In dieser 17. Stafette-Anthologie mit der Übersicht für das Schaffensjahr 2011 werden gleich fünfzehn Nachwuchsautorinnen und –autoren aus dem Lenaugymnasium vorgestellt, um zu zeigen, aus welch reichem literarischem Interessenkreis und Betätigungsfeld man hier schöpft. Einmalig nicht nur für Rumänien.
So ist logischerweise der erste Teil dieses Stafette-Sammelbandes seinem in der Nachwuchsförderung einmalig engagierten Stafette-Literaturkreis gewidmet, während der zweite Teil der dritten Auflage des Symposiums der deutschen Mundarten und Mundartliteratur in Temeswar zur Verfügung gestellt wurde.
Die rumäniendeutsche Literaturszene verdankt ihre Existenz auch der Tatsache, dass in die Transformationsperiode auch die Germanistikabteilungen mit den Abschlussprüfungen Deutsch als Fremdsprache, aber vor allem auch Deutsch als Muttersprache in Bukarest, Klausenburg/Cluj-Napoca, Hermannstadt/Sibiu, Temeswar/Timişoara und Jassy/Iaşi hinüber gerettet werden konnten. An der Temeswarer Germanistikfakultät hat übrigens auch Herta Müller 1972-1976 Deutsch als Muttersprache und Rumänistik studiert.
Es gibt deutsche Rundfunk- und vor allem deutsche Fernsehsendungen dreimal die Woche mit einer halben Million Zuschauern, da sie rumänisch untertitelt sind. Über sie wird auch die aktuelle rumäniendeutsche Literatur der Mehrheitsbevölkerung bekannt gemacht und die Stafette und ihre Mitglieder erhalten so immer wieder ein landesweites Publikum.
In Temeswar gibt es, neben dem rumänischen Nationaltheater und dem ungarischen Theater, auch ein selbstständiges deutsches Theater, dessen Intendant Lucian Manuel Vârşăndan, ein Absolvent des Lenaugymnasiums, ist und, zugleich auch als Deutschschreibender, ein Vertreter der jungen rumäniendeutschen Literatur nach dem Umbruch. Er lässt auf seinem Theater den Stafette-Literaturkreis auch immer wieder auftreten und organisiert festlich mit Musik begleitete Literaturpreisverleihungen an seine Mitglieder.
Ebenfalls hinübergerettet in die Transformationszeit wurde die heute einzige deutsche Tageszeitung aus dem ehemaligen Ostblock, die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ mit ihren beiden Regionalbeilagen „Banater Zeitung“ für das Banat und „Karpatenrundschau“ für Siebenbürgen/Transsilvanien. An der „Banater Zeitung“ arbeiten als Redakteure die Stafette-Mitglieder Balthasar Waitz und Robert Tari, beide Autoren mehrerer Bände, die sich rührend um den Stafette-Literaturkreis und alle seine Aktivitäten journalistisch verdient machen.
Außerdem gibt es auch heute noch in der alten Heimat deutschsprachige Verlage wie den „aldus“-Verlag in Kronstadt/Braşov, den Hora-Verlag und den Schiller-Verlag in Hermannstadt/Sibiu und die für die Stafette-Autoren besonders wichtigen Verlage „Mirton“ und „Cosmopolitan“ in Temeswar.
Diese unglaubliche kulturelle Leistung einer um ihre sprachliche und kulturelle Identität bemühte und vor allem auch besorgte Minderheit – je kleiner die Gemeinschaft, umso schwie-riger eine sprachliche Alltagssituation zu gestalten – wird zunehmend interessiert im deutschsprachigen Raum zur Kenntnis genommen und erfreulicherweise auch gewürdigt.
So findet dieses Jahr vom 16. bis18. November in der sudetendeutschen Begegnungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen der vom Bundesministerium des Inneren geförderte Kongress des Exil-Pens deutschschreibender Autoren statt, mit dem Schwerpunkt rumäniendeutsche Literatur.
Anlass dazu ist unter anderem auch die Aufnahme in den Exil-Pen 2011 von gleich vier rumäniendeutschen Autoren aus der alten Heimat Rumänien: Annemarie Podlipny-Hehn, Lorette Brădiceanu-Persem, Petra Curescu und Balthasar Waitz – alles übrigens Mitglieder des Stafette-Literaturkreises. Dass dies gerade zum 20. Jubiläum des Stafette-Literaturkreises geschieht, ist eine besondere Freude.
2011 wurde zum ersten Mal der Libeth-Rieping-Preis der Stafette an drei erfolgreiche Mitglieder verliehen. Ausgezeichnet wurden der 24-jährige Robert Tari, Autor von zwei Büchern, Henrike Brădiceanu-Persem, Autorin von ebenfalls zwei Büchern, und die Neuntklässlerin Karina Körösi, die seit drei Jahren aktiv dabei ist und von der in dieser Anthologie zwei Kurzprosatexte zum Verhältnis zwischen den Generationen der Großeltern und Enkel „Das Buch“ und „Die Erkenntnis“ enthalten sind.
Die Leiterin des Stafette-Literaturkreises, Annemarie Podlipny-Hehn, erhielt für ihr 2010 erschienenes Memoirenbuch „Da-Sein“ den Preis der Temeswarer Filiale des Rumänischen Schriftstellerverbandes, und die stellvertretende Leiterin der Stafette, Lorette Brădiceanu-Persem, erhielt 2011 einen Temescher Kulturpreis. Robert Tari erhielt zum Libeth-Rieping-Preis auch den Stefan-Jäger-Preis. Die Ehrengabe des Stefan-Jäger-Preises ging an das 80-jährige Stafette-Mitglied, den unermüdlichen Mundartautor Michael Müller. Müller scheint ein guter Name für banatschwäbische Literatur zu sein. Balthasar Waitz erhielt für sein viertes Buch „Krähensommer – Geschichten aus dem Hinterland“ den Nikolaus-Berwanger-Preis. Der gleichnamige Förderpreis ging an das Stafette-Mitglied Bianca Barbu, wohl auch um ihr Mut zu machen das Beste ihrer beachtlichen Anzahl von veröffentlichten Prosa- und Lyriktexten endlich in einem Auswahlband zusammenzufassen.
Ein eigener Band, nicht bloß Beiträge in Anthologien, so wichtige Vor- und Entwicklungsstufen einer literarischen Reife sie auch sein mögen, ist einfach notwendig für eine Übersicht. Die allein veranlasst die zuständigen Juroren und Gremien Autoren gezielt zu fördern und auch dem deutschsprachigen literarischen Leben in Rumänien den notwendigen Überlebensrahmen zu gewährleisten.
Dies ist umso wichtiger, da die rumäniendeutsche Literatur nach wie vor ihren besonderen Stellenwert in der Identitätsproblematik der Rumäniendeutschen hat. Sie ist in den deutschsprachigen Schulen in den Deutschlehrbüchern schon immer mit aktuellen Textproben vertreten gewesen und ist es auch heute noch.
(Fortsetzung folgt)