Bis auf den heutigen Tag ist es bei Herrschern und Politikern Mode, Bücher zu schreiben, weil sie der Meinung sind, ihren Zeitgenossen oder der Nachwelt einen Einblick in ihre Gedanken schuldig zu sein. Selten freilich sind darunter geistliche Werke. Bei der früheren Königin Elisabeth von Rumänien (1843-1916) ist das ganz anders. Sie ging nicht nur unter dem Künstlernamen „Carmen Sylva“ als Dichterin und Schriftstellerin in die Literaturgeschichte ein, sondern verfasste auch von tiefer Frömmigkeit geprägte Andachten, 21 an der Zahl. Diese zeugen vom lebendigen, starken und frommen Glauben der rumänischen Königin aus deutschem Adelshaus und erschienen unter dem hintergründigen Titel „Seelengespräche“ erstmals 1888.
Im Rahmen ihrer Edition mit Büchern zur rumänischen Monarchie und beson-ders von Werken der „Dichterkönigin“ Carmen Sylva selbst hat die Literaturwissenschaftlerin Silvia Irina Zimmermann aus Mannheim jüngst diese Andachten in einer ansprechenden Ausgabe neu veröffentlicht. Ihr Band bietet die 21 geistlichen Texte mit vielen zeitlos gültigen und wertvollen Gedanken in der deutschen Fassung, einige historische Fotos der Königin und ihrer Familie, Abbildungen der Titelseiten der früheren deutschen und rumänischen Originalausgaben, eine umfassende Einführung zu Leben, Werk und Wirken wie Rezeption der „Dichterfürstin“ sowie einen Abschnitt über die verschiedenen früheren Ausgaben.
Die in Hermannstadt geborene Literaturhistorikerin, Schriftstellerin und Übersetzerin Silvia Irina Zimmermann ist Initiatorin und Mitbegründerin der Forschungsstelle Carmen Sylva des Fürstlich Wiedischen Archivs in Neuwied. In ihrer Studie zu Carmen Sylva präsentiert sie ein gleichzeitig sympathisches und lebendiges wie auch wissenschaftlich fundiertes Lebensbild der Königin. Sie zeigt auf, wie es dazu kam, dass die literarisch mit Gedichten, Märchenbüchern und Übersetzungen hervorgetretene Königin auch noch Andachten und damit fromme und erbauliche Texte verfasst hat.
Am 29. Dezember 1843 kam Elisabeth in Neuwied als älteste Tochter des Fürstenpaares Hermann und Marie zu Wied zur Welt und erlebte eine damals für Fürstentöchter unübliche intensive Erziehung in Fächern wie Geschichte, Kunst- und Kirchengeschichte, Musik, Mathematik und Physik. Auch lernte sie neben den üblichen Sprachen Englisch und Französisch auch Italienisch, Schwedisch sowie Latein und Griechisch. Neben dem frühen Tod kränklicher Brüder im jugendlichen Alter prägte sie religiös vor allem die starke Frömmigkeit ihrer Mutter, die sie an ihrem Glauben durch täglichen Religionsunterricht um sechs Uhr morgens teilhaben ließ. „Sie selbst behielt den Religionsunterricht in der Hand bis zu den letzten sechs Wochen vor der Konfirmation, und darin leistete sie Außerordentliches“, so Elisabeth im Rückblick (zitiert S. 218 f.)
Es war wohl diese frühe religiöse Erziehung, die die spätere Königin ihr Leben lang prägte, auch noch am Königshof in Rumänien. Am 15. November 1869 hatte Prinzessin Elisabeth den Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen geheiratet, der seit 1866 Fürst der vereinigten rumänischen Donaufürstentümer der Moldau und der Walachei war (rumänisch unter dem Namen Carol), des späteren Königreichs Rumänien. Elisabeth lebte fortan am Hof in Bukarest. Das einzige Kind des Fürstenpaares, Prinzessin Maria, starb 1874 im Alter von nur drei Jahren an Diphterie. Die Fürstin litt deshalb an einer Depression.
Als Königin von Rumänien setzte sich Elisabeth vehement für Wohltätigkeit und Frauenförderung ein, außerdem für die Vermittlung rumänischer Kunst und Kultur gegenüber dem Ausland. Sie veröffentlichte zahlreiche Gedichte, Märchen, Erzählungen, Theaterstücke und Essays, vorwiegend in Deutschland. Ihre Werke wurden übersetzt und auch in europäischen Ländern wie Frankreich, Schweden, den Niederlanden, Ungarn und Großbritannien, den USA, Japan und Australien begeistert aufgenommen, wie Zimmermann darlegt. Sie verstand das als Dienst am „Image“ des neuen Landes. Gleichzeitig half ihr das Schreiben von Gedichten bei der Bewältigung ihrer Trauer über den frühen Tod ihres Kindes.
Einerseits als weltfremde Träumerin belächelt, schaffte es die deutsche Königin Rumäniens doch, zu einer der interessantesten Frauengestalten der neueren Monarchiegeschichte zu werden, indem sie sich nicht auf die Rolle einer stillen „Teilhaberin“ am Thron des Mannes reduzieren ließ, sondern mit ihrem literarischen Werk auch kulturell und gesellschaftlich eigenständig in Erscheinung trat. Zimmermann beschreibt dies sehr hintergründig.
Der „Dichterkönigin“ wurde die Muße zur Muse, wie sie selbst schreibt, als sie etwa in ihrer Residenz in Sinaia in fünf bis sechs Wochen sage und schreibe 95 Lieder schrieb. „Meine Muse schreibt sich mit ß! Das sage ich ja immer! Die köstlichste Stille, die himmlische Luft tragen reichlich dazu bei, mir Flügel zu geben.“ (zit. S. 243) Dabei hat sie ein unglaubliches Arbeitspensum absolviert: „Ich kenne nur Kranksein, aber nicht Ermüdung. Von morgens 3 oder 4 Uhr bis abends 11 oder oft 12 einer Ruhestunde mittags ist auch Zeit für alles.“ (S. 251) Die nimmermüde Umtriebigkeit kannte sie schon als Kind: „Meine Lebhaftigkeit war allen zu Last, (…), sie nannten mich Sausewind“ (zit. S. 223). Nach dem Tod ihres Mannes 1914 lebte sie vorwiegend auf dem Witwensitz im Kloster Curtea de Argeş. Sie starb 1916 in Bukarest und wurde in Curtea de Argeş beigesetzt, der Grablege der rumänischen Könige.
Für Silvia Irina Zimmermann bleibt die Königin Elisabeth und Dichterin Carmen Sylva „in Erinnerung als eine Persönlichkeit, deren Sichtbarkeit als Königin und Schriftstellerin in der Öffentlichkeit für ihre Zeit außergewöhnlich war. Diese öffentliche Sichtbarkeit weltweit ist der wichtigste Aspekt, den Elisabeth der Rolle einer Königsgemahlin in Rumänien hinzugefügt hat“. Sie hat „mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit das Königreich Rumänien zu ihrer Zeit weltweit bekannt gemacht“ (S. 255).
Die 21 Andachten selbst orientieren sich immer an Bibelversen, die Elisabeth sehr hintergründig, glaubensstark und stärkend auslegt. Den Abschluss bildet jeweils ein kurzes Gebet. Thematisch geht es um geistliche Fragen wie Seelenstärke und Berufung der Christen, Selbstüberwindung, Lebenskampf und die Stimme des Herzens, Vergebung, Leid und Zuversicht, Vertrauen in Gottes Wort, Sanftmut und Geduld, über Gegenwart und Hilfe Gottes im Leben und über die Seelenfreude. Diese Andachten sprühen über vor guten Gedanken und geistig-geistlicher Tiefe. Sie können auch den heutigen Lesern noch viel für Glauben und Leben mitgeben und schenken Trost und Stärkung für den Alltag.