„Mit sehenden Augen“

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Viele Wege gibt es auf dieser Welt, doch einen nur können wir gehen! Und die Frage, die sich mir dadurch stellt, ist, welchen Weg ich nehme. Soll ich den Weg gehen, der mir gefällt? Such ich einen, der recht bequem ist? Doch nicht, was ich wünsche und denke, zählt...Es ist ja eine Frage mitten aus dem Leben, vor der wir immer wieder stehen und vor der uns auch kein Alter schützt. Welchen Weg sollen wir gehen? Ich kann mich für den falschen entscheiden, in eine Sackgasse geraten, auf Abwege kommen, ich kann den bequemen Weg nehmen und Schwierigkeiten und Herausforderungen aus dem Weg gehen.Und selten nur sehe ich das Ziel.Jesus sieht seinen Weg vor sich und geht ihn entschlossen. Er führt ihn hinauf nach Jerusalem, hinauf ans Kreuz. Ein Weg hin zum Spott, zu körperlichen Qualen, zu großer Einsamkeit und zum Tod.Aber er geht ihn, diesen unbequemen, diesen feindlichen Weg. Er geht ihn entschlossen und mit offenen Augen, Ohren und Herzen. Denn er weiß: Es ist sein Weg. Wenn wir das von einem unter uns sagen, dann bewundern wir die Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, mit der einer sein Ziel verfolgt oder verfolgt hat. Aber wir wissen, es hätte auch immer ganz anders kommen können. Wer sein Ziel erreicht, verdankt das seinem Geschick, seinem Fleiß, seinen richtigen Entscheidungen zum richtigen Augenblick, den guten Ausgangsvoraussetzungen oder seinen Begabungen.Der Weg Jesu ist nicht offen, er war nie offen. Er hatte immer schon sein Ziel. Es konnte nicht anders kommen. Deshalb wird das Evangelium auch zielstrebig erzählt: „Wir gehen hinauf nach Jerusalem und es wird alles vollendet, was geschrieben steht durch die Propheten von dem Menschensohn“. Jesus geht seinen Weg, obwohl oder gerade weil er weiß, dass er ihn hinauf ans Kreuz führt.Ja, er weiß um sich und sieht seinen Auftrag und sein Ziel.Jesus hat das erkannt, seine Jünger allerdings wohl eher nicht. Sie wussten nicht um den Ausgang, ahnten nicht, wie ganz anders als geplant ein gutes Ende kommen sollte.

Deshalb mutet es beinahe wie ein Gleichnis, wie ein Fingerzeig an, dass der Weg Jesu an einem blinden Bettler vorbeiführt, so als wollte Jesus zeigen: Lasst euch die Augen öffnen für das, was kommen muss und kommen wird und erkennt dabei, dass nichts und niemand euch dabei von Gott trennen kann und wird. Lernt Vertrauen. Übt Glauben. Seht auf den Bettler, der es euch vormacht. 
So wie es bei Jesus immer war, sieht er nicht nur den Weg vor sich, sondern er sieht auch, wer rechts oder links am Wegrand sitzt oder steht, wegsieht oder wartet.Der blinde Bettler am Wegrand wird da keine Ausnahme sein, gerade er nicht, der es wirklich bitter nötig hat. Was hat er denn vom Leben zu erwarten? Almosen der anderen und das, was er zu hören bekommt.
Hören, das kann er allerdings. Er kann genau hinhören und verstehen, was da gesagt und erzählt wird. Jesus kann und wird ihm helfen, wird ihm die Augen für das Leben, für die Welt, für das Licht und die Farben, für die Schönheit und die Freude öffnen.

Und Jesus tut das.
Der Blinde kann sehen.Weil er glaubt, weil er vertraut.An ihm können wir Glauben lernen, an ihm können wir Vertrauen lernen. In der Hartnäckigkeit, mit der er einfach dabei bleibt. In der Klarheit, mit der er sich an Jesus wendet und von ihm das bis dahin Undenkbare nicht nur erhofft, sondern erwartet.
Ja, an ihm können wir glauben lernen und beten lernen – gerade wenn wir nicht wissen, wohin uns unser Weg führt. Mit ihm können wir das Vertrauen üben, dass Jesus auch uns sieht und hört, wenn der Weg uneben und voller Hindernisse ist, wenn unsere Augen verschlossen sind für das, was doch so deutlich vor Augen liegt.Mit ihm können wir sehen lernen, dass auch unser Leben ein Ziel hat, das Gott kennt, und dass er uns mitnehmen will auf diesen Weg. Mit ihm können wir lernen, dass es ein gutes Ende nehmen muss, weil mit Jesus Gott das gute Ende gesetzt hat.