen Staat durch Steuerhinterziehung zugefügten Schaden auf Millionen Euro. Die Gerichtsakte hatte insgesamt 5000 Seiten und fünf Bände. Wegen Mithilfe und Komplizität sowie Amtsmissbrauchs wurden damals auch zahlreiche Zollbeamte und hohe Beamte vom Temescher Finanzamt, u. a. Julius Jichici und Gheorghe Gruici, ehemaliger Direktor beziehungsweise stellervertretender Direktor, untersucht.

Verhaftet wurde der „Prinz des Banats“ am 19. Mai 2005 wegen Bildung einer Gruppe des organisierten Verbrechens, wegen Zigarettenfälschung und -schmuggel, jedoch wurde er noch vor Ende Mai 2005 auf freien Fuß gesetzt. In einem anderen Fall – die Anklage lautete auf Geldwäsche – wurde im November 2009 die Strafuntersuchung eingestellt. Der Fall betraf den Verkauf der ehemaligen Mineralwasserfabrik in Herkulesbad für 13,7 Millionen Euro an die Bukarester Firma New Manhattan Investment GmbH. 

Das Geld verschwand jedoch eigentlich ohne Spur irgendwo in Syrien. Gemäß der gefälschten Papiere wäre diese Summe auf das Konto einer syrischen Firma für den Ankauf von 23.000 Tonnen Reis überwiesen worden. Leider kam dieser Reis nie in Rumänien an. Durch diese illegalen Machenschaften, bei denen Iskandarani nie in den Vordergrund getreten war, die nur durch seine Gefolgs- oder Mittelsmänner ausgeführt wurden, hatte der Staat einen geschätzten Schaden im Wert von 1,9 Millionen Euro zu beklagen.

In diesen Prozessen gegen Iskandarani nutzten die Verteidiger das gesamte schon bekannte Verfahrensarsenal zur Verschleppung und Versandung eines Prozesses in Rumänien: Wie schon erwähnt, wurden fast alle implizierten Firmen durch Einleitung und Durchführung von Insolvenzverfahren ausgeklammert. Die Angeklagten, vor allem Iskandarani und sein Komplize Ghassan Wahbeh, haben sich mehrmals „wegen Erkrankung“ vor Gericht nicht präsentiert. Im Laufe der Jahre verstarben oder verschwanden einige der Mitangeklagten und Hauptzeugen spurlos. Auch heuer erlebte der Prozess den schon gewohnten und erwarteten Aufschub. Und nun, zur Jahresmitte, bereiten sich die Richter schon für den Sommerurlaub an der Adria oder auf Kreta vor.