Eigentlich verabscheue ich es, Massentouristin zu sein. Gewisse Reiseziele sind aber nicht bloß einfacher, sondern auch kostengünstiger über Angebote von Reiseagenturen zu erreichen. (Eine Recherche im Internet klärt über gute und weniger seriöse Firmen auf.) Zu den Urlaubsangeboten, die man auf diese Weise buchen kann, gehört eine Vielzahl an Ferienorten in Griechenland. Bevor die Wirtschaftskrise akut manifest geworden war, hatten wir beschlossen, dort ein paar Urlaubstage zu verbringen.
Unser Rückflug erfolgte am zweiten Tag des Generalstreiks, also jenem Tag, an dem das Sparpaket im Parlament zur Debatte stand und mit hauchdünner Mehrheit angenommen wurde. Der Flugplan geriet zwar durch die Beteiligung des Flughafenpersonals etwas durcheinander, es wurde aber kein Flug gestrichen. Von der Finanzkrise und den Unruhen spürten wir in den Ferienorten auf Kreta nichts. Der Stromausfall wurde im Hotel sofort von Generatoren aufgefangen, zu leiden hatten darunter kleinere Lokale und Läden. Die Inhaber zeigten Verständnis für die Streikenden.
Warum Griechenland – und das immer wieder?
Neben dem Kostenfaktor lockt die gut ausgebaute und funktionierende touristische Infrastruktur, sowie die Tatsache, dass Sonne, Sand und Meer mit schönen Ausflügen zum Besichtigen von Natur oder Kulturstätten verbunden werden können. Kreta hatten wir aber auch ausgewählt, weil es uns aus der Geschichte wohlbekannt war.
Überrascht hat uns, wie präsent die minoische Kultur, die früheste Hochkultur Europas, im Bewusstsein der heutigen Kreter ist, obzwar nur noch anhand von Ruinen und Rekonstruktionen sichtbar. Der teilweise wiederaufgebaute Palast der sagenumwobenen minoischen Könige in Knossos, nur wenige Kilometer südlich der Insel-Hauptstadt Heraklion gelegen, gehört zum touristischen Pflichtprogramm.
Entsprechend viele Touristen tummeln sich in den einstigen Überresten der Stadt: in und im Umfeld der sich auf ca. 20.000 Quadratmetern erstreckenden einstigen Palast-Anlage sollen um 2000 v. Chr. rund 100.000 Menschen gelebt haben.
Nach dem ersten Blick in den Reiseführer hatte ich fest vor, die beiden Städtchen Chania und Rethymnon an der Nordküste der Insel anzugucken, in deren Straßenbild die Spuren der Venezianer, des Byzantinischen und des Osmanischen Reiches deutlich sichbar sind. Geklappt hat es damit nicht, weil die Reiseagentur einen solchen Ausflug nicht im Angebot führt – und wir, statt uns eigenständig aufzumachen, es dann doch vorzogen, Massentouristen zu sein... Einen Blick auf die Städte erhielten wir daher nur beim Vorbeifahren zu den anderen Ausflugszielen.
In den Überresten einer venezianischen Festung spazierten wir auf der Halbinsel Gramvousa herum. Da diese sich auf einem Berg befindet – es war einst die westlichst gelegene Verteidigungsanlage der Insel – hatten wir von dort einen herrlichen Blick auf das dunkelblaue oder türkisfarbene Wasser, sowie die aus dem Meer ragenden Felseninseln, umgeben von Wassergischt und weißen Stränden.
Orangen, Oregano und Oliven
Die Insel Kreta ist insgesamt etwa 260 Kilometer lang und misst an der breitesten Stelle 60 Kilometer, sodass das Meer von fast überall zu sehen ist. Seit zwei, drei Jahren verfügt sie über gut ausgebaute Schnellstraßen, so dass man am einen Ende der Insel wohnen und an das andere Ende zu Ausflügen fahren kann, sofern man früh genug aufsteht. Aus dem Ferienort Gournes, 18 Kilometer östlich von Heraklion, mussten wir eine zweistündige Anfahrt bis zum Hafen in Kissamou/Kastelli (die kretische bzw. die ehemalige venezianische Bezeichnung) in Kauf nehmen.
Die Überlandfahrten mit modernen Reisebussen lohnen insbesondere mit guten Reiseleitern, die von Land und Leuten erzählen. Cristina, unsere Reiseleiterin, stammt aus Radautz in der Bukowina und lebt seit acht Jahren auf Kreta. Ihre neue Heimat liebt sie genauso wie ihre alte. Sie war bemüht, uns nicht nur die Sehenswürdigkeiten zu präsentieren, sondern auch den Lebensstil der Kreter näherzubringen.
Beim Vorbeifahren an den rosarot und weiß blühenden Oleandern, den Zypressen oder entlang der Orangen- und Olivenplantagen erzählte sie über die Vegetation der Insel und deren Verwertung. Thymian und Oregano, Eukalyptus- und Salbeiblätter konnten wir auch selbst pflücken. Gut gefallen hat der dem Klima angepasste Baustil (den es in der rumänischen Tiefebene mit heißen und trockenen Sommern und von kalten Winden heimgesuchten Wintern auch mal gab): die maximal drei Stockwerke hohen Häuser haben flache Dächer, sind in hellen Farben getüncht und der Anstrich wird jedes Jahr erneuert.
Entsprechend sauber und frisch sieht es überall aus. Es gibt kaum ein Dach, auf dem keine Solarzellen die Sonnenhitze speichern. Im Hotel ging die Klimaanlage sofort aus, wenn ein Fenster oder die Balkontüre geöffnet wurden. Umsichtiger Energiehaushalt wird großgeschrieben.
Die heute unbewohnte Gramvousa-Halbinsel erreichten wir per Schiff (auf dem sich etwa 1000 Menschen aus vielen europäischen Ländern tummelten), aus dem Hafen Kissamou fährt es die Felsenküste entlang. Angelegt wird zunächst an der ehemaligen venezianischen Festung aus dem 16. Jahrhundert. Jene, die gut zu Fuß und neugierig sind, klettern die ca. 800 Meter hinauf und genießen das grandiose Panorama, derweilen die Wasserratten ein erstes Bad im Meer an diesem Tag genießen können.
Mit dem Schiff geht es dann weiter in die Bucht und Lagune von Balos, die zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Natur Westkretas gehört. Die Bucht entstand durch die allmähliche tektonische Hebung der Insel im Westen und der damit entstehenden Landverbindung Kretas zur ehemals vorgelagerten Insel des heutigen Kap Tigani. Im Schutz dieser Landbrücke zum offenen Meer hat sich durch Anschwemmungen die Lagune gebildet.
Der Lagunenstrand besteht aus feinem, weißem Muschel- und Korallensand, der, so unsere Reiseleiterin, rosafarbene Streifen aufweist. Man musste schon sehr genau hinsehen um den rosa Sand zu erkennen. Im seichten Wasser zu liegen oder in der Lagune zu schwimmen war herrlich. Beeindruckend die Sauberkeit am Schiff: bei jedem Halt wurden die beiden Decks geschrubbt, ebenso die Toiletten und Duschen.
Zwischen den Tischen gingen ständig junge Männer auf und ab und sammelten leere Becher, Flaschen, Servietten, und Verpackungen von den Tischen ein, damit ja nichts ins Meer gelangt. Die Sauberkeit fällt auf Kreta insgesamt positiv auf. Sauber waren nicht bloß die von uns besuchten Strände und das Hotel samt seinem Pool und Restaurants, sondern auch das Meereswasser und die Luft. Cristina erzählte, fast jede Familie verfüge über zwei Autos, viel Verkehr war aber nicht zu erkennen. Teure, protzige Jeeps haben wir keine gesehen, dafür stets Leute an den Bushaltestellen.
Die Samaria-Schlucht
Zu den Sehenswürdigkeiten der Insel gehört die Samaria-Schlucht. Eine Wanderung lohnt allemal, selbst wenn man nachher wunde Füße und Muskelkater hat. Die eigentliche Schlucht ist ca. 13 Kilometer lang, zu Fuß sind aber 17 Kilometer zurückzulegen. Wer in 1200 Metern Höhe in Xyloskalo startet, muss zunächst eine aus Holz und Steinen gebaute Treppe über 3 Kilometer hinabgehen, was die Wadenmuskeln sowie Kniegelenke schon mal tüchtig beansprucht.
Durch die Schlucht führt ein Bachbett mit riesigen Steinen, das nur bei und nach Regenfällen Wasser führt. Einplanen sollte man für das Abenteuer mindestens acht Stunden (wir hatten leider nur sechs zur Verfügung) um Pausen bei den Quellen (wo es auch Toiletten gibt) einlegen und die wunderbaren An- und Ausblicke genießen zu können.
Die Samaria-Schlucht gehört zu den längsten und tiefsten in Europa und führt durch ein Gebiet, das 1962 zum Nationalpark erklärt worden ist. 1965 wurden die wenigen Bewohner des namensgebenden Dorfes Samariá umgesiedelt, die Ruinen des Ortes können besichtigt werden. In unterschiedlichem Zustand befinden sich einige winzig kleine Steinkapellen.
Die Schlucht liegt an der Südküste Westkretas und zieht sich von der Omalos-Hocheben entlang der weißen Berge (die bis zu 2450 Meter hoch, gewöhnlich bis Mai beschneit sind) bis hinunter zum Libyschen Meer. Aus dem kleine Hafenort Agia Roumeli fährt ein Schiff die müden Wanderer nach Chora Sfakion, wo die Busse warten. Eine Straße durch die Schlucht gibt es nicht, geöffnet ist sie nur bei Schönwetter und üblicherweise von Mai bis Oktober.
Beeindruckend ist die Landschaft: zunächst führt der Weg zwischen bewaldeten Bergen hinab – Ausblick hat man aber auch auf die kargen Gebirgszüge – danach wird er von senkrechten Felswänden gesäumt, die sich bis zu 600 Meter hoch erheben. Die engste Stelle der Schlucht, die sogenannte „eiserne Pforte“, ist nur drei bis vier Meter breit. Bald darauf eröffnet sich erneut der Blick auf das Meer.