Erntedank

Wort zum Sonntag

Liebe Gemeinde, liebe Kinder, liebe Eltern,

ich beginne mit einer Erinnerung, in der Getreidekörner vorkommen. Es war ein ganz früher Sonntagmorgen, kurz nach Sonnenaufgang. Ich war damals wohl sieben oder acht Jahre alt. Meine Eltern wohnten seit ein paar Monaten in Almen und ich wohnte bei meinen Großeltern in Mediasch, da ich dort die Hermann-Oberth-Schule besuchte. An jenem frühen Sonntagmorgen stieg ich bei meinem Vater in den Trabi ein, damit er mich aus Almen, wo ich übers Wochenende war, zurück nach Mediasch zu meinen Großeltern bringt. Beim Dorfausgang, kamen sehr viele Hühner aus einer Böschung, rannten aber nicht vors Auto, sondern pickten aufgeregt der Straßenkante entlang. Es waren bestimmt über 100 Hühner, sonst wäre es mir nicht so in Erinnerung geblieben. Wir fuhren vorsichtig vorbei und sahen hinter der nächsten Kurve einen Pferdewagen. Einer der Säcke auf dessen Ladefläche hatte ein kleines Löchlein. Das hatte sich wohl unter den Hühnern he-rumgesprochen, die nunmehr ihr Frühstück über mehrere Hundert Meter vor sich aufgetischt vorfanden. Ich fand das Ganze so witzig damals, weil es mich an die vor Kurzem, in der Schule, gehörte Geschichte vom „Rattenfänger von Hameln“ erinnerte… „Der Hühnerfänger von Almen“…

Es ist eine sehr nette Erinnerung, die ich zusammen mit meinem Vater habe, und nette Erinnerungen muss man schätzen. Betrachte ich diese Erinnerung, in Bezug auf den heutigen Predigttext, könnte man sagen, es ist ein Bild der Gabe. Wessen Gabe, kann ich leider nicht beantworten. Die des Mannes im Pferdewagen bestimmt nicht, aber vielleicht der kleinen Maus, die das Löchlein in den Getreidesack fraß und auch den Dorfhühnern reichlich Getreide gab. Und passend zum Bild der Gabe gibt es in dieser Geschichte auch ein Bild der Dankbarkeit. Nein, nicht der Dankbarkeit der Hühner, sondern jenes Menschen, der im Pferdewagen mit dem Getreidesack war. Beim Vorbeifahren rollte ich mein Fenster hinunter und machte ihn aufmerksam: „Herr Ion, sie werden von einer Armee von Hühnern verfolgt!“ Ich denke, dass er mir bestimmt dankbar war, obwohl wir nicht angehalten haben und ich seinen Dank nicht hören konnte. 

Danken und Denken, ein Vokal Unterschied. Man könnte sagen „Danken kommt von Denken“. Aber stimmt das auch? Rein sprachlich ist das richtig. Das Wort „Dank“ wurde bei den alten Germanen von „denken“ abgeleitet. Ursprünglich hieß „danken“: „Ich behalte in Gedanken, was du für mich getan hast.“ Sogar inhaltlich gehören sie näher zusammen, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Das „Denken“ ist eine Leistung unseres Gehirns. Das „Danken“ eher eine Reaktion unseres Herzens.

Heute feiern wir Erntedank, und die Dankbarkeit steht heute im Mittelpunkt unseres Erntedankgottesdienstes. Wir können Paulus nur zustimmen, wenn er schreibt: „Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe“. Aber vorher gibt er uns zu bedenken: „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ 

Im Segen säen und im Segen ernten. Ein wundervolles Bild von Segensfülle. Ich beziehe mich hier nicht auf die Landwirtschaft und Paulus hat sich bestimmt auch nicht darauf bezogen. Ich meine menschliche Beziehungen, wie z.B.: jemandem in seiner Not helfen und Hoffnung durch unser Handeln in seinem Herzen säen. Jeder von uns war schon in einer Situation, wo er auf die Hilfe anderer angewiesen war. Dank empfangen und sich zu bedanken lernen wir schon in unserer Kindheit. Als junger Vater freue ich mich schon auf die Zeit, wo ich meiner kleinen Tochter zum ersten Mal danken werde und sie mich dann auch verstehen wird. Ich habe ihr bis jetzt öfters beim Windelwechseln für ihr Lächeln gedankt, obwohl es vielleicht eher ihr „Dank“ an mir gewesen war, da sie dann eine frische Windel hatte. 

Was ist aber die Ernte? Die Ernte ist der Dank und die Freude der Personen, denen man geholfen hat. Dieses Handeln, diese Saat in Bezug auf hilfsbedürftige Menschen, bringt uns und Gott seinen Dank.
„Gabe und Dank“– zwei Seiten des Erntedankfestes. Wenn Sie die Predigt gelesen haben, dann achten Sie darauf, heute jemandem etwas zu geben und sich bei jemandem für etwas zu bedanken.