Zeiden/Codlea, mit rund 25.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Burzenlandes, hat seit dem 13. Mai 2016 ein eigenes Museum. Es ist im Alten Rathaus (sein heutiges Aussehen stammt aus der Zeitspanne 1828-1830) untergebracht und ist der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen der Zeidner Heimatortsgemeinschaft (allen voran Altnachbarvater Udo Buhn) und dem Zeidner Bürgermeisteramt zu verdanken. Das Museum nennt sich „Museum der Zeidner Traditionen und der öffentlichen Lokalverwaltung“ und wird finanziell vom Bürgermeisteramt getragen. Es ist, zusammen mit der städtischen Bibliothek und dem Kulturhaus Teil einer umfassenden Restaurierung des Zeidner Stadtzentrums und verzeichnete in den vier Jahren seit der Eröffnung ungefähr 20.000 Besucher.
Die Zeidner Sehenswürdigkeit Nummer 1 bleibt weiterhin die Kirchenburg mit der evangelischen Kirche. Auf dem Weg zu deren Innenhof, der nun von außen durch das neue schmiedeeiserne Gittertor mit dem Zeidner Stadtwappen viel besser zur Geltung kommt, geht man im Eingangsgewölbe am Museum vorbei. Viele der Besucher werden dabei neugierig und nehmen sich auch die Zeit, hineinzuschauen, sagt eine Freiwillige der evangelischen Kirchengemeinde, die Touristen im Kirchhof empfängt.
In diesem Sommer waren es wegen der Corona-Pandemie allerdings weniger als im Vorjahr. Rund 1000 Besucher haben 2020 bisher das Gratis-Angebot der Zeidner Stadtverwaltung wahrgenommen, sagt Museumsführer Sorin Butnariu. Unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen betreten wir die Räume des Museums, um interessante Details über die Geschichte der Stadt und seiner Einwohner zu erfahren.
Das sächsische Zimmer von einst
Heute ist die Zahl der Zeidner Sachsen infolge der Auswanderung nach Deutschland nach 1989 stark gesunken. Die evangelische Kirchengemeinde zählt rund 450 Mitglieder. Aber die sächsische Vergangenheit der Ortschaft und der Beitrag der Sachsen zu ihrer Entwicklung werden in der ständigen Ausstellung ihrer Bedeutung gebührend wiedergeben.
Im sächsischen Zimmer fallen auf den ersten Blick die Möbelstücke auf. Schön verziert und bemalt sind sie ein lokales Produkt: „Barfs Zimmerei“ und „Adams Werkstatt“, so wiesen sich die Hersteller aus, viele Jahrzehnte, bevor Zeiden auch durch die Möbelfabrik Măgura landesweit bekannt wurde. An den Wänden sind in Handarbeit sorgfältig bestickte Wandtücher zu bewundern mit Wandsprüchen und Wappen. „An der Burzen grünem Strand, ist mein liebes Heimatland“ ist ein Bekenntnis zur Heimat; „Bewahret einander vor Herzeleid, kurz ist die Zeit, die ihr beisammen seid, denn ob auch viele Jahre euch vereinen, einst werden wie Minuten sie euch erscheinen“ - eine tägliche Mahnung für Familieneintracht; „Im Schranke weißes Linnen, Im Herzen ernstes Sinnen, ist Deutscher Hausarbeit Art“ war, gemäß dem Zeitgeist, auch in Zeiden ein Ausdruck von nationalem Stolz. Weniger auffallend ist das Nachbarschaftstäfelchen. Es ist herzförmig, trägt auf der einen Seite das Zeidner Wappen und auf der anderen Seite die Hausnummer. Im lackierten Holz ist eine Ansammlung kleiner Löcher, die wie Nadelstiche aussehen, zu erkennen. Sie entstanden durch das Anheften von Zetteln mit Botschaften betreffend wichtiger Ereignisse in der Gemeinde (Hochzeit, Beerdigung, Versammlung), die von Haus zu Haus gelesen und weitergereicht wurden.
Einfacher sieht es im rumänischen Zimmer aus. Die Wände waren in Weiß oder Blau getüncht und mit bunten Wandbehängen geschmückt, bevorzugt in Blumenmuster. Das brachte Leben in den Raum und milderte die recht kargen Bedingungen. Nicht fehlen durfte bei den orthodoxen Gläubigen die Ikone an der Wand.
Ein Sprung über Jahrzehnte in den kommunistischen Alltag gewähren Exponate in einem Raum im Erdgeschoss. Unterschiedliche Objekte erinnern an jene Zeiten, mit ihren wirtschaftlichen Engpässen (der Karton als Beleg zum Kaufen rationierter Lebensmittel, das CEC-Sparbüchlein, die kleinen Gläser für Jogurt), es finden sich aber auch typische Schmuckgegenstände wie der bunte Glasfisch auf einem Makramee-Untersetzer in der Glasvitrine oder auf dem Fernseher. Kinderspiele („Marokko“-Stäbchen, Domino-Steine) oder ein tragbarer Plattenspieler lassen bei älteren Generationen wohl etwas Nostalgie aufkommen. Ein Diskus oder alte Startblöcke, die in der Sandbahn fixiert wurden, reflektieren die Leichtathletik-Tradition in dieser Kleinstadt. Ein Bild des nach Deutschland ausgewanderten Freizeitmalers Erich Gohn gibt in naiver Malerei eine Szene wieder, die heute nicht mehr möglich scheint: eine Blasmusikkapelle geht dem vom frisch vermählten Paar angeführten Hochzeitszug durch Zeidens Zentrum voran, Kinder und Fußgänger sehen vom Straßenrand aus zu, auf der einen Seite alte, braune Telegrafen-Holzmasten, auf der anderen die Betonpfeiler der modernen Straßenbeleuchtung.
Der Zeidner Flugpionier Albert Ziegler
Einem der bedeutendsten Söhne Zeidens, dem ersten siebenbürgisch-sächsischen Flugpionier, Albert Ziegler (1888 – 1946), ist im ersten Raum des Museums eine Reihe historischer Fotos gewidmet. Zu sehen ist die Menschenmenge, die am 19. Oktober 1913 bei Weidenbach/Ghimbav Ziegler bei seiner Flugschau verfolgen wollte. Es war ein Ereignis mondänen Charakters, bei dem nicht nur die Damen und Herren der vornehmen Kronstädter Gesellschaft in eleganter Kleidung und mit Sonnenschirmen, sowie Offiziere in Uniform zu erkennen sind, sondern auch Kinder und Erwachsene in rumänischer Volkstracht. Museumsführer Butnariu weist auf einige interessante Details hin: Beim genauen Blick auf die vergrößerten Fotos erkennt man die Umrisse der benachbarten Berge und in der Ferne das damals von Weitem erkennbare, imposante Gebäude der Brenndorfer Zuckerfabrik. Rund einen Monat nach dem tragischen Absturz des rumänischen Flugpioniers Aurel Vlaicu beeindruckt sein Zeidner Kollege mit einer damals aufsehenerregenden Leistung: Mit seinem Eindeckerflugzeug des Typs Etrich und mit einem Mercedes-Daimler-Motor von 120 PS fliegt er über Kronstadt, Brenndorf/Bod, Petersberg/Sanpetru, Heldsdorf/H²lchiu und umrundet den Zeidner Berg. Einen Tag zuvor gab es einen anderen Demo-Flug für die Presse. Die Einnahmen von Eintrittskarten für diese und andere Flugschauen in Siebenbürgen benötigte Ziegler, um den Bau des von ihm entworfenen neuen Flugzeugtyps (das „Pfeil-Flugzeug“ mit V-Flügeln) zu finanzieren. Albert Ziegler wurde in seiner Heimatstadt wie ein Held gefeiert; die Zeidner „Georg Wenzel & Bruder Werkzeug- und Holzwarenfabrik“ wirbt kurz danach auf einem im selben Raum ausgestellten Plakat mit einem Hobel mit Flügeln – ein „gesetzlich geschützter Hobel mit Schutzmarke ‘Aeroplan‘“. Der Erste Weltkrieg ändert Zieglers Pläne und führt ihn von seiner Geburtsstadt endgültig nach Wien und später nach Deutschland fort.
So könnte die Schwarzburg ausgesehen haben
Der Saal im Untergeschoss ist der Geschichte Zeidens gewidmet. In der Mitte in einem Glaskasten ist das Modell der Schwarzburg ausgestellt, die auf einer Anhöhe von 980 Metern am Zeidner Berg von den Deutschen Rittern errichtet wurde. Sie diente sowohl als Zufluchtsort der Zeidner als auch zur Überwachung des „Sachsenweges“ - die wichtigste Handelsstraße, die das Burzenland mit Hermannstadt verband. Von der im 14. Jahrhundert bei einem Tatareneinfall zerstörten Wehrburg sind heute nur noch einige Steinquader zu erkennen, so dass dieses Modell (laut Butnariu eine Spende aus Germering) uns vor Augen führt, wie die Burg einst ausgesehen haben mag. Der in Deutsch verfasste erklärende Text bietet auch einige technische Details: „Die Burg weist eine Länge von ca. 100 m auf; die Breite variiert den Geländegegebenheiten entsprechend zwischen 12 und 55 m. Die steinerne Mauer als wichtigster Schutzring weist mit Ausnahme der Nordflanke eine Dicke von 1 m auf und erreichte zwischen 2 und 4 m. Die Ostflanke wurde durch Strebepfeiler verstärkt. Die exponierte, 32 m lange Nordflanke wurde von einer 3 m dicken und ca. 6 m hohen Mauer gesichert.“
Zu sehen sind auch unter anderem eine Kopie der Illustration der Zeidner Kirchenburg (1872) von Janos Greguss, eine Relief-Karte der Zeidner Gemeinde Waldung von Forstingenieur Walther Horvath, Wertpapiere von Zeidner Unternehmen, zahlreiche historische Fotos von Zeidner Firmen (u.a. von der Silberfuchs-Farm, vom Colorom-Werk oder von den Treibhäusern, die früher Zeiden als „Blumenstadt“ bekannt gemacht haben) sowie die Entstehungsgeschichte des Zeidner Waldbades.
Im Obergeschoss kommt die Kunst besser zur Geltung, dank der Werke zweier Maler, die in Zeiden gewirkt haben: Eduard Morres (1884-1980) und Aurel Bordenache (1902-1987).
Mit dem Museum der Zeidner Traditionen stellt sich diese Burzenländer Stadt in vielschichtiger, interessanter und auch persönlicher Weise vor. Denn der Großteil der ausgestellten Objekte sind Schenkungen der Zeidner, seien es Sachsen, Rumänen oder Ungarn, seien es ausgewanderte Sachsen oder ihre hiesigen Mitbürger. Das Museum ist dienstags und mittwochs von 8-16 Uhr, donnerstags von 8-18 Uhr, freitags von 8-14 Uhr, samstags und sonntags von 12-16 Uhr geöffnet; der Eintritt ist frei.