Am 8. Juli beging die christdemokratische politische Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ihr 15-jähriges Jubiläum in Rumänien mit einer Konferenz unter dem Motto „Europa im Wandel: Was bleibt zu tun?“ Hochrangige Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft, Akademiker, Geschäftsleute und Journalisten aus beiden Ländern waren zugegen. Von rumänischer Seite erschienen unter anderem Premierminister Victor Ponta, PNL-Vorsitzender Klaus Johannis, PDL-Chef Vasile Blaga und Ex-Präsident Emil Constantinescu. Der Leiter der KAS-Stiftung für Rumänien und die Republik Moldau, Sven-Joachim Irmer, freute sich in seiner Ansprache auch über die Tatsache, dass fast jede rumänische Partei bei dem Ereignis vertreten war.
Premierminister Ponta betonte in erster Linie die Bedeutung der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit durch das Institut für die Untersuchung von kommunistischen Verbrechen (IICCMER), das von der Stiftung mit deutschen Erfahrungswerten und Projekten stark unterstützt wird. Auch formulierte er das Anliegen an die deutsche Einrichtung, Rumänien bei der Unterstützung der Demokratisierungsbemühungen in der Republik Moldau, der Ukraine und Georgien zur Seite zu stehen.
Der deutsche Botschafter Werner Hans Lauk unterstrich die Wichtigkeit der Wertschätzung, die die KAS in Rumänien erfährt. Als exemplarische Highlights der bisherigen Tätigkeit erwähnte er die Beratung politischer Parteien im Rahmen des Rechtsstaatsprogramms, die Bemühung, Jugendliche zu fördern und für die Politik zu interessieren, die Vertiefung der europäischen Integration Rumäniens, die Eröffnung des Rechtsstaatsprogrammes Südosteuropa mit Sitz in Bukarest, dem Thorsten Geissler vorsteht, sowie die Stärkung des Rechtsstaates in der politischen, wirtschaftlichen und zivilen Gesellschaft.
All dies geschieht durch eine Vielzahl von Veranstaltungen, Programmen und Stipendien – laut Irmer 400 seit dem EU-Beitritt Rumäniens, mit etwa 20.000 Teilnehmern. Was die Zukunft betrifft, seien Solidität und Solidarität fundamentale Kriterien in der Politik. Nicht nur Rumänien braucht Europa, sondern auch Europa braucht Rumänien. Ausdrücklich positiv sei zu vermerken, dass EU-kritische Parteien in Rumänien keinen nennenswerten Wählerzuspruch verzeichnen.
Die Parteivorstände Johannis (PNL) und Blaga (PDL) dankten der KAS in ihren Ansprachen für ihre Vermittlung im Mitte-Rechts-Dialog, der die Parteien nun zusammenführt und auch mit der christdemokratischen Fraktion der Europäischen Volkspartei vereint.
Bisherige Hauptaufgabenfelder
Hans-Gert Pöttering, ehemaliger Europaparlamentspräsident und aktuell Leiter der KAS, fasste Grundideen und Hauptaufgabenfelder der weltweit agierenden politischen Stiftung zusammen. Ursprünglich konzentrierten sich die Aktivitäten auf Amerika und Asien, erst seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs auch auf den Osten. Vorbild für alle Aktivitäten sei das christliche Menschenbild: die Würde des Menschen, die Verantwortung für uns und die Gemeinschaft, Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Um diese Werte zu verbreiten, entwickelt KAS aktive Netzwerke in Politik und Gesellschaft. Die Stiftung sei sowohl Think Tank als auch Beratungsagentur – wenn auch letzteres oft einen schwierigen Balanceakt darstellt, vor allem dann, wenn die erteilten Ratschläge nicht mit den politischen Vorstellungen des zu Beratenden übereinstimmen. Man stelle sich jedoch stets auf die Bedürfnisse des Beratungswilligen ein, keinesfalls wolle man mit erhobenem Zeigefinger lehren.
Aktivitäten entfaltet die Stiftung über Symposien, Stipendien, Seminare und Sommerschulen, aber auch jährlich verliehene Literatur- und Marktwirtschaftspreise. Eine der aktuell wichtigsten Aufgaben sei der Austausch zwischen Religionen und Kulturen, „was besonders deutlich wird, wenn wir nach Nordafrika schauen“, so Pöttering. Wichtig sei auch die Unterstützung der Jugend, die Schaffung von Perspektiven für den intellektuellen und politischen Nachwuchs, sowie die Förderung der politischen Zusammenarbeit regional und global. In Rumänien führt die KAS bereits seit 1991 Bildungs- und Beratungsmaßnahmen durch. Auch die Stärkung der deutschen Minderheit gehört zu ihrem Aufgabenspektrum. 2006 wurde Bukarest zum Sitz des Rechtsstaatsprogramms Südosteuropa auserkoren.
Richtlinien für die Zukunft
Als Ausblick und Orientierung für weitere Kooperations- und Beratungsprojekte der KAS nannte Pöttering folgende Themenschwerpunkte:
Europäische Integration: Auch sieben Jahre nach dem EU-Beitritt Rumäniens sei die Integration noch auf dem Weg. Die KAS könne hierbei weiterhin beratend unterstützen und Deutschlands Erfahrungen anbieten.
Europäische Parteienfamilien: Ausdrücklich gelobt wurde der derzeit laufende Vereinigungsprozess von PNL und PDL. Bezugnehmend auf den Beitritt zur Volkspartei betonte Pöttering generell die Wichtigkeit der Integration nationaler Parteien in die europäische Parteienfamilie.
Solidarität in Europa: Wenn ein EU-Mitglied in Schwierigkeiten gerate – als Beispiel wurde Griechenland genannt –, sei es selbstverständlich, dass die anderen helfend einspringen. Heftige Diskussionen da-rüber gibt es jedoch vor allem in den Geberländern. Doch man müsse sich heute Folgendes vor Augen führen, so Pöttering mit Nachdruck: „Wenn es 1979 die Möglichkeit gegeben hätte, die Freiheit der Ostblockstaaten zu kaufen – wir wären bereit gewesen, jeden Preis dafür zu zahlen!“
- Aufarbeitung der Vergangenheit: Besorgnis äußerte der langjährige ehemalige Europapolitiker über das mangelnde Gefühl Russlands, die eigene stalinistische Vergangenheit aufzuarbeiten, und umso mehr über den aktuellen Duma-Beschluss, der negative Äußerungen über Russland verbiete. Aufarbeitung sei unabdingbar in jeder Demokratie, insistiert Pöttering. Insofern hätte die Aufklärungsarbeit des IICCMER unter Direktor Radu Preda für Rumänien allerhöchste Bedeutung.
Mit Unterstützung der KAS finden zu diesem Thema immer wieder Sommerschulen statt, in denen sich Schüler und Studenten mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit befassen. Aber auch das Schicksal der deutschen Minderheit zur Zeit der Diktatur in Rumänien sei nicht vergessen worden. Pöttering lobte in diesem Zusammenhang explizit das Engagement des Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul-Jürgen Porr und des Forumsabgeordneten Odiviu Gan].
- Soziale Aspekte der Marktwirtschaft: Ein wichtiges Anliegen der Christdemokraten sei die soziale Marktwirtschaft, mit Betonung auch auf „sozial“: Wo Auswüchse drohen, müsse der Staat ausgleichend eingreifen. In Krisenzeiten müssten gefährdeten Branchen Förderprogramme angeboten und das Kleinunternehmertum stärker unterstützt werden. Absolut essenziell jedoch sei eine transparente und vorhersehbare Steuerpolitik! Keinesfalls dürfe man in die selbstmörderische Falle einer Überbesteuerung des Mittelstandes treten, um den Oligarchismus zu nähren.
- Weitere Demokratisierung des Ostens: Pöttering betonte, er hätte zwar immer für eine starke Partnerbeziehung mit Russland eingestanden, sei derzeit jedoch zutiefst besorgt über das Verhalten Russlands gegenüber der Ukraine. Man könne nicht stillschweigend darüber hinwegsehen, dass sich Russland einfach ein Stück der Ukraine angeeignet hat. Auch das Recht der Ukraine – oder anderer Länder – sich der EU anzunähern, dürfe niemand infrage stellen.
Den künftigen Sieger der Präsidentschaftswahlen – wer immer dies auch sein möge – forderte Pöttering schon jetzt mit Nachdruck auf, sich für eine noch stärkere Annäherung Rumäniens und Deutschlands einzusetzen, um gemeinsam für ein einiges Europa einzustehen.