Fünf Wenn, ein paar Aber...

Präsident Johannis überraschte, als er allen Ernstes nach einer faktisch resultatlosen ersten Konsultationsrunde mit den im Parlament dominanten Parteien den EU-Parlamentarier Dacian Ciolo{ mit der Regierungsbildung betraute. Nicht seinen Augapfel Florin Cîțu von „seiner“ Partei PNL. Oberflächlich betrachtet war die Nominierung logisch: Cioloș war der einzige konkrete Vorschlag, der dem Präsidenten vorgelegt wurde. Entweder weil die anderen Parteichefs auf was andres spitzen, oder weil sie auf Neuwahlen setzen. Nicht zuletzt: Jede Partei, die in diesen Zeiten der in Rumänien durch PNL-Schuld entfachten Covid-Krise, der sich abzeichnenden Energiekrise des kommenden Winters und des Chaos, das eine Masse unqualifizierter Politiker anrichtete, Verantwortung übernimmt, legt sich einen Strick um den Hals.

Dies unter Umständen, wo der Präsident mit der Nominierung von Ciolo{ mehrere Fliegen auf einen Schlag treffen kann. So die Meinung quer durch die Kommentatorenszene. Einerseits kann so die Reformpartei USR definitiv kompromittiert und in der Wählergunst schwerer durchsetzbar gemacht werden, andrerseits wird das Interimat des würde- und verantwortungslosen, des politisch unreifen und menschlich zweifelhaften Interims-Premiers verlängert, dem das öffentliche Wohl schnuppe ist, so lange er nur an den Machthebeln rumhantieren und sich als Polit-Rocker aufspielen kann, drittens wird eine drohende Spaltung der PNL wenn nicht abgewendet, so doch hinausgeschoben, ebenso wie, viertens, die von PSD und AUR (aber nur halbherzig) geforderten Neuwahlen.

Die Kommentatoren sind sich weiters ziemlich einig: Was dieser Tage in Rumänien auf höchster politischer Ebene passiert, ist ein abgekartetes Spiel zwischen der nach dem Willen des Präsidenten entstandenen PNL-Spitze und dem Präsidenten. Ihr Ziel: Die Ambitionen und die durch Wählergunst erstrittene Position der USR zu kompromittieren. Alle öffentlichen Stellungnahmen deuten in diese Richtung: die Cîțu-Clique wartet kindisch-genüsslich drauf, dass sich die USR die Hörner abstößt oder gar das Genick bricht.

Die Chancen von Cioloș, eine Parlamentsmehrheit für seine Regierung zu finden, sind minimal. Aber, bei der „Prinzipienfestigkeit“ rumänischer Politiker, vorhanden. Kann er den Ungarnverband drehen, die Orban-Spaltfraktion der PNL gewinnen und Deserteure von PSD und (warum nicht?) AUR um sich scharen (da stehen schon mal vier „Wenn“), käme er dieser Tage auf eine minimale Mehrheit, die aber noch (ein fünftes „Wenn“) aufs Tolerieren durch die PSD setzen muss.

Was immer problematisch, nie unmöglich ist. Zumal die PSD noch nicht nach der Macht greifen, wohl aber mitreden will bei der Machtausübung. Zugunsten von Ciolo{ könnte auch die Vermutung der Kommentatoren wirken, dass es Signale aus Brüssel gibt, die Johannis deuten, politisches Chaos in Rumänien sähe man ungern, dessen Beendigung gern... Nicht zuletzt: Das grottenschlechte Bild (immer öfter spricht man vom „trumpistischen Verhalten“) der rumänischen Politiker im öffentlichen Bewusstsein färbt auf alle ab. Auch auf den Präsidenten.

Strategisch ist das Zielfeuer nahezu aller Parteien darauf ausgerichtet, die USR zu schwächen und in die Defensive zu treiben, denn Reformen will keine Partei. Das schafft der PNL eine Verschnauf-, vielleicht auch eine Erstarkungspause, der PSD Zeit zum Taktieren, um ihre Stärke zu konservieren fürs kommende Frühjahr, dem Präsidenten die Möglichkeit, seinem Nützling Cîțu den Stuhl warmzuhalten und den Rechtsextremen von AUR, sich auszutoben, ohne größeren Schaden anzurichten – ein Ventil.

Scheitert Cioloș diese Woche, wird der Präsident wahrscheinlich jemanden aus der PNL nominieren, nicht unbedingt Cîțu. Dann ist die USR ausreichend mürbe, der Ungarnverband wie immer bereit, die PSD weiter uninteressiert und AUR unverändert aggressiv, aber zahnlos.