„Ich wurde einfach in eine Tracht gesteckt und da bin ich“. Franziska Rabe stammt aus Norddeutschland – seit einigen Jahren lebt sie nun schon in Franken. Mit schwäbischem Brauchtum hatte sie bisher herzlich wenig zu tun. Über ihr Interesse für Brauchtum hinaus, hat sie auch konjunkturbedingt den notwendigen Schub erhalten, zumindest für einen Tag eine Tschanader Schwäbin zu sein. Sie blickt in den Saal: „Die Leute hier leben in der heutigen Kultur und haben zusätzlich ihre alte Kultur“. Ein solcher Bezug konnte nur deshalb so lange erhalten bleiben, „weil diese Kultur etwas für sie bedeutet“.
Brot als heimatliches Mitbringsel
Mit Nostalgie, Brauchtumspflege und Wiedersehen hatten die Tschanader am vergangenen Wochenende in gleich mehreren Facetten ein Stückchen Heimat geschenkt bekommen. In Nürnberg feierten sie das Kirchweihfest ihrer angestammten, mehr als 1000 Kilometer entfernt liegenden, Banater Heimatgemeinde. „Brot von Zuhause“ hatte ihr Landsmann und Bürgermeister von Tschanad, Nikolaus Crăciun, mitgebracht, die banat-schwäbische Ahnentracht wurde nach Jahren wieder zur Tschanader Kirchweih zur Schau getragen und der traditionelle Kirchweihstrauß hatte erneut seinen Platz ganz vorne im Kirchweihzug. „Man kennt sich von Veranstaltungen“, erklärt Pauline Huschitt, warum nicht nur aus Tschanad stammende am Fest teilnehmen. „Es ist ein Geben und Nehmen“, denn vielen Heimatortsgemeinschaften macht der biologische Rückgang und berufliche Aufgaben seiner Mitglieder bei der Vereinsarbeit zu schaffen.
Den Kirchweihspruch und Heimatgedichte trugen Ramona Kiefer und Adolf Wunder vor. Die beiden in Tschanad geborenen moderierten auch durch die Festveranstaltung. Sie sind zwar als Kinder bzw. Jugendliche ausgewandert, doch sie sprechen auch heute noch fließend „Tschanader Schwobisch“ tragen zu Anlässen die bunte Festtracht ihrer Ahnen, die sie zum Teil noch aus der alten Heimat sammeln.
Bürgermeister: Kein Kulturschock in der Heimatgemeinde
Vor zwei Jahren, bei den Vorstandswahlen der HOG Tschanad hatte sich der damals neue Stellvertreter, Adolf Wunder, aus der mittleren Generation zum Ziel gesetzt, junge Leute für die Vereinsarbeit heranzuziehen. Zwei Jahre später hatte er eine Kirchweih auf die Beine gestellt, wenn auch nicht von dem Ausmaß und der Dauer aus seiner schwäbischen Heimat. „Unser finanzielles Polster hat uns die Veranstaltung eines solchen Festes erlaubt“, sagt die Tschanader HOG-Vorsitzende Pauline Huschitt. Die Parallele zum heimatlichen Fest, aber auch die Blaskapelle Blech-Klang und die Band Klang-Voll machten Musik - wie die Nostalgiker aus den 1970-1980er Jahren kennen und lieben – vergegenwärtigten die Kirchweihfeste von einst um ein weiteres Stück.
Manch Banater Schwabe sucht in seinem Heimatdorf die getünchten Bäume, die sauberen Gassen, die schmucken Häuser. Vergebens. Auswanderung, Strukturwandel und wirtschaftliche Lage haben vielerorts den freien Fall verursacht. Damit die Tschanader bei ihrer Heimkehr je weniger vor einem solchen Kulturschock stehen, bemüht sich die Gemeindeverwaltung, „dass Ihr den Ort über weite Strecken so vorfindet, wie Ihr ihn verlassen habt“, sagte Bürgermeister Crăciun zu seinen Landsleuten. Er war zusammen mit Vizebürgermeister Vasa Stefanovici und Gemeindesekretär Miroslav Marianuţ beim Fest zugegen.
Für Pauline Huschitt ist dieses Fest weitaus mehr, als eine Begegnung mit Freunden. „Dieses Treffen ist Ausdruck der Solidarität und des Zusammenhaltes unserer Landsleute“. Die HOG-Vorsitzende wies in ihrer Rede auch darauf hin, dass sie alle „das gleiche Band unserer Herkunft“ verbindet und „so lange das Band nicht zerschnitten wird, so lange bleibt unsere Gemeinschaft bestehen“. Ein Grundgedanke, mit dem sich viele an diesem Abend trennten.