Für den Wahlkampf wieder aufgewärmt

Stillgelegte Quartal-Heizzentralen sollen ärztlichen Bereitschaftsdienst ermöglichen

Aufgelassene Heizzentralen (wie diese in der Dobrogea-Straße) sind zu einem Wahlkampfthema geworden.

Pünktlich im Wahlkampf kommt Bürgermeister George Scripcaru mit einem Vorschlag, der ihm zusätzliche Wahlstimmen für die vierte Wiederwahl bringen soll. Es geht um das Kronstädter Gesundheitssystem, über dessen Zukunft alle Kandidaten etwas zu sagen haben. Ein neues, großes und modernes Regionalkrankenhaus zu versprechen, ist nichts Neues. Die Nationalliberalen und George Scripcaru kommen sogar mit dem Projekt einer öffentlich-privaten Finanzierung, die mehr Unabhängigkeit und Sicherheit garantieren soll als eventuelle Regierungsgelder aus Bukarest.

Bis dieses Wunschprojekt verwirklicht wird, hat Scripcaru mehrere, genauer gesagt 13 kleinere Projekte bereit. Die stillgelegten Heizzentralen in den Kronstädter Wohnvierteln sollten umgewandelt werden in Einheiten, wo die ärztliche Grundbetreuung der Kronstädter gewährleistet werden kann. Scripcaru hat gleich auch zwei Befürworterinnen dieser Idee an seine Seite gestellt. Die eine ist die Anfang der Corona-Pandemie eingesetzte Direktorin des Kronstädter Amtes für öffentliche Gesundheit (DSP), Andreea Neculau. Sie empfiehlt dem Bürgermeisteramt, ärztliche Bereitschaftsstellen zu gründen. Die sollen vor allem die Notdienststellen entlasten. Weil Hausärzte pro Tag nur fünf oder sechs Stunden in ihren Praxen vorzufinden sind, wenden sich viele Kronstädter an die Notärzte für Fälle, die eigentlich keine Dringlichkeit haben. Und der neuartige Coronavirus, so Neculau, werde mit Sicherheit langfristige Änderungen in der ärztlichen Betreuung der Bevölkerung mit sich bringen. In den umgewandelten Heizzentralen, die sich auch näher am Wohnort der Patienten befinden, könnte ein 10 bis 12 Stunden pro Tag bestehender Bereitschaftsdienst angeboten werden. Über Kosten oder notwendiges ärztliches Personal äußerte sich die DSP-Direktorin nicht.
Die zweite Ärztin, die für diesen Vorschlag wirbt, ist Cristina Vecerdi. Sie tut das in ihrer Eigenschaft als Leiterin der Kronstädter Notdienststelle, aber auch als PNL-Kandidatin auf der Wahlliste für den Kronstädter Stadtrat.

In dem Projekt, das noch vom Stadtrat genehmigt werden muss, sind weitere Funktionen dieser ärztlichen Einrichtungen vorgesehen: Da soll auch, bürgernah, über gesundheitliche Erziehung und Vorbeugung gesprochen werden, Zahnärzte könnten da einziehen, Schwangere werden beraten, sogar Reha-Maßnahmen wären denkbar oder Sprechstunden über Ernährung und Diät.

Die infolge der immer geringeren Nachfrage für Fernwärme stillgelegten Heizzentralen seien in einem recht guten Zustand, sodass die Stadt eigentlich nur das Geld für ihre Umwandlung für die neue Bestimmung bereitstellen müsse, sagt Scripcaru. Es stellt sich nur die Frage, weshalb der Bürgermeister bisher in dieser Hinsicht nichts unternommen hat. Denn die Gebäude, wie jene in der Goga-Straße (Tractorul-Viertel), Mercur-Straße (Astra-Viertel) oder Jepilor-Straße (Burggrund-Viertel), werden seit Jahren vernachlässigt. Neu ist nur die Pandemie-Realität. An eine neue Bestimmung für die aufgegebenen Zentralen hatte bereits 2018 Vizebürgermeister Costel Mihai gedacht und vorgeschlagen, eine von ihnen in in eine Kindertagesstätte umzuwandeln, für die in Kronstadt nach wie vor ein großer Bedarf herrscht. Flavia Boghiu, zweite auf der USR-PLUS-Wahlliste für den Stadtrat, wirft dem Bürgermeister nun vor, den Vorschlag betreffend ärztlichen Bereitschaftsdienst von ihr und USR einfach übernommen zu haben, um damit im Wahlkampf zu punkten. Scripcaru sei auch inkonsequent, denn eine Heizzentrale sei auf sein Betreiben zum Roten-Kreuz-Sitz bestimmt worden; eine andere diene als Garage und Lagerraum für die Freiwilligen-Dienststelle. Boghiu, die für ihr soziales Engagement schon vor der Corona-Zeit bekannt war, hatte mit der PNL auch bisher ein gespanntes Verhältnis: Die Nationalliberalen warfen ihr vor, über soziale Projekte Schleichwerbung für die USR zu betreiben.

Jenseits dieser Dispute um Wahlpropaganda und „Autorenrechte“ wäre es erfreulich, wenn zumindest einige der unnütz gewordenen Heizzentralen im Interesse der Kronstädter umfunktioniert werden. Dass das erst jetzt vor den Wahlen im Scripcaru-Wahlkampf wieder aufgerollt wird, ärgert die Gegenkandidaten des Bürgermeisters. Den dürfte das wenig stören. Aber wenn es auch vielen anderen Kronstädtern auf die Nerven geht?