Sathmar im Herbstlicht

Ein Spaziergang zu fünf Bauwerken, die von Glanz, Verfall und Aufbruch einer Stadt im Wandel erzählen

Das Haus mit den Atlanten wird gegenwärtig restauriert.

Das Justizgebäude ist auch heute noch eines der architektonischen Prunkstücke Sathmars.

Das einstige öffentliche Badehaus befindet sich heute im Park Grădina Romei.

Das alte Postgebäude Fotos: Arthur Glaser

Das pompöse Gebäude des Palatutul Administrației CFR

Der Herbst kleidet die nordwestlich am Fluss Somesch gelegene Stadt Sathmar/Satu Mare in Farben der Erinnerung. Goldene Blätter tanzen über das Kopfsteinpflaster, der Nebel legt sich sacht auf die alten Fassaden, und zwischen den Straßen erklingt das leise Raunen vergangener Zeiten. Eine Jahreszeit, die besonders zu einem ruhigen Spaziergang durch die Straßen einlädt. Wer sich jetzt die Zeit und die Muße nimmt, durch die Stadt zu flanieren, entdeckt, dass Geschichte nicht nur in Archiven ruht, sondern in Stein, Stuck und Türmen weiterlebt. Fünf Bauwerke öffnen dabei symbolisch ihre Türen und erzählen – jedes auf seine Weise – vom Werden und Wachsen dieser Stadt, aber ebenso vom Zahn der Zeit und dem neu entflammten Bestreben des Restaurierens.

Die Stadt Sathmar hat in den vergangenen Jahren einen enormen Wandel erlebt. An vielen Orten nimmt man nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen Baustellen und Renovierungsarbeiten wahr. Die Stadt hat sich entwickelt und versucht dabei, ihren alten historischen Glanz zu bewahren. Dennoch lässt sich an vielen Gebäuden auch der Zahn der Zeit erkennen. Demgegenüber stehen geschichtsträchtige Fassaden, die mit viel Handwerkskunst und Liebe instandgesetzt wurden. Dabei entdeckt man Gebäude, die nicht immer auf der Liste einer Stadtführung stehen, aber dennoch viel über sich und die Stadt erzählen können. Sie sind halb lebendig und halb verfallen.

Vom Duft des Dampfes zum Glanz der Erneuerung

Einst war sie ein Ort des Alltags, der Begegnung, der Reinheit: die „Baia Comunală“, die alte öffentliche Badeanstalt, verborgen am südwestlichen Rand des Parks „Grădina Romei“. Zwischen 1900 und 1901 erbaut, war sie Teil einer städtebaulichen Vision – einer Stadt, die Fortschritt und Hygiene als Zeichen der Moderne verstand. Der Bauunternehmer Miklós Hirsch schuf das Gebäude aus hellem Stein, schlicht und doch elegant – ein Ort, an dem Dampf, Wasser und Stimmen den Rhythmus der Stadt begleiteten.

Über Jahrzehnte hinweg diente die Badeanstalt den Einwohnern Sathmars – ein Ritual, das montags stets unterbrochen wurde: Reinigungstag. Es gab Dampfbäder, Wannenbäder erster und zweiter Klasse, ja sogar medizinische Anwendungen mit Schwefelwasser. Doch mit dem Wandel der Zeit verlor das Haus seine Bedeutung. Moderne Wohnungen brachten eigene Bäder mit sich, und das alte Badehaus verfiel langsam in Stille.

Erst in den 2000er-Jahren erhob sich das Gebäude – wie ein Phönix aus der Asche – zu neuem Leben. Dank EU-Fördermitteln wurde es restauriert, mit neuen Räumen, Kurs- und Ausstellungsflächen sowie barrierefreien Zugängen. Die einstige Badeanstalt atmet wieder – nicht mehr den Dampf vergangener Tage, sondern den Geist der Erneuerung.

CFR-Palast – Sinnbild von Ordnung und Fortschritt

Nur wenige Schritte vom Stadtzentrum entfernt erhebt sich an der Vasile-Lucaciu-Straße Nr. 1 der „Palatul C.F.R.“, der Palast der Eisenbahngesellschaft – seit 1905 ein Monument staatlicher Autorität. In der Fassade dieses Gebäudes spiegelt sich der Geist der Donaumonarchie: Symmetrie, klassische Strenge, feine Ornamentik.

Das Bauwerk, im eklektischen Stil mit neoklassizistischen Einflüssen errichtet, zeigt eine klare Gliederung – ein massives Erdgeschoss, darüber elegante Fensterfronten mit Dreiecksgiebeln und Steinbalustraden. Pflanzenornamente und Rosetten schmücken den oberen Fries, getragen von feingliedrigen Konsolen. Es ist, als wolle das Haus zugleich Stärke und Würde ausstrahlen, als wolle es sagen: Hier herrscht Ordnung.

Der CFR-Palast ist mehr als nur ein Verwaltungsbau. Er steht für die Zeit, in der die Eisenbahn das Rückgrat der Stadt war – Symbol für Bewegung, Fortschritt und das Selbstbewusstsein einer neuen Ära.

Das Haus mit den Atlanten – Kunst im Kampf gegen Verfall

An der Ștefan-cel-Mare-Straße Nr. 16 steht eines der faszinierendsten Gebäude der Stadt – und eines der bedrohtesten: das Haus mit den Atlanten (Casa cu Atlanți). Errichtet zwischen 1910 und 1911 vom Architekten Pál Tóásó, ist es ein herausragendes Beispiel für den eklektischen Stil mit Elementen der Wiener Secession.

Vier muskulöse Atlanten – männliche Figuren in kraftvoller Bewegung – tragen den Erker des Hauses. Sie scheinen die Fassade selbst zu stützen, doch sie tun es nur scheinbar: Ihre Aufgabe ist rein ästhetisch, nicht tragend. Zwischen ihnen fließen geschwungene Linien, florale Ornamente und asymmetrische Formen – Ausdruck einer Epoche, die Architektur, Skulptur und Kunstmalerei zu vereinen suchte.

Doch der Glanz dieser Epoche ist verblasst. Die Fassade bröckelt, die Figuren sind verwittert. Und doch bleibt das Haus ein stummer Zeuge jener Zeit, in der Kunst und Baukunst eins wurden. Wer hier vorbeigeht, spürt, dass Schönheit manchmal leise um ihre Rettung bittet. Mittlerweile hat sich die Stadtverwaltung des historischen Gebäudes angenommen. Die Fassade ist verhüllt und wird gegenwärtig restauriert – ein wichtiger Schritt, nicht nur für den Erhalt des architektonischen Kulturerbes, sondern auch als Zeichen im Rahmen einer Initiative, die sich weiteren verfallenden Gebäuden widmen soll.

Das Postgebäude – Verbindung durch Raum und Zeit

Schon im 18. Jahrhundert verbanden Poststationen auf beiden Seiten des Somesch die Menschen Sathmars miteinander. Im Jahr 1907 erhielt die Stadt schließlich ein repräsentatives Postgebäude an der Mihai-Viteazu-Straße – und noch heute erfüllt es seinen ursprünglichen Zweck.

Der Bau in L-Form zeigt die Handschrift des beginnenden 20. Jahrhunderts: sezessionistische Linien am Gesims, ein neobarocker Turm über dem Eingang, wechselnde Fensterformen – rund im Erdgeschoss, rechteckig im Obergeschoss – und ein eleganter Balkon über der Eckfassade. Es ist ein Haus, das den Übergang von der alten zur neuen Zeit spürbar macht.

Hier kreuzten sich einst die Wege der Boten und Reisenden, hier begann und endete die Korrespondenz einer Stadt im Wandel. Das Gebäude gehört heute jedoch auch zu einer Liste, auf der die verfallensten Prunkstücke der Stadt stehen.

Der Justizpalast – Symbol der Würde und des Rechts

Nur einen Katzensprung vom Postgebäude entfernt, an der Mihai-Viteazu-Straße Nr. 8, erhebt sich ein Gebäude, das wie kaum ein anderes Autorität ausstrahlt: der „Palatul Justiției“, der Justizpalast. Errichtet zwischen 1894 und 1896 im neoklassizistischen Stil mit Elementen des ländlichen Sezessionsstils, ist er bis heute Sitz des Amts- und Landgerichts von Sathmar.

Zwei gedrehte Säulen rahmen den monumentalen Eingang, darüber ein breiter Balkon, dahinter symmetrische Fensterachsen, Friese, Konsolen und Triglyphen. Es ist ein Bau, der zugleich Strenge und Harmonie ausstrahlt – ein steinernes Bekenntnis zur Idee von Ordnung und Recht.

Schon im 19. Jahrhundert war die Gründung eines eigenen Gerichts ein Symbol städtischer Selbstständigkeit. Der Palast erzählt von dieser Emanzipation – und davon, wie Sathmar sich zu einer Stadt entwickelte, die ihre Institutionen selbstbewusst formte.