Zugebissen> Zeitalter der Groß(artig)en

Ihre Götzen sind Geld und Macht. Ihre Werte: mein Auto, mein Haus, mein Boot. Den Weltkuchen unter sich aufteilen in möglichst große Stücke ist ihr Bestreben. Und möglichst auch noch den Weltraum: Satelliten, Planetoiden, Mond und Mars - alles Ressourcen für noch mehr!

Es geschieht offen, lauthals und dreist: Von wegen bescheidene Zurückhaltung. Weg da, du bist mir im Weg! Fairness und Höflichkeit sind ab jetzt Werte der Dummen und Gestrigen. Im Heute siegt der mit der größten Klappe, der mit der lautesten Hupe, der mit dem härtesten Ellbogen. Unsere neuen Vorbilder: Trump. Musk. Orban. Putin... Im Westen wie im Osten.

Vom trügerischen Ideal des gleichmachenden Kommunismus schwingt das Pendel zurück: Alles soll jetzt möglichst wenigen gehören. Die Arm-Reich-Schere der Welt klafft weiter auf. Bald gibt es wieder nur noch Herren und Sklaven.
Gerechtigkeit? Recht ist, was den Groß(artig)en recht ist. Und das Volk sieht jubelnd zu. Die Vereinigten Staaten werden jetzt endlich wieder großartig, so ihr Großmaul-Präsident.

Demokratie ist nicht mehr kleidsam. Taugt manchen gerade noch als Feigenblatt. Demokratisch werden wir sie bald Schritt für Schritt abgewählt haben. Ihre Instrumente – freie Presse, Dialog, Transparenz – mit Fake News aus Botkanonen zugemüllt.

Junge Leute, aufgepasst: Nicht mit Gesprächen, Kompromissen oder Nachhaltigkeit wird die Zukunft geschmiedet. Ungehobeltes Klotzen ist angesagt! Und wenn die Welt den Bach runtergeht, verkriechen sich die Groß(artig)en in ihren Bunkern, gefüllt mit allem, was man fürs nackte Luxus(über)leben braucht.

Ich bin, 1965 geboren, ein Teil der Generation, die noch Hoffnung hatte: auf die Bekämpfung des Welthungers, auf den Fortschritt durch Forschung, auf Lösungen für Drittweltländer, damit diese die längst erkannten Fehler der Industrieriesen nicht wiederholen müssen. Auf umweltfreundlichere Technologien. Darauf, dass Kriege überflüssig werden, weil wir aus der schmerzlichen Geschichte etwas lernen. Hoffnung auf soziale Fairness: Lebensfreude und Wohlstand für alle – in Maßen freilich, denn die Ressourcen auf diesem Planeten sind begrenzt. Wir wissen das alles. Wir dachten, Demokratie sei das geeignete Instrument, dieses Wissen auch durchzusetzen. Schritt für Schritt,stolpernd, denn kein Meister ist vom Himmel gefallen, aber immerhin nach vorne.

Wann haben die Uhren begonnen, rückwärts zu laufen? Der Countdown tickt jetzt laut. Die Klimauhr läuft schneller ab als erwartet: Die einst für die ferne Zukunft herbeigefürchteten Tipping Points sind wohl überschritten. Wir navigieren im Ungewiss hinaus aufs offene Meer. Den Kopf fest zwischen den Beinen, im Blick das Geschlecht, statt sich an den Sternen zu orientieren. Was hören wir denn, wenn wir das Ohr so fest ans Knie pressen? Höchstens, wie der Hosenknopf abspringt...

Die Taktgeber der inneren Uhr: Einatmen -Ausatmen. Einkaufen - Ausgeben. Tik - Tok. Konsum-summ-summ-summ-summmmm… Den wilden Gedankensturm betäuben mit Brot und Spielen: Krimi und Horrorfilm, Angst und Gewalt  auf dem warmen Sofa. Daddeln und Zocken - Las Vegas Feeling, solange das Glücksrad sich dreht. Dazwischen ein Cocktail, ein Urlaub in der Südsee, ein Joint? Und schnell auf Instagram posten!

Die Groß(artig)en säbeln unterdes am Kuchen: ein Löffel für China, ein Löffel für Amerika. Wer will noch ein großes Stück Afrika? Die Arktis: Da grinst der Russe heraus wie die Made im Speck. Der Amazonas-Urwald? Reingeschissen. Avaaz?

Verklagen, verbieten, diese Online-Petitionen für eine bessere Welt! Illusionsextremisten!

Die Welt ist gefährlich geworden. Wie wärs dann mit autochtonen Werten? Immer kleiner werden die sicheren, schützenswerten Kreise: Land – nationale Gruppe – Clan – Familie – ich. Oligarchendenken.

Für welche aller möglichen Welten werden wir uns entscheiden? Das Pendel anhalten? Geht nicht, zu heftig schon sein Schwung. Wie gegen all das ankämpfen? Doch Kampf bedeutet Krieg...

Dann vielleicht im Stillen dem Guten dienen. Erfüllung nicht nur im Materiellen suchen. Das bescheidene Glück genießen. Es zärtlich in der hohlen Hand halten und es beschützen. Still vor sich hinlächelnd, bereit, das wärmende Flämmchen zu teilen. Wissend, dass es dadurch nicht weniger wird. Diese Dummbeutel, werden uns die Groß(artig)en belächeln oder gar offen schmähen – wenn sie uns überhaupt bemerken. Und das Flämmchen geht weiter von Hand zu Hand. Von unten nach oben. Von Herz zu Herz. Wird es genug Hände und Herzen geben?

Und irgendwann steht auch der (jetzt gar nicht mehr so) Großartige beschämt davor und sagt: Ich habs ja immer gewusst! Es waren bloß die Zeiten, man musste sich den Zeiten anpassen... Und das Wahre und Gute wird auf einmal so selbstverständlich sein, dass niemand mehr kämpfen muss. Und sich alle verwundert fragen: Warum nicht schon immer so? Hierzu zwei Schlusssatz-Optionen: 1. So sei es! 2. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.